Beziehung Juradozenten – Jurastudenten

Aus Jura Base Camp
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Das Verlangen nach zwischenmenschlicher Beziehung ist ein ganz starkes menschliches Streben, also auch im Menschen „Jura-Dozent“ und im Menschen „Jura-Student“. Das Studieren sollte mehr als ein vereinendes, statt als ein trennendes Verhältnis begriffen werden, das durch ein produktives Lehren und Lernen erfolgt. Tragende Komponenten dieser Beziehung sind wechselbezügliche Verantwortlichkeit, Respekt voreinander, Vertrauen zueinander, Offenheit und emotionale Zuwendung miteinander – nicht hemmende Autorität, falsche Etikettierungen, Beherrschung oder gar Unterjochung. Die wichtigste Bedingung für eine gute Beziehung ist, dass der Dozent Respekt zeigt vor der Würde seiner Studenten. Die Beziehung Dozent – Student muss stark von diesem tiefen Respekt getragen werden. Respekt ist weder Angst noch Furcht seitens der Studenten vor den Dozenten oder seitens der Dozenten vor den Studenten. Entsprechend der lateinischen Wurzel dieses Wortes (respicere, d.h.: zurückschauen) bedeutet Respekt hier die Fähigkeit, den jeweils anderen so zu sehen, wie er ist. Respekt bedeutet das Bestreben des Dozenten, dass der Student in seinen Studienphasen wachsen, sich entwickeln und sich durch seine Krisen hindurch zur juristischen Mündigkeit entfalten kann. Das gilt auch in umgekehrter Richtung, ja, auch der Dozent muss durch den anerkennenden Respekt der Studenten in seiner Lehrpotenzialität und in seinen Lehrphasen wachsen. Dem Respekt sollte dabei jede Tendenz der Ausbeutung fehlen. Der Dozent muss wollen, dass der Student zu seinem eigenen Nutzen und in seiner eigenen Art wächst und sich entfaltet und nicht zu dem Zweck der Befriedigung der narzisstischen Träume von Allmacht und Allwissen des Dozenten. Einen Menschen zu respektieren, ist aber nur möglich, wenn man ihn kennt. Fürsorge, Verantwortlichkeit, Respekt sind blind, wenn sie nicht vom Wissen um den anderen und im Vertrauen auf den anderen geleitet wären. Der Dozent muss sich um seine Studenten bemühen und die Studenten müssen sich öfter in ihre Dozenten einfühlen.

Ein leider verbreitetes Missverständnis zwischen den das „Recht und Gesetz“ Lehrenden und den dieses „Recht und Gesetz“ Lernenden ist die Annahme, dass Dozieren und Studieren zwei getrennte Regelkreisläufe darstellten, die sich irgendwann zufällig im Examen schneiden. Falsch ist auch die Annahme, dass das Dozieren ein Geben, das Studieren hingegen ausschließlich ein Nehmen sei, in vielen pädagogisch-didaktischen Lehrbüchern bildhaft symbolisiert durch die Metapher vom aktiven Sender und passiven Empfänger. Sie sollten diese tradierten Rollenverteilungen in der juristischen Ausbildung in Frage stellen. Der Dozent ist nämlich nicht nur der Gebende, sondern auch der Nehmende – der Student nicht nur der (auf)nehmende Empfänger juristischer Informationen, sondern gleichermaßen der gebende Sender. Beide Partner müssen erkennen und diese Erkenntnis dann umzusetzen suchen, dass sie in einer symbiotischen Beziehung leben. Dabei handelt es sich nicht nur deshalb um eine solche Verbindung, weil Dozent und Student im vermittelnden Element des juristischen Studiums eine Zeit lang zusammen leben, vielmehr und gerade auch, weil es ein Zusammenleben zu gegenseitigem Nutzen ist. Menschen kooperieren nun einmal am Besten bei Aussicht auf Gewinnteilung. Genau eine solche Win-win-Situation sollte das Dozenten-Studenten-Verhältnis sein! Es ist ein Aufeinanderangewiesensein, ein Voneinander-lernen. Beide brauchen sich, bedingen sich, hängen voneinander ab – nur gemeinsam können sie dem Gefängnis der eigenen Beziehungslosigkeit, Abgeschlossenheit und Isolation entrinnen.

Optimal, das heißt bestmöglich, kann nur der Dozent lehren, der sich „ansieht“ (respicere), wie man lernt. Optimal lernen kann nur der Student, der sich „ansieht“ (respicere), wie man lehrt. Jeder der am Lehr-Lern-Prozess Beteiligten muss sich mehr als Teil des anderen sehen, sich als den jeweils anderen denken, sich in den anderen einfühlen, sich mit den Augen des jeweils anderen betrachten. Einfühlende Einführungen in das juristische Lehren können eigentlich ohne gleichzeitige einfühlende Einführungen in das juristische Lernen nicht gedacht werden – und umgekehrt. Es muss zu einer Win-win-Situation kommen für beide Seiten des Katheders! Empathie, das Hineinhören, Hineindenken und Hineinfühlen in den Lehr- und Lernpartner, der Perspektivwechsel, der Brillentausch sind nötig. Nur wer weiß, wie man eine Klausur komponiert, wird als Student in ihren Tiefen und Höhen mitspielen können und das Optimum aus ihr herausholen. Nur wer weiß, wie eine didaktisch sinnvolle Lehreinheit zu strukturieren ist, kann ihr als Student mit Erfolg Erkenntnisse abgewinnen. Nur wer weiß, wie das Gehirn der Studenten speichert, wird es als Dozent durch eine Trichterpädagogik nicht überfordern. Nur wer weiß, welche Kriterien für gelungene Klausuren, Hausarbeiten oder Referate maßgebend sind, wird sich als Student um diese Maßstäbe bemühen. Nur wer weiß, welche Gefahren im studentischen Lernalltag lauern, wird als Dozent den Studenten helfen, der „Aufschieberitis“, Verzweiflung und Mutlosigkeit zu widerstehen. Nur wer weiß, dass die studentische Aufnahmefähigkeit die wichtigste Ressource der Lehreinheit ist, wird sich als Dozent um Einfachheit und Klarheit in der Vorlesung bemühen und die juristische Komplexität reduzieren.

Nur wer den Erwartungshorizont des Examens kommuniziert, den Studenten die Furcht vor dem Examen nimmt, erwirbt sich als Dozent das Vertrauen der Studenten. Denn die Examina setzen nun einmal die Rahmenbedingungen und die Grenzen für Innovationen in der Lehre und im Lernen.

Mit anderen Worten: Optimales Lehren und Lernen sind nur möglich, wenn sich Dozent und Student gegenseitig kennen, wenn man von dem anderen weiß, sich in die Probleme, Schwierigkeiten und Nöte des Symbionten einfühlt und bereit ist, mit und von dem anderen zu lernen. Jeder muss sich bemühen, ein „wesentlicher Bestandteil“ im Kopf und Herz des anderen zu werden!

Wer allerdings von der Vorstellung besessen ist, dass Studenten sämtlich „studierunfähig“ und Professoren sämtlich „lehrunfähig“ sind, dem überwiegend „bösartigen“ und grundsätzlich „faulen“ Gegenüber alles Versagen in die Schuhe schiebt, wird nach dem Mechanismus der „Self-fullfilling-prophecy“ auch fortwährend Lehr-Lern-Situationen provozieren und hervorrufen, in denen die Professoren und Studenten dieses Verhalten zeigen (müssen). Bilder von „solchen“ Studenten und Professoren werden dann immer wieder in die eigene Unterrichtswahrnehmung projiziert und leiten dadurch einen tödlichen Regelkreislauf ein. Für diese Art von Dozent und Student liegt es in der „Natur der juristischen Sache“, dass Studenten im Anfang nichts verstehen.

Wer hingegen mit der Einstellung kommt, dass die Studenten neugierige und wissbegierige Persönlichkeiten sind und sich die Professoren um Rechtsdidaktik bemühen, wird mit der Zeit auch jeweils solche Studenten und Professoren vor sich haben, mit denen man hervorragend arbeiten kann. Im Verhältnis zwischen Professor und Student sehen sich leider viele als Opfer der Endlosschleife der wechselseitigen Attacken: „Du kannst nichts!“

Student: „Ich bin Opfer Deiner didaktischen Unfähigkeit. ‚Du kannst nicht richtig lehren!‘ Deshalb lerne ich nicht gut!“ Professor: „Ich bin Opfer Deiner Studierunfähigkeit. ‚Du kannst nicht richtig studieren!‘ Deshalb lehre ich nicht gut!“

Sie können aber schon aus logischen Gründen nicht beide nur Opfer sein, irgendwo muss jeder auch ein Stück weit Täter sein. Es läuft ein zirkuläres Wechselspiel ab, an dem jede der „Parteien“ ihren Anteil als Opfer und Täter hat. Man muss sich auf beiden Seiten bemühen, zu verstehen, was der jeweils andere fühlt und empfindet, um ihn aus seiner Verhärtung zu lösen. Und man muss offen miteinander umgehen. Beide Perspektiven gehören zusammen, beide enthalten ihr eigenes spezifisches Wahrheitspotential: „Wie plausibel ist meine Blickrichtung und wie plausibel ist eigentlich die andere?“

„Darf ich mich einmal neben Sie setzen und etwas für Sie sagen und Sie prüfen dann, ob und inwieweit es stimmt.“.

Neben den Prof.: „Sie halten die Studenten für studierunfähig, wenn nicht gar dumm! Sie sind aber weder das Eine noch das Andere, ihnen fehlt nur das gesamte Vorwissen, das Sie haben und das Sie zum x-ten Male unterrichten! Denken Sie bitte einmal über den Satz meiner Kollegin nach: ‚Nun unterrichte ich zum zehnten Mal das Abstraktionsprinzip und die Studenten haben es immer noch nicht begriffen!‘“ Neben den Studenten: „Sie halten Ihre Professoren für lehrunfähig, weil Sie nichts kapieren. Es kann aber gar nicht anders sein, weil Ihre Dozenten Rechtsdidaktik nie gelernt haben und nicht mehr wissen, wie es in ihnen – den Studenten - aussieht. They teach as they were taught – Sie lehren wie sie unterrichtet wurden und das so fort und fort und fort!“

Klassische, zugegeben etwas komplexe Konklusio: Die Beziehung zwischen Professoren und Studenten ist interdependent, wechselseitig abhängig. Sie wird aber von den Studenten nur dependent, einseitig abhängig, empfunden und von den Professoren independent, unabhängig, interpretiert. Es müsste zu einer Integration beider Betrachtungsweisen kommen. Autonomie und Abhängigkeit müssen zusammen gedacht und transparent gemacht werden.

In dieser sensiblen Beziehung zwischen Ihrem Dozent und Ihnen sollte man sich auch von Anfang an und dann immer wieder vor vorschnellen und sich selbst – vermeintlich – exkulpierenden Etikettierungen hüten. Nehmen wir als Beispiel an, Dozent Huber und Student Müller können es nicht mit-einander. Schnell hat Dozent Huber eine Etikettierung parat: „Müller ist dumm!“ Mit dieser, alle weitere Kommunikation verbarrikadierenden Feststellung, hat es sich Dozent Huber in seiner Beziehung zu Müller einfach gemacht: Es liegt eben an Müller – ich bin fein raus! Die Beziehung Huber – Müller ist langfristig blockiert. Hätte dagegen der Dozent Huber sich gesagt: „Müller bringt noch nicht die Leistung“, hätte er das Problem und damit die Beziehung offen gehalten. Entsprechendes gilt selbstverständlich auch in umgekehrter Richtung: Der voreilige Studentenspruch: „Der Huber kann nichts“, lässt dem Dozenten Huber auf unabsehbare Zeit wegen seiner Vererbung von Semester zu Semester, von Klasse zu Klasse, von Studentengeneration zu Studentengeneration kaum mehr eine Chance, eine gute Beziehung aufzubauen. „Der kann nichts“-Spruch ist so undifferenziert, dass sich Dozent Huber dagegen überhaupt nicht zur Wehr setzen kann. Der Student Müller hat sich allerdings für seine schlechten Leistungen gerechtfertigt: „Es liegt nicht an mir – es liegt am Dozenten Huber!“ – „Huber ist eben noch jung, er hat noch keine so reichhaltige Erfahrung“ – hätte die Beziehung offen gehalten. Die dozentisch-studentischen Beziehungsohren wären nicht verstopft worden.

Der Student ist diejenige Person, die sich beim juristischen Lernen durch das hochschulbasierte juristische Lehren helfen lassen will. Er kommt mit bestimmten Erwartungen in die Hochschule: Er hofft auf gute Lehre, optimale Examensvorbereitung, didaktische Konzepte, bestmögliche Betreuung und Beratung, Mitsprache und eine gute Berufsorientierung für Urteile, Beschlüsse, Anklagen, Schriftsätze, für die Verhandlung und das juristische Arbeiten generell. Der junge Student muss aber zunächst lernen, was es bedeutet, Jura zu studieren. Er kommt mit seiner schulischen Lernerfahrung, mit seiner bisherigen Lernbiographie und ... mit keinerlei gegenwärtigem Vorverständnis des neuen Studienfaches in die juristische Ausbildung. Dort trifft er in seinem Bildungs- und Ausbildungsgang auf eine fremde Lernumgebung, die charakterisiert ist durch unbekannte „vorlesende“ Lehrveranstaltungen und Lehrmethoden, durch eine Art zu denken, die er so nicht kennt, und durch Klausuren in Form von Falllösungen, denen er noch nie begegnet ist. Im ungünstigsten Fall trifft er auf ein rein dozentenzentriertes, rechtsdidaktisch nicht bestelltes Lernumfeld, im günstigsten Fall auf ein solches, in dem Dozenten lehren, die rechtsdidaktisch gebildet sind und zu aktivem juristischem Lernen einladen. In der ersten Beziehung bleibt der Student – ist er kein „Überflieger“ – entweder auf der Strecke oder im Oberflächenlernen hängen, im zweiten Fall werden durchdringendes Tiefenlernen und Freude durch den Erfolg möglich.

Vertrauen in das Fach Jura und eine gute Beziehung zu den dieses Fach Lehrenden gewinnt der Student, wenn er das Gefühl hat, im richtigen Fach angekommen zu sein, er die Erwartungen kennt, die im Studium und Examen gestellt werden, er das Gefühl hat, diese Erwartungen auch erfüllen zu können, er die Sicherheit spürt, dabei seitens seiner Dozenten unterstützt zu werden, er die Leitfrage nach dem „Wozu“ des Studiums beantwortet bekommt, er sich in die Lage versetzt fühlt, in den Klausuren Erfolg zu haben.


Die Juristenausbildung glich früher, wie einmal ein Professor und keineswegs ein fortschrittlicher sagte, der Dressur von Zirkusflöhen. „Die werden nämlich, nachdem man sie gefangen hat, in eine Zigarrenkiste gesperrt, auf die man eine Glasscheibe legt. Wenn die Flöhe versuchen, aus der Kiste zu hüpfen, stoßen sie sich an der Scheibe. Nach einiger Zeit lernen sie, wie hoch sie springen können, ohne sich zu stoßen. Wenn man jetzt die Scheibe abnimmt, haben sie sich abgewöhnt, aus der Kiste zu springen. Dieser Vorgang wird in immer niedrigeren Kisten wiederholt, bis die Flöhe dann gelernt haben, dass sie überhaupt nicht mehr springen können. Wenn sie dann so konditioniert sind, dass sie sich nur noch kriechend fortbewegen, ist ihre Ausbildung für den Flohzirkus abgeschlossen.“

Bezogen auf die Juristenausbildung wäre dies etwa der Zeitpunkt des Examens? – Solch einen Drill darf es niemals geben! Während der juristischen Ausbildung muss den angehenden Juristen Mut zu schöpferischem Denken und eigenen, selbstständigen Erkundungen gemacht werden. Auch sollen sie erkennen, dass ihnen zusätzliche Kenntnisse von sozialpsychologischen, philosophischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Zusammenhängen in der juristischen Arbeit nicht hinderlich sind: Im Gegenteil, dass man eine Chance hat, sich mit diesem Wissen gegenüber den eingesessenen Juristen durchzusetzen.

In einer respektvollen Beziehung wird auf jede Art von Abrichtung und Drill verzichtet. Stattdessen werden die „Leitsterne“ Selbstständigkeit und Mündigkeit der Studierenden angestrebt. Sie sollten unabdingbares Ziel aller juristischen Lehrbemühungen sein. Die Formung mündiger und selbstständiger juristischer Persönlichkeiten muss die oberste Maxime jedes didaktischen Handelns seitens der Dozenten werden. Der Dozent sollte seine Studenten dazu anleiten, sich ihres „juristischen“ Verstandes nach der Studieneingangsphase ohne Anleitung fremder Autoritäten zu bedienen, damit sie sich möglichst schnell aus ihrer nicht selbst verschuldeten Unmündigkeit befreien können.

Man muss sich öfter klar machen, dass diese jura-studentische Lebensphase der Mittelpunkt des gesamten Lebens der Studenten ist. Alles Bisherige ist darauf zugelaufen, alles Folgende findet hier sein Fundament. Dabei ist der Übergang vom Schüler zum Jura-Studenten nicht einfach ein bloßes Herübergleiten. Es handelt sich um etwas ganz Großes im Leben der Studenten: Das zuversichtliche Hineingehen ins eigene Studium, in Schicksal und Werk. Die oft gestellte Frage: „Dozenten und Professoren – und wo bleibt das Positive?“ findet hier ihre Antwort: Dem Studenten bei diesem Übergang in die Jura-Welt zu helfen!

Eine optimale Beziehung zwischen Jurastudent und Juradozent verdankt sich fünf Relationen:

Erste didaktische Relation: Jurastudent und Jura Jura-Studenten sind Menschen, die sich beim Lernen von Jura von Dozenten helfen lassen. Damit ist zum einen die reale Tätigkeit der Studenten, das Lernen, zum anderen die auf diese Tätigkeit bezogene Hilfe von Dozenten, das Lehren, erfasst. Jura-Dozenten sind folglich Menschen, die Lernenden beim Lernen von Jura durch Lehren helfen. Der Dozent hat die traditionelle Rolle des Einführenden, Vermittelnden, Überprüfenden und Wissenverfestigenden. Beide Definitionen befreien den Dozenten von den ständigen Gewissensbissen, er habe versagt, wenn Studenten versagen. Lernen kann nur jeder Lernende für sich selbst, der Dozent hilft durch seine Lehrmethoden und seine Lehrkunst bei diesem Vorgang. Lehren ist zwar eine Kunst. Aber selbst der beste Dozent kann nicht „Lernenmachen“. Eine Eins-zu-Eins-Abbildung des Gelehrten zum Gelernten ist deshalb unmöglich. Studenten machen sich immer (!) ihren eigenen Reim auf das, was der Dozent ihnen beizubringen versucht hat. Das juristische Lernen kann von den Lernenden gelernt werden, und ermöglicht es ihnen deshalb, sich mehr und mehr von dem Lehrenden zu emanzipieren. Diesen Befreiungsakt sollte man fördern! Man muss sich als Dozent immer überflüssiger machen!

Zweite didaktische Relation: Juristisches Lehren und Juristisches Lernen Es gibt keine Lehrform, die nicht zugleich auf eine Aneignungstätigkeit des Lernenden zielt. Juristisches Lernen ist die Veränderung der juristischen Handlungskompetenz des Studenten mit Hilfe der möglichst schnell selbst organisierten Erarbeitung des juristischen Stoffes durch äußere helfende Anregungen und innere Impulse seitens des Dozenten. Juristisches Lehren dagegen ist die methodisch geordnete Vermittlung juristischer Lehrinhalte an die Lernenden durch fachlich und wissenschaftlich optimal ausgebildete Dozenten mit didaktisch hochwirksamen Mitteln. Juristische Lehre ist ein Interaktionsprozess zwischen lehrenden Jura-Dozenten und lernenden Jura-Studenten. Juristische Lehre ist immer auf Dauer angelegt. Juristische Lehre verläuft planmäßig und zielorientiert hin zum Lernenden. Juristische Lehre hat eine für den Lernenden transparente und kommunizierte curriculare Ordnung. Juristische Lehre dient neben der juristischen Stoffvermittlung auch der Vermittlung von Sozialkompetenz und Persönlichkeitsbildung für die juristischen Professionen. Juristische Lehre muss von fachlich, wissenschaftlich und didaktisch qualifiziertem Personal durchgeführt werden, sonst lernt man nichts. Einen Dozenten zu „haben“ ist das eine, einen guten Dozenten zu „haben“, ist das andere. Juristische Lehre wird auf der Grundlage von Lehrplänen durchgeführt, die für den Lernenden einen Zusammenhang von Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen erkennen lassen müssen. Juristische Lehre ist ebenso wie juristisches Lernen individuell. Sie finden trotz der Vorgaben von Lehr- und Studienplänen immer auf den eigenen individuellen Plänen des Dozenten und Studenten statt.

Dritte didaktische Relation: Juristisches Lehren und Beraten Eine wichtige Rolle beim Lehren spielt auch die Beratung. Wichtige Grundoperationen des Beratens sind das Zuhören, das Helfen, das einfühlende Interpretieren, das Diagnostizieren und Analysieren, das oft mit dem „Therapieren“ zusammen geht. Mit dem notwendigen Blick in die studentische Studienwelt und die Examens- und Berufszukunft (antizipieren) unter-streicht der Dozent seinen beratenden Charakter. Ganz wichtig ist hierbei das Vertrauen. Das Vertrauen der Studenten bezieht sich auf die menschliche und fachliche Kompetenz, die moralische Integrität und die Glaubwürdigkeit des ihn Jura Lehrenden und ihn gleichzeitig für einen juristischen Beruf und sein juristisches Studium Beratenden. Unterschiede zum reinen Lehren liegen im mehr privaten Anstrich des Beraters, dann aber auch in seinem meist mehr episodischen Zuschnitt sowie in dem die Freiwilligkeit betonenden Aspekt. In seinen Methoden unterscheidet sich das Beraten vom Lehren insofern, als weniger vom Tadeln, Verbessern und Drohen mit schlechten Noten oder Klausuren Gebrauch gemacht wird. Schließlich gibt es einen Unterschied in der Kultur des Gesprächs, das beim Beraten auf Augenhöhe zwischen den in der Beratung meist gleichberechtigten Partnern erfolgt.

Vierte didaktische Relation: Juristische Lehrinhalte und Juristische Lerninhalte Inhalte sind der „berüchtigte Lehrstoff“. Die „Was-lehre-ich-Frage“ ist immer die Frage nach den Lehr- aber auch Lerninhalten. Lehrinhalte werden präsentiert in Lehrplänen und sollten den Anspruch an sich stellen, für die Studenten einen begründenden und begründeten inhaltlichen wie zeitlichen Zusammenhang von Lehr-Zielen, Lehr-Inhalten und Lehr-Methoden für ihr Lernen zu liefern. Beim „Inhalt“ droht nun zwischen dozentischem Wollen und studentischem Können ein Widerspruch! Im Horizont des Dozenten bezeichnet der „Inhalt“ das, was der juristische Lehrgegenstand in Unterrichten und Vorlesungen an Lernpotenzialitäten für die Lernenden freizugeben verspricht, was man vermitteln will. Im Horizont der Lernenden bezeichnet der Inhalt das, was tatsächlich erarbeitet wurde, was hängen geblieben ist. Also: Es kann eine Lücke klaffen zwischen dem, was der Dozent sich für eine Lehreinheit als Lehrinhalt vorgenommen hat und dem, was tatsächlich zum Lerninhalt seiner Lehreinheit beim Studenten geworden ist. Der Dozent hält durch sein Engagement, sein Fachwissen und sein didaktisches Geschick die Fäden für die Vermittlung der Inhalte zwar in der Hand. Aber er hat nicht in der Hand, was dabei herauskommt. Das Lernen ist nur vom Lernenden zu leisten, der Dozent ist nur der Coach für den neurobiologischen synaptischen Speicherungsprozess. Sein Bemühen muss es allerdings immer sein, seine Lehrinhalte mit den Lerninhalten in die Waage zu bringen, so dass das, was im Kopf der Studenten als Lerninhalt hängen bleibt, das ist, was der Dozent als Lehrinhalt hervorrufen und zum Lerninhalt dieser Köpfe machen wollte.

Fünfte didaktische Relation: Juristische Lernmethoden und Juristische Lehrmethoden Die Methode betrifft sowohl die Art und Weise der dozentischen Stoffvermittlung als auch die der studentischen Stofferarbeitung. Es gibt Lehrmethoden, und es gibt Lernmethoden. Methodisches Handeln ist nicht etwa nur dozentisches Privileg. Auch die Lernenden sind in der Lage, methodisch zu denken, zu lernen und zu arbeiten. Es gibt keine einzige Methode in der Jura-Welt, die nicht auch die Studenten beherrschen könnten und sollten. Der Aufbau einer methodischen Handlungskompetenz auf Seiten der Lernenden muss deshalb für den Dozenten ein wichtiges Ziel seiner Lehrmethoden sein. Studenten müssen sich dabei möglichst schnell von ihm und seinem methodischen Denken emanzipieren. Wer methodisch-didaktisch zu denken gelernt hat, kann nachher selbst entscheiden, was und wie er lernen will. Deshalb sind das methodische Vorbild, das methodische Denken und das methodische Einüben durch den Dozenten für das studentische Abbild in seinem methodischen Nachdenken und methodischen Ausüben so eminent wichtig.

Diese fünf Relationen des „didaktischen Dreiecks“, gebildet aus Dozent-Stoff-Dozent, stehen in jeder einzelnen Lehrstunde in ständiger und unverbrüchlicher Wechselwirkung zueinander. Klassisch könnte hier von sogenannten „Implikationszusammenhängen“ oder von der „Interdependenz der Relationen“ gesprochen werden. Diese Wechselwirkungen finden nun nicht etwa nur manchmal, sondern in jeder Lehrveranstaltung statt: Ausschließlich sie konstituieren den juristischen Lehr-Lern-Prozess und das Vertrauen in die Beziehung zwischen Jura-Student und Jura-Dozent.

Um nun die Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden zu optimieren und die erkannten Widersprüche und Gegensätze immer mehr auszugleichen, muss man die gegenseitigen Interessen aus- und angleichen, müssen die Studenten ihrem Dozenten immer ähnlicher werden. Dazu müssen die Schnittmengen zwischen ihm und dem Studenten wachsen, müssen Sachkompetenz und Sprachkompetenz, Wissen und Erfahrung, Intention und physische wie psychische Verfassung von Dozent und Student immer mehr zunehmende Überschneidungen aufweisen, bis sie nahezu kongruent sind.