Eignung zum Jurastudium

Aus Jura Base Camp
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Gewiss gibt es keine absoluten Alleinstellungskriterien, um die Eignung für ein Jurastudium exakt beurteilen zu können. Aber es gibt einige Indizien:

1. Schulische Voraussetzungen In einer einschlägigen Studie des Landesjustizprüfungsamtes München wurde vor Jahren einmal versucht, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Abiturnoten und Examensergebnissen des ersten juristischen Staatsexamens aufzuzeigen. Prämisse war die Annahme, dass spezielle Noten in bestimmten Fächern für ein juristisches Studium besonders bedeutsam sind, dass es also schulische Noten-Markierungen auf dem Weg zum Juristen gibt. Die Fächer sind: Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen. Was liegt dieser Annahme zugrunde? Die Fähigkeit zum abstrakten logischen Denken wird in der juristischen Ausbildung immer in besonderem Maße gefordert (Mathematik). Die Fähigkeit, sich in der Juristensprache klar, verständlich, knapp, präzise und orthografisch und grammatikalisch sicher auszudrücken, „Fälle“ vernünftig aufzubauen und zu gliedern, Gedanken stringent zu entwickeln, ist bei der Fallbearbeitung im Jurastudium gefordert (Deutsch). Die Fähigkeit, Gedanken aus der eigenen Sprache zutreffend und unzweideutig in eine andere Sprache zu übertragen - und umgekehrt -, erfordert sprachliches Einfühlungsvermögen und Phantasie, Fähigkeiten, über die ein Jurist ebenfalls verfügen muss. Die Umsetzung der Gesetzessprache in die Alltagssprache und der Alltagssprache in juristische Relationen, Gutachten, Hausarbeiten, Referate, später in Urteile und Anklagen, ist in der Tat ein mit der Fremdsprachentechnik vergleichbarer Vorgang (Fremdsprachen). Die Ergebnisse der Studie waren verblüffend: Je schlechter die Abiturnote in den er-wähnten Fächern war, desto länger war die Studiendauer und um so höher war die Misserfolgsquote (die Abbruchquote wurde zwar nicht untersucht, würde die Prämisse aber mit Sicherheit ebenfalls bestätigen). Natürlich wäre es Unsinn, wenn Sie jetzt Ihr Abiturzeugnis zur Hand nähmen und die entsprechenden Noten aufaddierten, um sich anschließend als hoffnungslosen oder hoffnungsvollen Fall einzustufen. Man sollte aber die Tendenz ernst nehmen. Die Korrelation von guten mathematischen und herausragenden juristischen Leistungen ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Auch die sprachliche rhetorische Ausdrucksfähigkeit, Grammatik, Orthographie, Darstellungskunst, Diktion, der Stil und die Form nehmen einen immer höheren Stellenwert bei der Beurteilung juristischer Arbeiten ein. Sprache ist und bleibt nun einmal das Medium jedes Juristen.

2. Juristische Intelligenz Gibt es eine juraspezifische Intelligenz, die mit der allgemeinen Intelligenz korrespon-diert? Einer der umstrittensten Begriffe in der Psychologie, Didaktik und Pädagogik ist „Intelligenz“, und ebenso umstritten ist die Brauchbarkeit von Intelligenztests. Intelligenz lässt sich allgemein als „Fähigkeit zum Problemlösen“ definieren. Etwas salopp: Ein intelligenter Mensch ist ein Mensch, der (schnell) sieht, was Sache ist, und dem (schnell) einfällt, was jetzt zu tun ist – und dabei meist Erfolg hat. Als Fremdwort bedeutet Intelligenz ganz allgemein: rasche Auffassungsgabe, Klugheit, geistige Begabung, Verstandeskraft und leitet sich ab von lat.: intelligentia, d.h. Einsicht, Verständnis. Soweit besteht Einigkeit in der Fachwelt. Streit besteht allerdings darüber, wie Intelligenz zu definieren ist und ob und wenn ja, mit welchen Verfahren man diese Eigenschaft des Menschen zu messen in der Lage ist. In der modernen Zeit, in der der Lebenserfolg des Menschen in seiner Kultur überwiegend von gedanklichen Leistungen abhängt und weniger von der Entfaltung physischer Kräfte und spezieller Überlebensfähigkeiten, nimmt die Intelligenz eine außergewöhnliche Stellung ein. Deshalb will man sie testen und jeder will sie besitzen. Dies auch deshalb, weil sich beim Zusammenwirken mehrerer Menschen physische Kräfte bloß addieren können, während sich Wissen und Intelligenz in begehrenswerter Weise gruppendynamisch miteinander multiplizieren und kombinieren (Stichwort: Team). Die sehr große Anzahl vorliegender abstrakter Definitionen der Intelligenz sollte nicht hindern, dem Begriff für die Juristerei eine mehr pragmatische Zuschreibung zu geben. Juristische Intelligenz ist nicht nur Voraussetzung für das Studium, sondern mehr dessen Ergebnis. Die juristische Intelligenz ist kein stabiles Merkmal (Macht der Gene). Sie lässt sich vielmehr steigern durch die kumulative Wirkung von juristischer Lernerfahrung, durch die Entwicklung effektiver Lernstrategien und durch die richtige Abfolge der juristischen Lerninhalte, kurz: die juristische Intelligenz ist von Lernprozessen abhängig. Die innerhalb der juristischen Ausbildung Erfolgreichen verfügen jedenfalls über ganz bestimmte gemeinsame Begabungen: Es ist die Begabung, abstrakte oder konkrete Probleme in Gestalt komplexerer Lebenssachverhalte ( Klausur) unter Zeitdruck lösen zu können und damit eine schnelle Bewältigung neuer Fallkonstellationen möglich zu machen (What is the problem? What is to do?) Es ist die Begabung zu optimaler Wissensaneignung, die das bloße Herumprobieren und das Lernen an sich zufällig einstellenden Erfolgen minimiert, wenn nicht erübrigt. (Lernen des juristischen Lernens). Es ist die Begabung, juristische Systeme, Schemata, Methoden und Sinnzusammenhänge zu erfassen, anzuwenden, zu deuten und selbst herzustellen. (Systematisierung)

Dieses Strukturbild umschreibt die Tatsache, dass mit juristischer Intelligenz eine Größe gemeint ist, die in den Ablauf des juristischen Denkens eingeht. Juristische Intelligenz ist somit die Summe spezifischer juristischer Denkakte (Denkableitungen beim Jurastudium). Und anders als bei der allgemeinen Intelligenz ist die juristische Intelligenz auch klar messbar: durch die Noten im Examen!

3. Bestimmte Interessen und Vorlieben Viele Juristen haben in ihren Berufen Verantwortung für Staat und Gesellschaft. Wer glaubt, ihn gingen die öffentlichen Belange nichts an, sollte sich doch nach einem anderen Studium umsehen. Ein wenig Sinn für Recht und Gerechtigkeit sollte man schon mit in das Studium bringen, auch wenn man deren Kern noch nicht erfasst, aber doch erahnt. Da es ein Jurastudent, wie später der Jurist sein ganzes berufliches Leben lang, mit Rechtsfällen zu tun hat, muss er ständig Entscheidungen treffen. Dass es immer vier Möglichkeiten gibt: Ja! – Ja, aber! – Nein, aber – Nein!, beruhigt nur auf den ersten Blick. Denn eine davon muss er wählen. Wer sich gerne um Entscheidungen drückt, wird es als Jurist nicht sehr weit bringen. Ganz entscheidend ist die Lust zum logischen Denken. Bei jedem noch so kleinen Rechtsfall muss der Jurist den Sachverhalt in einem logischen methodischen Verfahren zum Gesetz in Stellung bringen (Subsumtion) und dabei immer logische Schlüsse ziehen. Man muss ein Interesse am Knobeln und Tüfteln, eine Neigung zum Grübeln und Klügeln haben. Die Sprache ist ein wichtiges Instrument der Juristerei: Der Jurist muss vortragen, begründen, plädieren, Gesetze allgemeinverständlich machen, diskutieren. Wer mit der deutschen Sprache auf Kriegsfuß steht, wer bei Fachdiskussionen Langeweile verspürt, sollte von Beginn an ein anderes Pferd satteln oder … umsatteln. (Juristensprache)

4. Ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale Wie jemand studiert, wird auch durch seine Persönlichkeit bestimmt. Studieren findet immer im Rahmen der Persönlichkeit des Jurastudenten statt. Den Rahmen bildet die Art seines Wahrnehmens, Denkens, Fühlens, Wollens und Handelns, seine Kommunikationsfähigkeit und insbesondere seine Sekundärtugendsteuerung. Gesucht ist daher eher der lebhafte Sanguiniker als der träge Phlegmatiker oder trübsinnige Melancholiker, eher der auf die Außenwelt gerichtete Extrovertierte als der scheue, zurückgezogene Introvertierte, mehr der Gewissenhafte als der leichtsinnig Sorglose und ganz besonders der offene, breit interessierte, wissbegierige und neugierige, geistreiche, einfallsreiche, erfinderische Jurastudent statt des ängstlichen, verschlossenen, einseitig interessierten, verzagten, sich häufig selbst bemitleidenden Studenten. Ein gewisser Erlebnishunger nach Neuem und Neuartigem sollte ihm ebenso zu Eigen sein wie eine Empfänglichkeit für Lern- und Studienerfolge, ein entsprechendes hohes Durchhaltevermögen und eine starke Resistenz dieser Eigenschaften gegen eine Löschung durch Misserfolge, gegen ein Aufgeben, wenn sich der Erfolg nicht einstellt. Ganz entscheidend für das Jurastudium ist aber ein Hang zu den Sekundärtugenden: Fleiß, Ordnung und vor allem Disziplin. Viele Jurastudenten sind sich nicht im Klaren, dass eine Sekundärtugendresistenz weit verheerendere Folgen hat als mangelnde Intelligenz. Sekundärtugendgesteuerte Jurastudenten sind erfolgreicher als die nur intelligenten. Ohne Selbstdisziplin und Selbstinstruktion, Fleiß und Geduld geht nichts im Jurastudium (Studienalltag).

Laufen Sie deshalb nicht gleich weg! Es gibt Tausende von exzellenten Juristen, die am Anfang genauso verzweifelt waren, wie manch einer der Jurabeginner. Das nur zum Trost! Auch kann niemand einen mittelmäßigen Schüler hindern, als exzellenter Jurastudent sein Lernverhalten zu ändern. Der Nachteil dessen, dass man aus der Schule nichts für Jura mitbringt, ist umgekehrt ein großer Vorteil: Alle stehen am Start unter den gleichen Bedingungen! Selbstdisziplin, Selbstschulung, Ausdauer, Ehrgeiz und konzentriertes Training sind für den Erfolg im Jurastudium bedeutsamer als die (vermeintlich?) angeborene Intelligenz oder Nichtintelligenz. Wie gesagt: Juristische Intelligenz kann man trainieren! Dem genialen Jurastudenten setzt der Normalstudent den diszipliniert arbeitenden Studenten gegenüber, der bald mit den erlernten juristischen handwerklichen Techniken und juristischen Denk- und Arbeitsmethoden ein perfektes Wissen und Können aufgebaut haben wird, das ihn befähigt, jeden juristischen Gedankenweg mitgehen und handwerklich (Handwerk) arbeiten zu können. Und: Intelligenz ist nicht stabil, sie wächst (s.o.)!