Scheingeschäft

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ist ein Rechtsgeschäft, bei dem den Parteien der Wille fehlt, eine Rechtswirkung herbeizuführen. Gem. § 117 Abs. 1 BGB ist ein Scheingeschäft nichtig. Es verdeckt regelmäßig ein anderes, ernstlich gewolltes Geschäft, das dann gem. § 117 Abs. 2 BGB wirksam ist. Das simulierte Rechtsgeschäft ist unwirksam, das dissimulierte wirksam, wenn seine Voraussetzungen (z.B. § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB) erfüllt sind.

Beispiel: Briefmarkensammler V ist im Besitz eines seltenen Fehldruckes des Olympia-Blockes aus dem Jahre 1972, den sein Vereinskollege K unbedingt von ihm erwerben will. Um das ständige Drängen des K zu beenden, vereinbart V zum Schein mit dem in Wirklichkeit nicht an den Marken interessierten Dritt, dass dieser den Block für 1.000 € kaufe, und zeigt dem K anschließend den schriftlichen Vertrag mit Dritt. – Kann Dritt – jetzt anderen Sinnes geworden – aufgrund des Vertrages die Übereignung der Briefmarken von V gem. § 433 Abs. 1 BGB verlangen?

Das Scheingeschäft zeichnet sich dadurch aus, dass eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Einverständnis mit dem Geschäftspartner nur zum Schein abgegeben wird. Das Gesetz ordnet hierzu in § 117 Abs. 1 BGB die – naheliegende – Rechtsfolge der Nichtigkeit der Willenserklärung an. Warum sollte das Gesetz Vertragsparteien Rechtsfolgen aufzwingen, die sie übereinstimmend nicht gewollt haben. Im Beispielsfall liegen die Voraussetzungen des Scheingeschäftes vor: Das Angebot des V an den Dritt ist – wie alle Vertragsangebote – eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist nur zum Schein erfolgt, nämlich um dem K den Eindruck vermitteln zu können, V sei zumindest vertraglich gebunden oder sogar schon nicht mehr Eigentümer der Briefmarken und könne sie deswegen, auch wenn er es wollte, dem K nicht mehr verkaufen. Hiermit war der Erklärungsempfänger Dritt auch einverstanden. Dass er inzwischen doch die Marken erwerben will, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, weil es allein auf das Einverständnis des Dritt im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erklärung ankommt. Das Angebot ist aber spätestens mit Zugang bei Dritt wirksam geworden. Es war mithin gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig, weswegen ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen ist. Dritt kann demnach aus § 433 Abs. 1 BGB nicht die Lieferung der Marken verlangen.

Häufig werden Scheingeschäfte nur abgeschlossen, um ein anderes Rechtsgeschäft, das in Wahrheit gewollt ist, zu verdecken. Hierzu ordnet § 117 Abs. 2 BGB an, dass dann „die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung finden“. Das soll heißen, dass das verdeckte (dissimulierte) Geschäft nicht wegen seiner Verbindung mit dem unwirksamen „simulierten“ Scheingeschäft auf jeden Fall auch unwirksam ist. Vielmehr ist das verheimlichte Rechtsgeschäft wirksam, wenn – unabhängig von dem vorgetäuschten Scheingeschäft – die für die Wirksamkeit des verheimlichten Rechtsgeschäftes erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.

Beispiel: A kommt mit B überein, dessen Grundstück entsprechend seinem Wert für 100.000 € zu kaufen. Um die Gebühren für die notarielle Beurkundung (§ 311 b Abs. 1 S. 1 BGB ), die Gerichtsgebühren für die Eintragung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) sowie die Grunderwerbssteuer, deren Höhe sich wie die vorerwähnten Gebühren nach dem Wert des Grundstückes richtet, teilweise zu sparen, lassen sie einen Kaufpreis von nur 75.000 € notariell beurkunden. Hiermit wollen sie erreichen, dass dieser Betrag den Wertberechnungen zugrunde gelegt wird. Kann A anschließend die Übereignung des Grundstückes von B verlangen? A kann gem. § 433 Abs. 1 BGB die Übereignung (Auflassung) verlangen, wenn ein Kaufvertrag mit B wirksam zustande gekommen ist. Es kommt zunächst ein Vertrag zum Kaufpreis von 75.000 € in Betracht. Über diese Summe liegen zwar zwei wirksame und sich deckende und gem. § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB formwirksam durch den Notar beurkundete Willenserklärungen vor. Dennoch ist ein Vertrag mit dem Kaufpreis von 75.000 € nicht zustande gekommen, weil A und B ein Scheingeschäft abgeschlossen haben: Sowohl A als auch B haben ihre für den Vertragsschluss erforderlichen Willenserklärungen im Einverständnis mit dem jeweils anderen nur zum Schein abgegeben. Tatsächlich wollten beide den Abschluss eines Vertrages mit dem Inhalt „Kaufpreis 75.000 €“ nicht. Der Vertrag ist daher gem. § 117 Abs. 1 BGB als Scheingeschäft nichtig. Es könnte aber ein Vertrag über 100.000 € zustande gekommen sein. Tatsächlich wollten beide einen Vertrag mit diesem Inhalt abschließen. Das Scheingeschäft diente lediglich dazu, dieses – in Wahrheit beabsichtigte – Geschäft zu verdecken. Dennoch ist das verdeckte Rechtsgeschäft in diesem Falle ebenfalls nichtig, und zwar aufgrund der §§ 117 Abs. 2, 311 b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB: Das verdeckte Rechtsgeschäft ist nämlich nicht automatisch immer wirksam, sondern nur dann, wenn unabhängig von dem Scheingeschäft alle ansonsten bestehenden Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen. Das ist hier nicht der Fall: Gem. § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB bedarf der Vertrag der notariellen Beurkundung. Da ein Vertrag mit dem tatsächlich gewollten Kaufpreis in Höhe von 100.000 € aber nicht beurkundet worden ist, ist das verdeckte Rechtsgeschäft gem. §§ 125 S. 1, 311 b Abs. 1 S. 1 BGB wegen Formmangels nichtig. (Formen des Rechtsgeschäfts) Also kann A von B die Übereignung des Grundstücks gem. § 433 Abs. 1 BGB nicht verlangen.

Merken Sie sich bitte: Das Beurkundete ist nicht gewollt: § 117 Abs. 1 BGB. Das Gewollte ist nicht beurkundet: § 117 Abs. 2 BGB .

Abwandlung: Wie wäre im obigen Fall zu entscheiden, wenn beide aufgrund des beurkundeten Kaufvertrages über einen Preis von 75.000 € die Übereignung des Grundstückes gem. §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB auf A herbeigeführt hätten (Auflassung und Eintragung) und B anschließend die vereinbarten 100.000 € von A verlangen würde, A aber nur 75.000 € zahlen will?

Tipp: § 433 Abs. 2 BGB! Aber: Vorgetäuschtes Rechtsgeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig! Verheimlichtes Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam nach § 117 Abs. 2 BGB; aber: nichtig gem. §§ 125, 311 b Abs. 1 S. 1 BGB; aber Formverstoß geheilt über §§ 311 b Abs. 1 S. 2, 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB. B kann 100.000 € als Kaufpreis verlangen.