Irrtum über den Kausalverlauf

Aus Jura Base Camp
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Weil ein Täter nie alle Einzelheiten des Kausalverlaufs genau vorhersehen kann, genügt es, wenn der Täter den Geschehensablauf in seinen wesentlichen Zügen kennt. Unerhebliche Abweichungen des vorgestellten Kausalverlaufs vom tatsächlich eingetretenen Kausalverlauf lassen den Vorsatz unberührt. (Irrtumslehre im Strafrecht Kausalität im StGB)


Irrtum bei unechten Unterlassungsdelikten Hier werden zwei Gebiete miteinander kombiniert: § 13 StGB mit §§ 16, 17 StGB. (Unterlassungsdelikts-lehre Irrtumslehre im Strafrecht).

Beispiel 1: Jupp kommt mit seinem Porsche an einem schweren Autounfall vorbei, der sich unmittelbar vor ihm auf der Autobahn ereignet hat. Unter den fünf Verletzten, die dringend der sofortigen ärztlichen Hilfe bedürfen, befindet sich auch seine minderjährige Tochter Jasmin, was er allerdings nicht weiß. Da Jupp zu einem dringenden geschäftlichen Termin muss, fährt er an der Unfallstelle vorbei, ohne etwas zu unternehmen. Jasmin stirbt, wäre aber gerettet worden, wenn ...

I. In Betracht kommt zunächst Totschlag, begangen durch Unterlassen, gem. §§ 212, 13 StGB. 1. Tatbestand Eintritt des Todes Unterlassen der erforderlichen Hilfeleistung Kausalität (hypothetische Kausalität) Erfolgsabwendung war möglich und zumutbar Garantenstellung aus Gesetz gem. §§ 1631, 1626 BGB 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld Hier Vorsatz: Jupp müsste neben allen sonstigen Tatbestandsmerkmalen auch die seine Garantenstellung begründenden tatsächlichen Umstände kennen; ein Irrtum – ein Nichtwissen (und damit ein Nichtwollen) – führt zum Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB. Da Jupp seine Tochter Jasmin nicht gesehen und somit die durch die nahe Verwandtschaft begründete Garantenstellung nicht gekannt hat, liegt ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB vor.

II. Jupp ist strafbar gem. § 323c StGB, da die Strafbarkeit wegen des echten Unterlassungsdelikts unberührt bleibt. (Hier lohnt sich allerdings ein kurzer Blick in § 60 StGB.)

Beispiel 2: Jupp kommt zu dem brennenden Haus seiner Eltern. Er rettet seine sich gerade dort aufhaltende Freundin Emma, nicht seine Eltern, weil er glaubt, es sei völlig egal, wen er rettet.

Gelangt der Täter trotz Kenntnis der seine Garantenstellung begründenden Umstände aufgrund fehlerhafter rechtlicher Wertung zu dem Schluss, nicht oder nicht vorrangig zur Hilfe gegenüber der zu schützenden Person verpflichtet zu sein, liegt ein Irrtum des Täters über seine Garantenpflicht, nicht seine Garantenstellung, vor. Dies ist nur ein nach § 17 StGB zu behandelnder Verbotsirrtum. Im Fall irrte sich Jupp, der die seine Garantenstellung begründenden Umstände kennt (Eltern/Kind), über seine Handlungspflicht (Garantenpflicht). Da eine Garantenstellung zugunsten der Eltern, nicht aber gegenüber der „bloßen Liebesbeziehung“ Emma, bestand, liegt ein Irrtum gem. § 17 StGB vor. Dabei ist grundsätzlich die Unvermeidbarkeit eines entsprechenden Irrtums eher denkbar, als bei den Begehungsdelikten; „man“ kennt sich in diesem Gebiet in der Bevölkerung eben nicht so gut aus.