Schemata zur StGB-Klausur: Unterschied zwischen den Versionen
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− | In keinem Klausurengebiet bedingen sich Aufbau ([[Struktur einer Straftat]]) und Lösung einerseits und grundsätzlicher dogmatischer Standort andererseits, so wie im Strafrecht. Der Deliktsaufbau wird nun einmal dadurch bestimmt, ob der kausalen oder finalen Handlungslehre gefolgt wird. Auf die unterschiedlichen Konsequenzen für den Aufbau und auf die Gründe sei hingewiesen. ([[Handlung]]) | + | In keinem Klausurengebiet bedingen sich Aufbau ([[Struktur einer Straftat]]) und Lösung einerseits und grundsätzlicher dogmatischer Standort andererseits, so wie im [[Strafrecht]]. Der [[Deliktsaufbau]] wird nun einmal dadurch bestimmt, ob der kausalen oder finalen Handlungslehre gefolgt wird. Auf die unterschiedlichen Konsequenzen für den Aufbau und auf die Gründe sei hingewiesen. ([[Handlung]]) |
− | Regelmäßig müssen Sie das Verhalten mehrerer Täter (A, B, C) anhand des StGB würdigen. Hier bieten sich zwei Aufbauten an: | + | Regelmäßig müssen Sie das Verhalten mehrerer [[Täter]] (A, B, C) anhand des StGB würdigen. Hier bieten sich zwei Aufbauten an: |
− | Der Aufbau kann sich zum einen an der Strafbarkeit eines der Täter orientieren. Man prüft zunächst den A voll durch, dann den B und dann den C, zum Schluss prüft man die Konkurrenzen. | + | Der Aufbau kann sich zum einen an der Strafbarkeit eines der Täter orientieren. Man prüft zunächst den A voll durch, dann den B und dann den C, zum Schluss prüft man die [[Konkurrenzen]]. |
Der Aufbau kann sich zum anderen nach Tatkomplexen richten, da sich die strafrechtliche Sachverhaltsgeschichte regelmäßig in mehrere Teilakte zergliedern lässt. Es wäre dann zunächst im ersten Teilakt die Strafbarkeit von A, B und C zu prüfen, dann erst das Verhalten der Täter im zweiten Teilakt und dann das strafbare Tun im weiteren Geschehensablauf des Sachverhalts. Am Ende fasst man die jeweiligen Strafbarkeiten des A, B und C zusammen und stellt die Konkurrenzfragen. | Der Aufbau kann sich zum anderen nach Tatkomplexen richten, da sich die strafrechtliche Sachverhaltsgeschichte regelmäßig in mehrere Teilakte zergliedern lässt. Es wäre dann zunächst im ersten Teilakt die Strafbarkeit von A, B und C zu prüfen, dann erst das Verhalten der Täter im zweiten Teilakt und dann das strafbare Tun im weiteren Geschehensablauf des Sachverhalts. Am Ende fasst man die jeweiligen Strafbarkeiten des A, B und C zusammen und stellt die Konkurrenzfragen. | ||
− | Vorschlag: In der Klausur ist der Aufbau nach Tätern (Tätermodus) zu empfehlen, in der Hausarbeit der Tatkomplexmodus. Allerdings mit einer Ausnahme: Auch in der Klausur müssen Sie den Aufbau nach Tatkomplexen wählen, wenn die Beteiligten öfter im Täter-Teilnehmer-Verhältnis agieren. Da die Teilnahmehandlung Beihilfe und Anstiftung in ihrer Strafbarkeit abhängig sind von der Haupttat, vgl. §§ 26, 27 StGB, insbesondere § 28 StGB, müssten Sie dauernd in der Prüfung von A auf B und auf C wechseln und umgekehrt. Für den Fall der Akzessorietät hat sich deshalb eingebürgert, nach Tatkomplexen zu gliedern. Es ist ganz einfach eleganter. Wenn aber lediglich eine (!) Unterbrechung notwendig wird, bleibt es beim Aufbau nach Tätern. Wenn also A einen Diebstahl und einen Betrug begeht, dann den B zu einem Raub anstiftet, so ist nur eine Zäsur erforderlich. Erst wäre die Strafbarkeit des A zu prüfen, soweit er Täter ist, dann das Verhalten des B zu erörtern, woran sich schließlich die Prüfung des A, nunmehr als Teilnehmer an den Taten des B, anschließt. Müsste jetzt erneut die Strafbarkeit des B geprüft werden, weil er Beihilfe zu Taten des A geleistet hat, hätten Sie von Anfang an auf den Tatkomplexmodus umsteigen müssen. | + | Vorschlag: In der Klausur ist der Aufbau nach Tätern (Tätermodus) zu empfehlen, in der [[Hausarbeit]] der Tatkomplexmodus. Allerdings mit einer Ausnahme: Auch in der Klausur müssen Sie den Aufbau nach Tatkomplexen wählen, wenn die Beteiligten öfter im Täter-[[Teilnehmer]]-Verhältnis agieren. Da die Teilnahmehandlung [[Beihilfe]] und [[Anstiftung]] in ihrer Strafbarkeit abhängig sind von der [[Haupttat]], vgl. §§ 26, 27 StGB, insbesondere § 28 StGB, müssten Sie dauernd in der Prüfung von A auf B und auf C wechseln und umgekehrt. Für den Fall der Akzessorietät hat sich deshalb eingebürgert, nach Tatkomplexen zu gliedern. Es ist ganz einfach eleganter. Wenn aber lediglich eine (!) Unterbrechung notwendig wird, bleibt es beim Aufbau nach Tätern. Wenn also A einen [[Diebstahl]] und einen [[Betrug]] begeht, dann den B zu einem Raub anstiftet, so ist nur eine Zäsur erforderlich. Erst wäre die Strafbarkeit des A zu prüfen, soweit er Täter ist, dann das Verhalten des B zu erörtern, woran sich schließlich die Prüfung des A, nunmehr als Teilnehmer an den Taten des B, anschließt. Müsste jetzt erneut die Strafbarkeit des B geprüft werden, weil er Beihilfe zu Taten des A geleistet hat, hätten Sie von Anfang an auf den Tatkomplexmodus umsteigen müssen. |
Haben Sie sich für den Aufbau nach Tätern entschieden, müssen Sie mit dem Täter beginnen, bei dem das Schwergewicht der Handlung liegt. | Haben Sie sich für den Aufbau nach Tätern entschieden, müssen Sie mit dem Täter beginnen, bei dem das Schwergewicht der Handlung liegt. | ||
− | Jede strafrechtliche Klausur muss in eine Prüfungsreihenfolge gebracht werden. Den zum Teil empfohlenen Reihungsfolgen: „schwere Taten vor leichten Taten“ und „sicher vorliegende Taten vor möglicherweise vorliegenden Taten“ kann nicht gefolgt werden. Was ist schon „schwer“, was „leicht“? Welche Tat liegt in einer Klausur schon „sicher“ vor, welche nur „möglicherweise“? Es entsteht bei Student wie Korrektor absolute Verwirrung. Empfohlen werden kann nur die historische Methode. Diese besteht darin, dass das strafrechtlich relevante Verhalten eines Täters entsprechend dem historischen Geschehensablauf der Sachverhalts-geschichte geprüft wird. Sie ist aus Gründen der Logik, der praktischen Zweckmäßigkeit (Konkurrenzverhältnisse) und auch des zeitlich-linearen menschlichen Empfindens absolut vorzugswürdig. Die Gliederung nehmen Sie aber nur dann historisch vor, wenn in etwa gleich schwer gewichtige Strafhandlungen vorliegen. Anders natürlich, wenn eine schwere Straftat im Vordergrund steht: Wenn also T eine Fensterscheibe einschlägt und kurz darauf den Hauseigentümer umbringt, dürfen Sie nicht mit der historisch früheren Sachbeschädigung beginnen, sondern mit dem Mordtatbestand. | + | Jede strafrechtliche Klausur muss in eine Prüfungsreihenfolge gebracht werden. Den zum Teil empfohlenen Reihungsfolgen: „schwere Taten vor leichten Taten“ und „sicher vorliegende Taten vor möglicherweise vorliegenden Taten“ kann nicht gefolgt werden. Was ist schon „schwer“, was „leicht“? Welche Tat liegt in einer Klausur schon „sicher“ vor, welche nur „möglicherweise“? Es entsteht bei Student wie Korrektor absolute Verwirrung. Empfohlen werden kann nur die historische [[Methode]]. Diese besteht darin, dass das strafrechtlich relevante Verhalten eines Täters entsprechend dem historischen Geschehensablauf der Sachverhalts-geschichte geprüft wird. Sie ist aus Gründen der [[Logik]], der praktischen Zweckmäßigkeit (Konkurrenzverhältnisse) und auch des zeitlich-linearen menschlichen Empfindens absolut vorzugswürdig. Die Gliederung nehmen Sie aber nur dann historisch vor, wenn in etwa gleich schwer gewichtige Strafhandlungen vorliegen. Anders natürlich, wenn eine schwere [[Straftat]] im Vordergrund steht: Wenn also T eine Fensterscheibe einschlägt und kurz darauf den Hauseigentümer umbringt, dürfen Sie nicht mit der historisch früheren Sachbeschädigung beginnen, sondern mit dem Mordtatbestand. |
Final oder kausal – oder egal? | Final oder kausal – oder egal? | ||
− | Bei jeder strafrechtlichen Klausur stehen Sie vor einer grundsätzlichen Frage, die den gesamten Aufbau Ihrer Darstellung entscheidend bestimmt. Sie müssen wählen zwischen der kausalen und finalen Handlungslehre. Nach dem kausalen Handlungsbegriff gehören Vorsatz und Fahrlässigkeit zum Verschulden, sind also nach Tatbestand und Rechtswidrigkeit zu erörtern. Anders dagegen der finale Aufbau. Bedingt durch den engeren Handlungsbegriff (Handlung ist nicht jede vom Willen getragene Handlung, sondern sie muss zweckgerichtet sein, eben final) wird der Vorsatz, der die Zweckgerichtetheit erst erkennbar macht, bereits im Tatbestand geprüft, und zwar nach den objektiven und vor den subjektiven Tatbestandsmerkmalen (z.B.: Zueignungsabsicht, Bereicherungsabsicht). Die Fahrlässigkeit wird aufgeteilt. Sie müssen sich für eine dieser Aufbauweisen entscheiden, welche ist egal, nur müssen Sie sie konsequent in Ihrer Arbeit durchhalten. Der kausale Handlungsbegriff hat jedenfalls als Klausurenarbeitstechnik seinen Sinn noch nicht aufgegeben, wenngleich viele Studenten den finalen Aufbau aus klausurtaktischen Gründen bevorzugen, weil bei Verneinung des Vorsatzes die Prüfung der Rechtswidrigkeit und der Schuld entfällt. | + | Bei jeder strafrechtlichen Klausur stehen Sie vor einer grundsätzlichen Frage, die den gesamten Aufbau Ihrer Darstellung entscheidend bestimmt. Sie müssen wählen zwischen der kausalen und finalen Handlungslehre. Nach dem kausalen Handlungsbegriff gehören Vorsatz und Fahrlässigkeit zum [[Verschulden]], sind also nach Tatbestand und Rechtswidrigkeit zu erörtern. Anders dagegen der finale Aufbau. Bedingt durch den engeren Handlungsbegriff (Handlung ist nicht jede vom Willen getragene Handlung, sondern sie muss zweckgerichtet sein, eben final) wird der Vorsatz, der die Zweckgerichtetheit erst erkennbar macht, bereits im Tatbestand geprüft, und zwar nach den objektiven und vor den subjektiven Tatbestandsmerkmalen (z.B.: [[Zueignungsabsicht]], [[Bereicherungsabsicht]]). Die Fahrlässigkeit wird aufgeteilt. Sie müssen sich für eine dieser Aufbauweisen entscheiden, welche ist egal, nur müssen Sie sie konsequent in Ihrer Arbeit durchhalten. Der kausale Handlungsbegriff hat jedenfalls als Klausurenarbeitstechnik seinen Sinn noch nicht aufgegeben, wenngleich viele Studenten den finalen Aufbau aus klausurtaktischen Gründen bevorzugen, weil bei Verneinung des Vorsatzes die Prüfung der Rechtswidrigkeit und der Schuld entfällt. |
1. Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt | 1. Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt | ||
− | 1.1 Straftatbestand | + | 1.1 [[Straftatbestand]] |
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Handlung (ggf. Abgrenzung aktives Tun/Unterlassen). Menschliches Verhalten, das vom Willen getragen ist | Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Handlung (ggf. Abgrenzung aktives Tun/Unterlassen). Menschliches Verhalten, das vom Willen getragen ist | ||
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Ggf.: Rechtswidrigkeit als Attribut eines einzelnen Tatbestandsmerkmals (z.B. §§ 242, 253, 263 StGB) | Ggf.: Rechtswidrigkeit als Attribut eines einzelnen Tatbestandsmerkmals (z.B. §§ 242, 253, 263 StGB) | ||
− | Ggf.: Tatbestandsausschließende Einwilligung (Einverständnis) | + | Ggf.: Tatbestandsausschließende Einwilligung ([[Einverständnis]]) |
Ggf.: Besondere Merkmale des Täters (z.B. „Amtsträger“ § 331 StGB, § 11 StGB; „Arzt“ in § 203 StGB; „Richter“ in § 339 StGB) | Ggf.: Besondere Merkmale des Täters (z.B. „Amtsträger“ § 331 StGB, § 11 StGB; „Arzt“ in § 203 StGB; „Richter“ in § 339 StGB) | ||
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Notwehr gem. § 32 Abs. 1, 2 StGB | Notwehr gem. § 32 Abs. 1, 2 StGB | ||
− | Angriff | + | [[Angriff]] |
Gegenwärtig | Gegenwärtig | ||
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Rechtswidrig | Rechtswidrig | ||
− | Erforderlichkeit der Verteidigung | + | [[Erforderlichkeit der Verteidigung]] |
− | Verteidigungswille | + | [[Verteidigungswille]] |
Kein Rechtsmissbrauch | Kein Rechtsmissbrauch | ||
− | Notstand gem. § 34 StGB | + | [[Notstand]] gem. § 34 StGB |
Gefahr | Gefahr | ||
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Für irgendein Rechtsgut | Für irgendein Rechtsgut | ||
− | Kollisionslage zwischen zwei Interessen: Erhaltungsgut (Rechtsgut) feststellen; Eingriffsgut (Rechtsgut) feststellen; Gesamtabwägung treffen, ob Erhaltungsgut Eingriffsgut wesentlich überwiegt | + | [[Kollisionslage]] zwischen zwei Interessen: Erhaltungsgut (Rechtsgut) feststellen; Eingriffsgut (Rechtsgut) feststellen; Gesamtabwägung treffen, ob Erhaltungsgut Eingriffsgut wesentlich überwiegt |
Gefahr nicht anders abwendbar als durch die Notstandshandlung | Gefahr nicht anders abwendbar als durch die Notstandshandlung | ||
Zeile 87: | Zeile 87: | ||
Rettungswille | Rettungswille | ||
− | Einwilligung gem. § 228 StGB in Körperverletzungen; § 228 StGB analog (oder Gewohnheitsrecht) bei anderen Rechtsgutverletzungen | + | Einwilligung gem. § 228 StGB in Körperverletzungen; § 228 StGB analog (oder [[Gewohnheitsrecht]]) bei anderen Rechtsgutverletzungen |
− | Einwilligung vor der Tat ausdrücklich oder konkludent vom Rechtsgutträger erteilt | + | Einwilligung vor der Tat ausdrücklich oder [[konkludent]] vom Rechtsgutträger erteilt |
− | Einwilligung rechtlich zulässig. Bei Individualrechtsgütern grundsätzlich zulässig; bei Universalrechtsgütern nicht zulässig; auch nicht zulässig bei Individualrechtsgütern: Leben: § 216 StGB, Körper: § 228 StGB | + | Einwilligung rechtlich zulässig. Bei Individualrechtsgütern [[grundsätzlich]] zulässig; bei Universalrechtsgütern nicht zulässig; auch nicht zulässig bei Individualrechtsgütern: Leben: § 216 StGB, Körper: § 228 StGB |
− | Einwilligungsfähigkeit (auch bei Eigentum!) | + | Einwilligungsfähigkeit (auch bei [[Eigentum]]!) |
Einwilligung frei von Willensmängeln | Einwilligung frei von Willensmängeln | ||
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Handeln in Kenntnis der Einwilligung | Handeln in Kenntnis der Einwilligung | ||
− | Festnahmerecht gem. § 127 StPO | + | [[Festnahmerecht]] gem. § 127 StPO |
Betreffen auf frischer Tat (Straftat) | Betreffen auf frischer Tat (Straftat) | ||
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Verhältnismäßigkeit (beachte auch § 127 Abs. 3 StPO) | Verhältnismäßigkeit (beachte auch § 127 Abs. 3 StPO) | ||
− | Absicht, den Täter der Strafverfolgung zuzuführen | + | [[Absicht]], den Täter der Strafverfolgung zuzuführen |
1.3 Schuld– Unwerturteil über den Täter | 1.3 Schuld– Unwerturteil über den Täter | ||
− | Schuldfähigkeit | + | [[Schuldfähigkeit]] |
Verantwortlichkeit gem. §§ 19, 20 StGB; §§ 3, 105 JGG | Verantwortlichkeit gem. §§ 19, 20 StGB; §§ 3, 105 JGG | ||
− | Verantwortlichkeit nach Grundsätzen der actio libera in causa (vorsätzlich herbeigeführte Schuldunfähigkeit) | + | Verantwortlichkeit nach Grundsätzen der actio libera in [[causa]] (vorsätzlich herbeigeführte Schuldunfähigkeit) |
− | Schuldformen | + | [[Schuldformen]] |
–Vorsatz (auf Ebene der Schuld zu erörtern für die Kausalisten) | –Vorsatz (auf Ebene der Schuld zu erörtern für die Kausalisten) | ||
− | Direkter Vorsatz („dolus directus“) | + | [[Direkter Vorsatz]] („dolus directus“) |
− | Eventualvorsatz („dolus eventualis“) | + | [[Eventualvorsatz]] („dolus eventualis“) |
− | Entfällt gem. § 16 Abs. 1 StGB (Vorsatzwegfall) bei Nichtwissen oder Verkennen eines Tatbestandsmerkmals (Tatbestandsirrtum) und bei der irrigen Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (§ 16 Abs. 1 StGB analog bei Erlaubnistatbestandsirrtum) | + | Entfällt gem. § 16 Abs. 1 StGB (Vorsatzwegfall) bei Nichtwissen oder Verkennen eines Tatbestandsmerkmals ([[Tatbestandsirrtum]]) und bei der irrigen [[Annahme]] der tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (§ 16 Abs. 1 StGB analog bei Erlaubnistatbestandsirrtum) |
–Fahrlässigkeit (§§ 222, 229 StGB) | –Fahrlässigkeit (§§ 222, 229 StGB) | ||
− | Bewusste Fahrlässigkeit | + | [[Bewusste Fahrlässigkeit]] |
− | Unbewusste Fahrlässigkeit | + | [[Unbewusste Fahrlässigkeit]] |
–Abgrenzung nach der Intensität der Wissens- und Wollenskomponenten, insbesondere zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit | –Abgrenzung nach der Intensität der Wissens- und Wollenskomponenten, insbesondere zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit | ||
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Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen | Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen | ||
− | – Notwehrexzess gem. § 33 StGB | + | – [[Notwehrexzess]] gem. § 33 StGB |
Notwehrüberschreitung bez. des Merk-mals der Erforderlichkeit der Verteidigung | Notwehrüberschreitung bez. des Merk-mals der Erforderlichkeit der Verteidigung | ||
Beruhen auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken | Beruhen auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken | ||
− | + | –[[Entschuldigender Notstand]] gem. § 35 StGB | |
Gegenwärtige Gefahr | Gegenwärtige Gefahr | ||
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Hinnahme der Gefahr nicht zumutbar (§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB) | Hinnahme der Gefahr nicht zumutbar (§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB) | ||
− | Unrechtsbewusstsein gem. § 17 StGB | + | [[Unrechtsbewusstsein]] gem. § 17 StGB |
Wissen des Täters, dass er gegen die Verbote des Strafrechts verstößt (Einsichtsmöglichkeit in das Unrecht) | Wissen des Täters, dass er gegen die Verbote des Strafrechts verstößt (Einsichtsmöglichkeit in das Unrecht) | ||
− | Entfällt gem. § 17 StGB (Wegfall des Unrechtsbewusstseins) bei Fehlvorstellung über das Verbotensein der Tat (Verbotsirrtum)und bei Verkennen der rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes | + | Entfällt gem. § 17 StGB (Wegfall des Unrechtsbewusstseins) bei Fehlvorstellung über das Verbotensein der Tat ([[Verbotsirrtum]])und bei Verkennen der rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes |
− | 2. Spezialfall: Täterschaft und Teilnahme gem. §§ 25, 26, 27 StGB | + | 2. Spezialfall: [[Täterschaft und Teilnahme]] gem. §§ 25, 26, 27 StGB |
2.1 Täterschaft | 2.1 Täterschaft | ||
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Alleintäterschaft gem. § 25 Abs. 1, 1. Alt. StGB | Alleintäterschaft gem. § 25 Abs. 1, 1. Alt. StGB | ||
− | Mittelbare Täterschaft gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB | + | [[Mittelbare Täterschaft]] gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB |
− | Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB | + | [[Mittäterschaft]] gem. § 25 Abs. 2 StGB |
2.2 Teilnahme | 2.2 Teilnahme | ||
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Fremde Haupttat: Tatbestand Rechtswidrigkeit Vorsatz | Fremde Haupttat: Tatbestand Rechtswidrigkeit Vorsatz | ||
− | Bestimmen | + | [[Bestimmen]] |
–Rechtswidrigkeit | –Rechtswidrigkeit | ||
− | –Schuld: Schuldfähigkeit Doppelter Anstiftervorsatz, gerichtet auf Vollendung der fremden Haupttat und gerichtet auf Bestimmen | + | –Schuld: Schuldfähigkeit [[Doppelter Anstiftervorsatz]], gerichtet auf [[Vollendung]] der fremden Haupttat und gerichtet auf Bestimmen |
Beihilfe gem. § 27 StGB | Beihilfe gem. § 27 StGB | ||
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Teilnehmer ist, wer die Tat als fremde will ([[Animus socii]]) | Teilnehmer ist, wer die Tat als fremde will ([[Animus socii]]) | ||
− | 3. Spezialfall: Irrtum | + | 3. Spezialfall: [[Irrtum]] |
3.1 Irrtum über den Tatbestand (Tatbestandsirrtum) (auf der Ebene des Vorsatzes zu erörtern für die Kausalisten) | 3.1 Irrtum über den Tatbestand (Tatbestandsirrtum) (auf der Ebene des Vorsatzes zu erörtern für die Kausalisten) | ||
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Täter kennt ein Tatbestandsmerkmal überhaupt nicht. Folgen ergeben sich aus § 16 Abs. 1 StGB! Vorsatz entfällt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. | Täter kennt ein Tatbestandsmerkmal überhaupt nicht. Folgen ergeben sich aus § 16 Abs. 1 StGB! Vorsatz entfällt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. | ||
− | Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein deskriptives Tatbestandsmerkmal subsumiert: (z.B. Sache: „Ich wusste nicht, dass ein Tier eine Sache ist“): Sog. Subsumtionsirrtum ist unbeachtlich, da die richtige Subsumtion nicht Aufgabe des Täters ist. Kein Vorsatzausschluss! | + | Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein [[deskriptives Tatbestandsmerkmal]] subsumiert: (z.B. Sache: „Ich wusste nicht, dass ein Tier eine Sache ist“): Sog. Subsumtionsirrtum ist unbeachtlich, da die richtige [[Subsumtion]] nicht Aufgabe des Täters ist. Kein Vorsatzausschluss! |
− | Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein normatives Tatbestandsmerkmal subsumiert (z.B. Urkunde: „Ich wusste nicht, dass ein Bierdeckel eine Urkunde ist“). Kein Vorsatzausschluss gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bei Kenntnis der Tatsachen, die unter normatives Merkmal subsumiert werden und bei Kenntnis des rechtlichen Gehalts des normativen Merkmals aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre. | + | Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein normatives Tatbestandsmerkmal subsumiert (z.B. Urkunde: „Ich wusste nicht, dass ein Bierdeckel eine Urkunde ist“). Kein Vorsatzausschluss gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bei Kenntnis der [[Tatsachen]], die unter normatives Merkmal subsumiert werden und bei Kenntnis des rechtlichen Gehalts des normativen Merkmals aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre. |
–Täter irrt über den Kausalverlauf. | –Täter irrt über den Kausalverlauf. | ||
− | –Täter irrt gar nicht, sondern verwechselt nur die Personen oder Objekte (Error in persona/objekto). Kein Irrtum! | + | –Täter irrt gar nicht, sondern verwechselt nur die Personen oder Objekte ([[Error in persona]]/objekto). Kein Irrtum! |
3.2 Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Verbotsirrtum) (auf Ebene des Unrechtsbewusstseins zu erörtern für Kausalisten wie Finalisten) | 3.2 Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Verbotsirrtum) (auf Ebene des Unrechtsbewusstseins zu erörtern für Kausalisten wie Finalisten) | ||
Zeile 209: | Zeile 209: | ||
–Irrtum unvermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt gem. § 17 S. 1 StGB: Bestrafung entfällt | –Irrtum unvermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt gem. § 17 S. 1 StGB: Bestrafung entfällt | ||
− | –Irrtum vermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt nicht gem. § 17 S. 2 StGB: Bestrafung erfolgt aus Vorsatzdelikt mit Milderungsmöglichkeit | + | –Irrtum vermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt nicht gem. § 17 S. 2 StGB: Bestrafung erfolgt aus [[Vorsatzdelikt]] mit Milderungsmöglichkeit |
Indirekter Verbotsirrtum, d.h., Täter weiß, dass Tat verboten und daher grundsätzlich Unrecht ist, glaubt aber, im konkreten Fall ausnahmsweise gerechtfertigt zu sein. | Indirekter Verbotsirrtum, d.h., Täter weiß, dass Tat verboten und daher grundsätzlich Unrecht ist, glaubt aber, im konkreten Fall ausnahmsweise gerechtfertigt zu sein. | ||
− | –Er irrt über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes, den es nicht gibt (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB). | + | –Er irrt über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes, den es nicht gibt ([[Erlaubnisirrtum]]; Lösung über § 17 StGB). |
–Er irrt über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB). | –Er irrt über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB). | ||
Zeile 224: | Zeile 224: | ||
Irrtum über Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes: § 35 Abs. 2 StGB regelt die Frage speziell in Anlehnung an § 17 StGB. | Irrtum über Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes: § 35 Abs. 2 StGB regelt die Frage speziell in Anlehnung an § 17 StGB. | ||
− | 4. Spezialfall: Das Fahrlässigkeitsdelikt | + | 4. Spezialfall: Das [[Fahrlässigkeitsdelikt]] |
4.1 Tatbestand | 4.1 Tatbestand | ||
Zeile 234: | Zeile 234: | ||
Kausalität | Kausalität | ||
− | Objektive Sorgfaltspflichtverletzung | + | [[Objektive Sorgfaltspflichtverletzung]] |
Objektive Vorhersehbarkeit | Objektive Vorhersehbarkeit | ||
Zeile 268: | Zeile 268: | ||
Strafbarkeit des Versuchs | Strafbarkeit des Versuchs | ||
− | –§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 StGB bei Verbrechen | + | –§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 StGB bei [[Verbrechen]] |
− | –§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 StGB i.V.m. Norm des besonderen Teils bei Vergehen | + | –§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 StGB i.V.m. Norm des besonderen Teils bei [[Vergehen]] |
5.2 Tatbestand | 5.2 Tatbestand | ||
− | Tatentschluss, d.h. bzgl. aller TBMe | + | [[Tatentschluss]], d.h. bzgl. aller TBMe |
Ggf. Absichten des Tatbestandes | Ggf. Absichten des Tatbestandes | ||
Zeile 290: | Zeile 290: | ||
Unrechtsbewusstsein | Unrechtsbewusstsein | ||
− | 5.5 Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB | + | 5.5 [[Rücktritt vom Versuch]] gem. § 24 StGB |
− | Kein fehlgeschlagener Versuch | + | Kein [[fehlgeschlagener Versuch]] |
Freiwilliger Rücktritt | Freiwilliger Rücktritt | ||
− | + | –[[Unbeendeter Versuch]]; § 24 Abs. 1 S. 1 1.Alt. StGB. Passives Verhalten reicht aus! Gegenentschluss notwendig! | |
Vollständiges und endgültiges Aufgeben des Tatentschlusses | Vollständiges und endgültiges Aufgeben des Tatentschlusses | ||
− | Freiwilligkeit | + | [[Freiwilligkeit]] |
− | + | –[[Beendeter Versuch]]; § 24 Abs. 1 S. 1 2.Alt. StGB. Aktives Verhalten geboten! Gegenaktivität notwendig! | |
Verhinderung des Taterfolges | Verhinderung des Taterfolges | ||
Zeile 335: | Zeile 335: | ||
Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung | Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung | ||
− | Garantenstellung aus: | + | [[Garantenstellung]] aus: |
–Gesetz/Rechtsvorschrift | –Gesetz/Rechtsvorschrift | ||
− | + | –[[Vertrag]]/tatsächlicher Gewährsübernahme | |
–vorangegangenem gefährdendem rechtswidrigem Tun | –vorangegangenem gefährdendem rechtswidrigem Tun | ||
Zeile 348: | Zeile 348: | ||
6.2 Rechtswidrigkeit | 6.2 Rechtswidrigkeit | ||
− | Es liegen weder allgemeine Rechtfertigungsgründe noch eine (nur hier geltende) Pflichtenkollision vor | + | Es liegen weder allgemeine [[Rechtfertigungsgründe]] noch eine (nur hier geltende) [[Pflichtenkollision]] vor |
6.3 Schuld | 6.3 Schuld |
Aktuelle Version vom 20. November 2017, 19:49 Uhr
In keinem Klausurengebiet bedingen sich Aufbau (Struktur einer Straftat) und Lösung einerseits und grundsätzlicher dogmatischer Standort andererseits, so wie im Strafrecht. Der Deliktsaufbau wird nun einmal dadurch bestimmt, ob der kausalen oder finalen Handlungslehre gefolgt wird. Auf die unterschiedlichen Konsequenzen für den Aufbau und auf die Gründe sei hingewiesen. (Handlung)
Regelmäßig müssen Sie das Verhalten mehrerer Täter (A, B, C) anhand des StGB würdigen. Hier bieten sich zwei Aufbauten an:
Der Aufbau kann sich zum einen an der Strafbarkeit eines der Täter orientieren. Man prüft zunächst den A voll durch, dann den B und dann den C, zum Schluss prüft man die Konkurrenzen.
Der Aufbau kann sich zum anderen nach Tatkomplexen richten, da sich die strafrechtliche Sachverhaltsgeschichte regelmäßig in mehrere Teilakte zergliedern lässt. Es wäre dann zunächst im ersten Teilakt die Strafbarkeit von A, B und C zu prüfen, dann erst das Verhalten der Täter im zweiten Teilakt und dann das strafbare Tun im weiteren Geschehensablauf des Sachverhalts. Am Ende fasst man die jeweiligen Strafbarkeiten des A, B und C zusammen und stellt die Konkurrenzfragen.
Vorschlag: In der Klausur ist der Aufbau nach Tätern (Tätermodus) zu empfehlen, in der Hausarbeit der Tatkomplexmodus. Allerdings mit einer Ausnahme: Auch in der Klausur müssen Sie den Aufbau nach Tatkomplexen wählen, wenn die Beteiligten öfter im Täter-Teilnehmer-Verhältnis agieren. Da die Teilnahmehandlung Beihilfe und Anstiftung in ihrer Strafbarkeit abhängig sind von der Haupttat, vgl. §§ 26, 27 StGB, insbesondere § 28 StGB, müssten Sie dauernd in der Prüfung von A auf B und auf C wechseln und umgekehrt. Für den Fall der Akzessorietät hat sich deshalb eingebürgert, nach Tatkomplexen zu gliedern. Es ist ganz einfach eleganter. Wenn aber lediglich eine (!) Unterbrechung notwendig wird, bleibt es beim Aufbau nach Tätern. Wenn also A einen Diebstahl und einen Betrug begeht, dann den B zu einem Raub anstiftet, so ist nur eine Zäsur erforderlich. Erst wäre die Strafbarkeit des A zu prüfen, soweit er Täter ist, dann das Verhalten des B zu erörtern, woran sich schließlich die Prüfung des A, nunmehr als Teilnehmer an den Taten des B, anschließt. Müsste jetzt erneut die Strafbarkeit des B geprüft werden, weil er Beihilfe zu Taten des A geleistet hat, hätten Sie von Anfang an auf den Tatkomplexmodus umsteigen müssen. Haben Sie sich für den Aufbau nach Tätern entschieden, müssen Sie mit dem Täter beginnen, bei dem das Schwergewicht der Handlung liegt.
Jede strafrechtliche Klausur muss in eine Prüfungsreihenfolge gebracht werden. Den zum Teil empfohlenen Reihungsfolgen: „schwere Taten vor leichten Taten“ und „sicher vorliegende Taten vor möglicherweise vorliegenden Taten“ kann nicht gefolgt werden. Was ist schon „schwer“, was „leicht“? Welche Tat liegt in einer Klausur schon „sicher“ vor, welche nur „möglicherweise“? Es entsteht bei Student wie Korrektor absolute Verwirrung. Empfohlen werden kann nur die historische Methode. Diese besteht darin, dass das strafrechtlich relevante Verhalten eines Täters entsprechend dem historischen Geschehensablauf der Sachverhalts-geschichte geprüft wird. Sie ist aus Gründen der Logik, der praktischen Zweckmäßigkeit (Konkurrenzverhältnisse) und auch des zeitlich-linearen menschlichen Empfindens absolut vorzugswürdig. Die Gliederung nehmen Sie aber nur dann historisch vor, wenn in etwa gleich schwer gewichtige Strafhandlungen vorliegen. Anders natürlich, wenn eine schwere Straftat im Vordergrund steht: Wenn also T eine Fensterscheibe einschlägt und kurz darauf den Hauseigentümer umbringt, dürfen Sie nicht mit der historisch früheren Sachbeschädigung beginnen, sondern mit dem Mordtatbestand.
Final oder kausal – oder egal? Bei jeder strafrechtlichen Klausur stehen Sie vor einer grundsätzlichen Frage, die den gesamten Aufbau Ihrer Darstellung entscheidend bestimmt. Sie müssen wählen zwischen der kausalen und finalen Handlungslehre. Nach dem kausalen Handlungsbegriff gehören Vorsatz und Fahrlässigkeit zum Verschulden, sind also nach Tatbestand und Rechtswidrigkeit zu erörtern. Anders dagegen der finale Aufbau. Bedingt durch den engeren Handlungsbegriff (Handlung ist nicht jede vom Willen getragene Handlung, sondern sie muss zweckgerichtet sein, eben final) wird der Vorsatz, der die Zweckgerichtetheit erst erkennbar macht, bereits im Tatbestand geprüft, und zwar nach den objektiven und vor den subjektiven Tatbestandsmerkmalen (z.B.: Zueignungsabsicht, Bereicherungsabsicht). Die Fahrlässigkeit wird aufgeteilt. Sie müssen sich für eine dieser Aufbauweisen entscheiden, welche ist egal, nur müssen Sie sie konsequent in Ihrer Arbeit durchhalten. Der kausale Handlungsbegriff hat jedenfalls als Klausurenarbeitstechnik seinen Sinn noch nicht aufgegeben, wenngleich viele Studenten den finalen Aufbau aus klausurtaktischen Gründen bevorzugen, weil bei Verneinung des Vorsatzes die Prüfung der Rechtswidrigkeit und der Schuld entfällt.
1. Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt
1.1 Straftatbestand
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Handlung (ggf. Abgrenzung aktives Tun/Unterlassen). Menschliches Verhalten, das vom Willen getragen ist
Eintritt des Erfolges bei Erfolgsdelikten
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Kausalität zw. Handlung und Erfolg
Die geschriebenen Tatbestandsmerkmale der Vermögensdelikte, Urkundsdelikte, Delikte gegen Leib und Leben etc. – Die Welt des besonderen Teils mit seinen Tatbestandsmerkmalen, Auslegungen, Definitionen und Subsumtionen
Ggf.: Besondere Absichten (z.B. Zueignungsabsicht in § 242 StGB; Bereicherungsabsicht in §§ 263, 253 StGB; Täuschungsabsicht in § 267 StGB)
Ggf.: Rechtswidrigkeit als Attribut eines einzelnen Tatbestandsmerkmals (z.B. §§ 242, 253, 263 StGB)
Ggf.: Tatbestandsausschließende Einwilligung (Einverständnis)
Ggf.: Besondere Merkmale des Täters (z.B. „Amtsträger“ § 331 StGB, § 11 StGB; „Arzt“ in § 203 StGB; „Richter“ in § 339 StGB)
1.2 Rechtswidrigkeit – Unwerturteil über die Tat. Sie entfällt, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift.
Notwehr gem. § 32 Abs. 1, 2 StGB Angriff
Gegenwärtig
Rechtswidrig
Erforderlichkeit der Verteidigung
Kein Rechtsmissbrauch
Notstand gem. § 34 StGB
Gefahr
Gegenwärtig
Für irgendein Rechtsgut
Kollisionslage zwischen zwei Interessen: Erhaltungsgut (Rechtsgut) feststellen; Eingriffsgut (Rechtsgut) feststellen; Gesamtabwägung treffen, ob Erhaltungsgut Eingriffsgut wesentlich überwiegt
Gefahr nicht anders abwendbar als durch die Notstandshandlung Rettungswille
Tat muss nach § 34 S. 2 StGB ein angemessenes Mittel sein
Spezialnotstände bei Sachbeschädigungen
–Notstand gem. § 228 BGB
Drohende Gefahr durch eine Sache (Tier)
Einwirkung auf („schuldige“) Sache objektiv erforderlich
Güter- und Interessenabwägung
Rettungswille
–Notstand gem. § 904 BGB
Gegenwärtige Gefahr
Einwirkung auf („unschuldige“) Sache objektiv erforderlich
Güter- und Interessenabwägung
Rettungswille
Einwilligung gem. § 228 StGB in Körperverletzungen; § 228 StGB analog (oder Gewohnheitsrecht) bei anderen Rechtsgutverletzungen
Einwilligung vor der Tat ausdrücklich oder konkludent vom Rechtsgutträger erteilt Einwilligung rechtlich zulässig. Bei Individualrechtsgütern grundsätzlich zulässig; bei Universalrechtsgütern nicht zulässig; auch nicht zulässig bei Individualrechtsgütern: Leben: § 216 StGB, Körper: § 228 StGB
Einwilligungsfähigkeit (auch bei Eigentum!)
Einwilligung frei von Willensmängeln
Handeln in Kenntnis der Einwilligung
Festnahmerecht gem. § 127 StPO
Betreffen auf frischer Tat (Straftat)
Fluchtgefahr oder die Unmöglichkeit der sofortigen Identitätsfeststellung
Verhältnismäßigkeit (beachte auch § 127 Abs. 3 StPO)
Absicht, den Täter der Strafverfolgung zuzuführen
1.3 Schuld– Unwerturteil über den Täter
Verantwortlichkeit gem. §§ 19, 20 StGB; §§ 3, 105 JGG Verantwortlichkeit nach Grundsätzen der actio libera in causa (vorsätzlich herbeigeführte Schuldunfähigkeit)
–Vorsatz (auf Ebene der Schuld zu erörtern für die Kausalisten)
Direkter Vorsatz („dolus directus“)
Eventualvorsatz („dolus eventualis“)
Entfällt gem. § 16 Abs. 1 StGB (Vorsatzwegfall) bei Nichtwissen oder Verkennen eines Tatbestandsmerkmals (Tatbestandsirrtum) und bei der irrigen Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (§ 16 Abs. 1 StGB analog bei Erlaubnistatbestandsirrtum)
–Fahrlässigkeit (§§ 222, 229 StGB)
–Abgrenzung nach der Intensität der Wissens- und Wollenskomponenten, insbesondere zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit
Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen
– Notwehrexzess gem. § 33 StGB
Notwehrüberschreitung bez. des Merk-mals der Erforderlichkeit der Verteidigung Beruhen auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken
–Entschuldigender Notstand gem. § 35 StGB
Gegenwärtige Gefahr
Für Leben, Leib oder Freiheit
Gefahr droht Täter selbst, einem Angehörigen gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder einer anderen nahestehenden Person
Gefahr nicht anders abwendbar
Hinnahme der Gefahr nicht zumutbar (§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB)
Unrechtsbewusstsein gem. § 17 StGB
Wissen des Täters, dass er gegen die Verbote des Strafrechts verstößt (Einsichtsmöglichkeit in das Unrecht)
Entfällt gem. § 17 StGB (Wegfall des Unrechtsbewusstseins) bei Fehlvorstellung über das Verbotensein der Tat (Verbotsirrtum)und bei Verkennen der rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes
2. Spezialfall: Täterschaft und Teilnahme gem. §§ 25, 26, 27 StGB
2.1 Täterschaft
Alleintäterschaft gem. § 25 Abs. 1, 1. Alt. StGB
Mittelbare Täterschaft gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB
Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB
2.2 Teilnahme
Anstiftung gem. § 26 StGB
–Tatbestand
Fremde Haupttat: Tatbestand Rechtswidrigkeit Vorsatz Bestimmen
–Rechtswidrigkeit
–Schuld: Schuldfähigkeit Doppelter Anstiftervorsatz, gerichtet auf Vollendung der fremden Haupttat und gerichtet auf Bestimmen
Beihilfe gem. § 27 StGB
Abgrenzung
Täter ist, wer die Tat als eigene will (Animus auctoris)
Teilnehmer ist, wer die Tat als fremde will (Animus socii)
3. Spezialfall: Irrtum
3.1 Irrtum über den Tatbestand (Tatbestandsirrtum) (auf der Ebene des Vorsatzes zu erörtern für die Kausalisten)
Täter kennt ein Tatbestandsmerkmal überhaupt nicht. Folgen ergeben sich aus § 16 Abs. 1 StGB! Vorsatz entfällt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.
Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein deskriptives Tatbestandsmerkmal subsumiert: (z.B. Sache: „Ich wusste nicht, dass ein Tier eine Sache ist“): Sog. Subsumtionsirrtum ist unbeachtlich, da die richtige Subsumtion nicht Aufgabe des Täters ist. Kein Vorsatzausschluss!
Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein normatives Tatbestandsmerkmal subsumiert (z.B. Urkunde: „Ich wusste nicht, dass ein Bierdeckel eine Urkunde ist“). Kein Vorsatzausschluss gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bei Kenntnis der Tatsachen, die unter normatives Merkmal subsumiert werden und bei Kenntnis des rechtlichen Gehalts des normativen Merkmals aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre.
–Täter irrt über den Kausalverlauf.
–Täter irrt gar nicht, sondern verwechselt nur die Personen oder Objekte (Error in persona/objekto). Kein Irrtum!
3.2 Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Verbotsirrtum) (auf Ebene des Unrechtsbewusstseins zu erörtern für Kausalisten wie Finalisten)
Direkter Verbotsirrtum, d.h., Täter erkennt überhaupt nicht, dass seine Tat verboten und daher Unrecht ist. Ihm fehlt die Vorstellung, Unrecht zu tun.
–Irrtum unvermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt gem. § 17 S. 1 StGB: Bestrafung entfällt
–Irrtum vermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt nicht gem. § 17 S. 2 StGB: Bestrafung erfolgt aus Vorsatzdelikt mit Milderungsmöglichkeit
Indirekter Verbotsirrtum, d.h., Täter weiß, dass Tat verboten und daher grundsätzlich Unrecht ist, glaubt aber, im konkreten Fall ausnahmsweise gerechtfertigt zu sein. –Er irrt über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes, den es nicht gibt (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB).
–Er irrt über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB).
–Er irrt weder über die Existenz eines nicht anerkannten, noch über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes; er nimmt irrig die Existenz eines rechtfertigenden Sachverhalts an, bei dessen Vorliegen ein Rechtfertigungsgrund eingriffe (Erlaubnistatbestandsirrtum; Lösung über § 16 StGB analog).
3.3 Irrtum über die Schuld
Irrtum über Schuldfähigkeit (§§ 19, 20 StGB): unbeachtlich
Irrtum über Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes: § 35 Abs. 2 StGB regelt die Frage speziell in Anlehnung an § 17 StGB.
4. Spezialfall: Das Fahrlässigkeitsdelikt
4.1 Tatbestand
Handlung
Erfolgseintritt
Kausalität
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Objektive Vorhersehbarkeit
Zurechnungszusammenhang zwischen Erfolg und Sorgfaltspflichtverletzung
Schutzzweck der Norm
4.2 Rechtswidrigkeit
4.3 Schuld
Schuldfähigkeit
Rest der Fahrlässigkeit
–Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
–Subjektive Vorhersehbarkeit
Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen
Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens
Unrechtsbewusstsein
5. Spezialfall: Das versuchte Begehungsdelikt
5.1 Vorüberlegungen zum Versuch
Nichtvollendung der Tat
Strafbarkeit des Versuchs
–§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 StGB bei Verbrechen
–§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 StGB i.V.m. Norm des besonderen Teils bei Vergehen
5.2 Tatbestand
Tatentschluss, d.h. bzgl. aller TBMe
Ggf. Absichten des Tatbestandes
Anfang der Ausführungen, d.h. unmittelbares Ansetzen („Jetzt geht’s los!“)
5.3 Rechtswidrigkeit
5.4 Schuld (Restschuld ohne Vorsatz)
Schuldfähigkeit
Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen
Unrechtsbewusstsein
5.5 Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB
Freiwilliger Rücktritt
–Unbeendeter Versuch; § 24 Abs. 1 S. 1 1.Alt. StGB. Passives Verhalten reicht aus! Gegenentschluss notwendig!
Vollständiges und endgültiges Aufgeben des Tatentschlusses Freiwilligkeit
–Beendeter Versuch; § 24 Abs. 1 S. 1 2.Alt. StGB. Aktives Verhalten geboten! Gegenaktivität notwendig!
Verhinderung des Taterfolges
Durch eigenes Zutun des Täters
Freiwilligkeit
–Nichtvollendung ohne Zutun des Täters; § 24 Abs. 1 S. 2 StGB Nichtvollendung der Tat
Ernsthaftes Bemühen um eine Verhinderung der Vollendung
Freiwilligkeit
–Beim gemeinschaftlichen Versuch; § 24 Abs. 2 StGB
Verhinderung der Vollendung Freiwilligkeit bzw. ernsthaftes Bemühen
6. Spezialfall: Das vollendete vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt
6.1 Tatbestand
Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges einer Verbotsnorm
Nichtvornahme des erforderlichen Tuns (Abgrenzung Tun/Unterlassen)
Kausalität (hypothetische Kausalität)
Möglichkeit der Erfolgsabwendung
Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung
Garantenstellung aus:
–Gesetz/Rechtsvorschrift
–Vertrag/tatsächlicher Gewährsübernahme
–vorangegangenem gefährdendem rechtswidrigem Tun
–konkreten Lebensbeziehungen (enge Gemeinschaften)
Ganz selten: Entsprechungsklausel
6.2 Rechtswidrigkeit Es liegen weder allgemeine Rechtfertigungsgründe noch eine (nur hier geltende) Pflichtenkollision vor
6.3 Schuld
Schuldfähigkeit
Schuldformen
–Vorsatz muss hinsichtlich aller TBMe einschließlich der die Garantenstellung begründenden tatsächlichen Umstände vorliegen
–Vorsatz entfällt gem. § 16 Abs. 1 StGB
Nichtvorliegen von allgemeinen Entschuldigungsgründen und von der für Unterlassungsdelikte speziellen entschuldigenden Pflichtenkollision
Unrechtsbewusstsein
–Wissen des Täters, dass er gegen die Gebote des Strafrechts verstößt aufgrund einer rechtlich bestehenden Garantenpflicht
–Entfällt gem. § 17 StGB (Gebotsirrtum) u.a. bei Irrtum des Täters über das Bestehen seiner Garantenpflicht