(lat.: dissensus, Meinungsverschiedenheit)  Haben sich die Parteien über den Inhalt des Vertrages noch nicht vollständig geeinigt, und sind sie sich dieses Einigungsmangels bewusst (offener Dissens), ist der Vertrag im Zweifel noch nicht zustande gekommen, § 154 BGB. Dagegen regelt § 155 BGB den Fall, dass die Parteien glauben, vollständig einig zu sein, während das in Wahrheit nicht zutrifft (versteckter Dissens).

Decken sich zwei Willenserklärungen nicht, so liegt ein solcher Dissens vor. Dieser führt grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung, weil ein Vertrag gerade das Gegenteil, nämlich einen Konsens (lat.: Übereinstimmung), voraussetzt.

 

Beispiel 1: Erklärt V: „Ich vermiete die Wohnung für monatlich 1.000 €“ und erwidert M: „Ich miete für 800 €“, so ist keine andere Lösung denkbar, als dass ein Vertrag nicht zustande gekommen ist. Zwar liegt ein Angebot über 1000 € vor. Das Wirksamwerden ist erfolgt über § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Jedoch fehlt die Annahme, da die Erklärung kein „Ja“ darstellt; es liegt ein Fall des § 150 Abs. 2 BGB vor, ein  sog. „Totaldissens“.

 

 

Beispiel 2: V erklärt: „Ich vermiete Ihnen die Wohnung ab dem 1.8. für 800 € und erwarte, dass Sie alle zwei Jahre die Küche renovieren.“ M antwortet: „Ich bin mit der Miete einverstanden, über die Renovierung der Küche müssen wir aber noch reden.“

 

Hier ist zum einen denkbar, dass der Vertrag ohne den Dissens, also im Beispielsfall unter Ausklammerung der Frage der Renovierung, zustande kommt, zum anderen, dass er überhaupt nicht zustande kommt. Das ist in diesen Fällen theoretisch möglich, weil ja – anders als in dem ersten Beispielsfall – trotz des Ausklammerns der Küchenrenovierung inhaltlich ein vollständiger Vertrag übrigbleibt, der sämtliche Essentialia negotii enthält. Gleichwohl ordnet § 154 Abs. 1 S. 1 BGB an, dass auch in diesen Fällen des sog. „offenen“ Dissenses zum Schutze des Vertragspartners V, der die weitergehende Regelung wünscht, regelmäßig Nichtigkeit eintritt. Durch die Formulierung „im Zweifel“ deutet das Gesetz an, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch die Wirksamkeit der Vereinbarung die Rechtsfolge sein kann. 

 

Beispiel 3: V erklärt: „Ich vermiete Ihnen die Wohnung ab dem 1.8. für 800 € und erwarte, dass Sie alle zwei Jahre die Küche renovieren.“ M antwortet: „Ich bin mit der Miete einverstanden, über die Renovierung der Küche müssen wir aber noch reden. Der Vertrag soll aber schon mal gelten.“ V erklärt: „Einverstanden!“

 

Hier ist der Vertrag wirksam abgeschlossen worden. Für etwaige Zweifel bleibt kein Raum !! Man spricht in diesen Fällen vom „offenen“ im Gegensatz zum „versteckten“ Dissens, der dann vorliegt, wenn die Parteien gar nicht merken, dass ihre Erklärungen nicht vollständig übereinstimmen.

 

Beispiel 4: V und M meinen nach langer, nervenzehrender Diskussion, jeweils der andere habe im Hinblick auf die Küchenrenovierung nachgegeben.

 

Hier liegt dieser „versteckte“ Dissens, diese versteckte Nichteinigung deutlich vor. Dazu bestimmt nun § 155 BGB, dass der Vertrag wirksam sein soll, wenn anzunehmen ist, dass … („Im-Zweifel-Regel“). Der Sinn für die Aufrechterhaltung des Vertrages liegt wohl darin, dass sich die Vertragsparteien schon innerlich auf den Vertrag eingestellt haben.

Erwähnt sei noch, dass ein Vertrag unter den geschilderten Umständen des offenen Dissenses auch dann (noch) nicht zustande gekommen ist, wenn er bereits schriftlich niedergelegt (und sogar unterschrieben) ist, § 154 Abs. 1 S. 2 BGB. Ebenso kommt gem. § 154 Abs. 2 BGB ein Vertrag nicht zustande, wenn die Parteien die Beurkundung (also zumindest die Schriftform) vereinbart, diese Beurkundung aber noch nicht vorgenommen haben.