ist eine Rechtsnorm, die eine theoretische Antwort auf die Fallfrage einer Klausur gibt, deren Rechtsfolge im Gesetz, also abstrakt, mit der begehrten konkreten Rechtsfolge des Falles übereinstimmt. Eine „Antwortnorm“ ist also eine (Spezial-) Rechtsnorm, die, falls ihre Voraussetzungen vorliegen, selbst und unmittelbar eine Fallfrage beantwortet. 

Die Fallfrage einer Klausur geht immer auf  „Sein oder Nichtsein“ einer Rechtsfolge. Anspruch begründet oder nicht begründet? – Täter strafbar oder nicht strafbar? – Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig? Der Paragraph, der die gesuchte Rechtsfolge (zunächst) abstrakt enthält, ist die Antwortnorm. Sie enthält das Konditionalprogramm der Tatbestände und Rechtsfolgen der Anspruchsgrundlagen des BGB und der Tatbestände und Rechtsfolgen des besonderen Teils des StGB, die ausschließlich die Ausgangspunkte jeder juristischen Falllösung sind. Die Antwortnormen regieren die Lösung! Im Privatrecht heißt die Antwortnorm: Anspruchsgrundlage; im Strafrecht: Straftatbestand. Das muss immer so sein, weil nur diese Tatbestände als Antwortnormen die im jeweiligen Aufgabenteil des Falles begehrte Rechtsfolge – wenn auch nach irren Umwegen mit Stapeln von Papier – mit „ja“ oder „nein“ beantworten können. Sie stellen Voraussetzungen auf (Wenn) und enthalten eine Rechtsfolge (Dann), die sich auf das zivilrechtliche oder strafrechtliche Verhalten der Personen des zu beurteilenden Falles bezieht. Man erkennt eine Antwortnorm an den Formulierungen auf der Rechtsfolgenseite: BGB: „… ist verpflichtet“, „… hat herauszugeben“, „… haftet für“, „… hat einen Anspruch“, „… kann verlangen“ – StGB: „… wird bestraft“.

Die Rangfolge der Antwortnormen und deren Tatbestandsmerkmale im BGB und StGB ist stets von der Logik oder dem materiellen Recht vorgegeben. Aufbaufragen gibt es grundsätzlich nicht, da sich hinter Aufbaufragen regelmäßig Logik- oder Sachfragen verstecken. Ist das ausnahmsweise nicht so, dann gibt es auch keine Rangfolge. Jedenfalls darf man zum Aufbau niemals Ausführungen machen: Der Aufbau spricht durch den Aufbau.

Die in einer Antwortnorm des BGB oder in einem Tatbestand des StGB enthaltene Rechtsfolge darf auch nach der Subsumtion für Sie niemals das „letzte Wort“ sein. Vielmehr steht die gefundene Rechtsfolge immer unter dem Vorbehalt, dass keine weiteren vernichtenden, hindernden, hemmenden, rechtfertigenden, entschuldigenden, beschränkenden oder erweiternden Gegen-, Ausnahme-, Gegen-Gegen-Normen eingreifen. Klausuren sind immer (!) so konstruiert, dass nicht eindeutig ist, ob der Tatbestand einer Antwortnorm gegeben ist oder nicht. Die Lösung eines Falles ergibt sich (fast) nie aus nur einer, vielmehr (fast) immer aus dem Zusammenspiel mehrerer Paragraphen. Dabei kann sich das Zusammenspiel nicht nur aus der Umgebung der Antwortnorm ergeben, sondern es kann sich durch das ganze BGB oder StGB ziehen (siehe Aufbauschemata). 

Die gefundene Rechtsfolge der Antwortnorm ist also zunächst immer nur vorläufiger Natur. Das macht ja das Gutachten so spannend! Das „(Gesamt-)Gesetz“, nach dem sich die Entscheidung Ihres Falles richtet, ist fast nie identisch mit Ihrer gefundenen Antwortnorm. Es ist ein systematisches Netzwerk mehrerer aufeinander bezogener und ineinander verflochtener „(Einzel-) Paragraphen“. Das BGB und das StGB sind jeweils ein Gefüge von Rechtsnormen, ein „Körper“, in denen, wie in einem Organismus, die einzelnen „Organe“, die einzelnen „Paragraphen“, unterschiedliche Funktionen haben, um dem Körper „Gesetz“ in sinnvoller Ordnung zu dienen.