Schuldübernahme

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ist in zwei Formen gesetzlich vorgesehen: befreiende oder privative (privare, lat.: befreien) Schuldübernahme kumulative (cumulare, lat.: häufen) Schuldübernahme oder Schuldbeitritt

Die privative Schuldübernahme ist das Gegenstück der [[Abtretung auf Schuldnerseite. Bei ihr wird der Altschuldner frei und der Neuschuldner tritt an seine Stelle, nur davon handeln die §§ 414 bis 418 BGB. Für sie stellt das Gesetz zwei Möglichkeiten zur Verfügung: 1. Vertrag zwischen Neuschuldner und Gläubiger, § 414 BGB ohne Form, ohne Zustimmung des Schuldners, ohne Ausschlagungsrecht. Dass Schuldner nicht zustimmen muss, entspricht § 267 Abs. 1 S. 2 BGB, verstößt allerdings gegen den Mitwirkungsgedanken bei §§ 516, 397, 333 BGB. 2. Vertrag zwischen dem schuldübernehmenden Neuschuldner und dem Altschuldner unter Genehmigung des Gläubigers, §§ 415, 184 Abs. 1, 182 BGB In beiden Fällen tritt der Neuschuldner „an die Stelle“ des Altschuldners.

Die kumulative Schuldübernahme ist gesetzlich im BGB nicht geregelt, allerdings in § 25 HGB, jedoch kraft Vertragsfreiheit gem. §§ 241, 311 BGB zulässig. Bei ihr enthält der Gläubiger einen zusätzlichen Schuldner, der alte Schuldner wird nicht frei. Der Neuschuldner tritt „neben“ den Altschuldner.

Beispiel: Jupp möchte seinem in Schulden geratenen Freund Max gerne helfen und übernimmt, da Max zu stolz ist, sich von Jupp etwas schenken zu lassen, die Kaufpreisschuld des Gl gegen Max i.H.v. 10.000 €. Als Gl von Jupp Zahlung verlangt, lehnt dieser ab, da er sich zwischenzeitlich mit Max entzweit hatte.

Gl ./. Max aus § 433 Abs. 2 BGB entfällt wegen der Befreiung nach § 414 BGB, die auch ohne Form und ohne Mitwirkung des „stolzen“ Max zwischen Gl und Jupp zustande gekommen ist. Gl ./. Jupp: §§ 433 Abs. 2, 414, 145 ff. BGB schlüssig Jupp gegen Max: §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB Max hat „etwas“, nämlich die Befreiung von einer Verbindlichkeit, erlangt. Durch die Leistung des Jupp. Ohne Rechtsgrund, da für Jupp keine Verpflichtung – etwa aus einer Schenkung – bestand.

Die formfreien Schuldübernahmen sind von der formgebundenen (§ 766 BGB) Bürgschaft abzugrenzen, um eine Umgehung der Formvorschrift zu vermeiden.

Beispiel: Sabine will ihre jüngere Schwester Susanne bei dem Frisör Schmitz gerne in die Lehre geben. Schmitz erkundigt sich nach Schulleistungen, Familie und Ehrlichkeit. Sabine erklärt: „Durch meine Schwester werden Sie niemals einen Schaden haben. Wenn jemals ein Cent fehlen sollte, werde ich dafür aufkommen.“ Nach drei Monaten fehlen 1000 € in der Kasse, Susanne hat sich ins Ausland abgesetzt. Schmitz verlangt von Sabine Zahlung gem. §§ 823 Abs. 1, 249, 414 BGB.

Fraglich ist, ob es sich um einen Fall einer privativen oder kumulativen Schuldübernahme oder gar um einen Fall einer Bürgschaft handelt, die mangels Form, § 766 BGB, unwirksam wäre. Die Vereinbarung zwischen Schmitz und Sabine muss gem. §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Was wollten die Beteiligten? Wollten sie Susanne völlig freistellen („statt“)? – Dann: § 414 BGB, privative Schuldübernahme. Wollten sie, dass Sabine neben Susanne treten sollte („nebeneinander“)? – Dann §§ 311, 241 BGB, kumulative Schuldübernahme. Wollten sie, dass Sabine nur hilfsweise hinter Susanne haften sollte („hintereinander“)? – Dann §§ 765, 766 BGB.

Die Parteien wollten keinesfalls, dass Susanne überhaupt nicht mehr haften sollte, allein schon aus erzieherischen Gründen. Ob Bürgschaft oder die formlose kumulative Schuldübernahme gewollt ist (und damit eine Umgehung der Form des § 766 BGB), hängt nach h.M. davon ab, ob der Übernehmer Sabine ein eigenes (!) wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit hat. Da Sabine lediglich im persönlichen Interesse der Susanne gehandelt hat, um ihr eine Anstellung zu verschaffen, liegt hier der Fall einer Bürgschaft vor, die gem. §§ 125, 766 BGB unwirksam ist. Die Schutzfunktion (Warnung) des § 766 hat ihre Wirkung entfaltet. Schmitz muss sich an Susanne halten.