Anwartschaftsrecht

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ist ein Faszinosum des BGB: Es steht nicht im Gesetz, es verstößt gegen den Numerus clausus des Sachenrechts (weil es eben nicht im Gesetz steht) und erfreut sich dennoch seit Jahrzehnten einer wachsenden Beliebtheit wegen eines praktischen Bedürfnisses vorwiegend für folgende zwei Fälle.

Beispiel 1: Der Möbelverkäufer V übergibt die Sitzgruppe nach Anzahlung einer Rate dem Käufer K und vereinbart mit ihm weitere Ratenzahlungen, wobei er sich gem. § 449 BGB das Eigentum vorbehält.

Beispiel 2: Der Fabrikant F übereignet seinen Maschinenpark der Bank B zur Sicherheit für ein Darlehen in Höhe von 100.000 €, wobei er gem. §§ 929, 930 BGB den Besitz an den Maschinen aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses in Form einer Leihe behält (sonst könnte er nämlich nicht weiterproduzieren und das Gelddarlehen auch nicht bedienen). F und B vereinbaren, dass die Übereignung durch Erfüllung der gesicherten Darlehnsforderung auflösend bedingt (Bedingung) sein soll.

In beiden Fällen (Beispiel 1: Eigentumsvorbehalt; Beispiel 2: Sicherungsübereignung) ist der Erwerb eines Rechts, nämlich des Eigentums, für K bzw. F bereits eingeleitet, aber noch nicht vollendet. In diesen bedeutsamen Fallgruppen besteht das Bedürfnis, die potentiellen Erwerber K und F rechtlich vor Zwischenverfügungen des V bzw. der B im Stadium zwischen Einleitung und der Vollendung des Vollrechts: Eigentum zu schützen. Diesen Schutz übernimmt das Anwartschaftsrecht. Es ist eine durch die §§ 161 Abs. 1, 162 Abs. 2 BGB (Bedingung) rechtlich gesicherte Vorstufe zum Erwerb einer beweglichen Sache und wird als ein dem Vollrecht Eigentum wesensgleiches Minus angesehen. Damit ist es ein dingliches Recht. Es entsteht, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts (§§ 929; 929, 930 BGB: Einigung und Übergabe) bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind (bedingte Einigung und Übergabe), dass die Rechtsposition des Erwerbers (K und F) vom Veräußerer (V und B) nicht mehr einseitig zerstört werden kann (wegen §§ 161 Abs. 1, 162 Abs. 2 BGB, wenn K seine Kaufpreisraten und F seine Darlehnsraten pünktlich bezahlen).

Wenn die Bedingung der letzten Kaufpreisrate eintritt, wird das aufschiebend bedingte Übereignungsrechtsgeschäft zwischen V und K wirksam (§ 158 Abs. 1 BGB), während die Rechtsfolge der auflösend bedingten Sicherungsübereignung zwischen F und B endet (§ 158 Abs. 2 BGB). Die rechtlichen Konsequenzen für den Anwartschaftsberechtigten sind beachtlich: Er hat ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.v. § 771 ZPO, so dass er sich erfolgreich gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger von V und B wehren kann. Er hat bei Besitzentziehung den Besitzschutz der §§ 861, 1007 BGB. Er hat den Eigentumsherausgabean-spruch gem. § 985 BGB (h.M.). Er hat (neben dem Eigentümer) einen Schadenersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung eines sonstigen Rechts. Er kann sein Anwartschaftsrecht ohne Zustimmung des V bzw. der B an einen Dritten gem. § 929 ff. BGB übertragen. Er kann es mit vertraglichen Pfandrechten belasten, und es kann mit gesetzlichen oder Pfändungspfandrechten (Doppelpfändung) belastet werden.

Das Anwartschaftsrecht erlischt, wenn es durch Eintritt der Bedingung zum Eigentum erstarkt ist, der Bedingungseintritt unmöglich wird, es einverständlich aufgehoben wird oder durch Verzicht von K bzw. F.