Betrug – von Fall zu Fall

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Beispiel 1: Bettler B, der Geld für Alkohol benötigt, bindet sich eine Blindenbinde um, obwohl er sehen kann, setzt eine Sonnenbrille auf und hockt sich auf den Bürgersteig. Der gutgläubige K legt 2 Euro in den Hut.

Der Streit, der bei den sog. Spenden- oder Bettelbetrugsfällen aufflammt, dreht sich um die Frage, ob ein Vermögensschaden verneint werden muss, wenn dem Opfer der vermögensschädigende Charakter der Verfügung bewusst ist. Nach h.M. kann Betrug auch bei bewusster Selbstschädigung vorliegen. Aber selbst dann, wenn man für den Betrug eine unbewusste Selbstschädigung für wesensimmanent hält, kommt man zu einem Betrug. Die unbewusste Selbstschädigung ist darin zu sehen, dass der mit der Spende oder dem Bettelgeld gewollte Zweck verfehlt wird (vgl. BGHSt 19, 45; RGSt 70, 256; BayObLG NJW 52, 798).

Beispiel 2: T täuscht in einem eiskalten Winter eine Straftat vor, um in der U-Haft „Kost und Logis“ kostenfrei zu bekommen.

Ein Betrug zum Nachteil des Landesfiskus ist hier zu bejahen, da der Haftbefehl eine Vermögensverfügung darstellt, die einen Vermögensschaden, nämlich Unterkunft und Beköstigung zur Folge hat. Dieser Schaden war auch der von T erstrebte Vorteil (vgl. BGHSt 14, 170).

Beispiel 3: Der verarmte Playboy P spiegelt der begüterten alten Witwe B die Absicht einer Eheschließung vor und erhält aufgrund dieser „Verlobung“ 10.000 Euro in bar und einen Porsche.

Bei den Heiratsschwindlerfällen taucht die gleiche Problematik wie beim Bettelbetrug auf. Der Heiratsschwindler ist ein Betrüger.

Beispiel 4: T, der bereits je zweimal wegen Diebstahls und Unterschlagung vorbestraft ist, erklärt bei der Bewerbung um einen Posten als Lagerverwalter wahrheitswidrig, er sei nicht vorbestraft. T erhält den Posten und füllt ihn zufriedenstellend aus.

Die Täuschungshandlung des T liegt in der wahrheitswidrigen Erklärung, nicht vorbestraft zu sein, die Vermögensverfügung in der Lohnzahlung. Das Problem liegt bei den Fällen des sog. Anstellungsbetruges im Schaden. Grundsätzlich erleidet der Arbeitgeber keinen Schaden, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich dem entspricht, was als Leistung der betreffenden Tätigkeit erwartet werden kann (wenn Lohn und effektive Arbeitsleistung entsprechend sind). Anders verhält es sich aber dann, wenn besondere Anstellungsvoraussetzungen als Be-messungsgrundlage für die Höhe des Lohnes entscheidend sind, wenn also – wie hier – die Bezahlung gerade mit Rücksicht auf eine besondere Vertrauensstellung als Lagerverwalter sehr hoch festgesetzt wurde (vgl. RGSt 73, 269). BGHSt 17, 254 hat sogar in höchst bedenklicher Weise einen Anstellungsbetrug angenommen mit der Begründung, bei der Einstellung eines wegen Vermögensdelikten Vorbestraften liege generell eine Vermögensgefährdung des Arbeitgebers aufgrund der Anfälligkeit (!) des Angestellten zu Vermögensdelikten vor. Bei der Erschleichung einer Beamtenstellung gelten wiederum andere Grundsätze, da hier schon dann ein Schaden vorliegt, wenn der eingestellte Beamte die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, auch wenn seine tatsächlich erbrachten Dienstleistungen durchaus ordnungsgemäß sind. Den Grund findet die Rechtsprechung letztlich im Alimentationsprinzip, wonach die Bezüge nicht nur die Gegenleistung für die erbrachte Leistung darstellen (vgl. BGHSt 5, 358).

Beispiel 5: Der fanatische Wetter W besticht vier der acht startenden Jockeys im großen Union-Pokal, damit sie ihre Pferde zurückhalten und setzt selbst den höchsten Wetteinsatz auf die verbliebenen Pferde.

Im Verschweigen der Verminderung des Wettrisikos liegt eine Täuschung i.S. des § 263 StGB (vgl. BGHSt 29, 165). Dieser Fall wirft auch interessante Parallelen zu erkauften Bundesligaspielen auf.

Beispiel 6: T hebt vom Sparbuch seines mit ihm zusammenlebenden Freundes F unberechtigterweise 1.000 Euro ab und legt das Sparbuch danach an seinen angestammten Platz zurück.

Neben dem mit der Sachwerttheorie zu begründenden Diebstahl gem. § 242 StGB kommt ein Betrug gem. § 263 StGB durch Täuschung des Sparkassenangestellten zum Nachteil des Freundes F in Betracht (Dreiecksbetrug!). Lässt man den Tatbestand bei der Präsentation von qualifizierten Legitimationspapieren (Sparbuch) wegen § 808 BGB nicht bereits an der Täuschungshandlung scheitern (durchaus vertretbar), weil T nichts anderes erklärt, als dass an ihn mit befreiender Wirkung gezahlt werden kann (was richtig ist), dann mangelt es spätestens an einem Irrtum des Sparkassenangestellten. Dieser macht sich wegen der Legitimations- wirkung des Papierbesitzes überhaupt keine Gedanken über die materielle Berechtigung des T (vgl. RGSt 26, 154; 39, 242).


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