Taschengeldparagraph

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ist ein besonderer Anwendungsfall im Minderjähri-genrecht, § 110 BGB. Durch den Taschengeldparagraphen kann der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige ausnahmsweise Verträge schließen ohne die ansonsten nötige Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Voraussetzung ist, dass der Minderjährige die durch den Vertrag verpflichtende Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm vom gesetzlichen Vertreter zur freien Verfügung überlassen wurden. Diese Mittelüberlassung drückt konkludent die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters aus. Die Mittelüberlassung kann auch durch einen Dritten erfolgen, jedoch nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. (Minderjährigkeit)

Beispiel: Benjamin erhält die Erlaubnis seiner Eltern, ein Sportfahrrad mit Gangschaltung zum Preise von höchstens 400 € zu kaufen.

Soweit § 107 BGB die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Abgabe einer Willenserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen erfordert, bedeutet dies, dass die Eltern die Zustimmung gerade zu dem bestimmten beabsichtigten Geschäft ganz konkret erteilen müssen. (Geschäftsfähigkeit) Das haben sie bei Benjamin nicht getan, da genaue Angaben zu Preis, Marke und Art des Rades fehlen. Es besteht aber auch ein Bedürfnis, die wirksame Erteilung einer Einwilligung auch ohne vorherige konkrete Bestimmung des Inhaltes des Geschäfts zu ermöglichen, mehr „so allgemein“. Diesem Alltagsbedürfnis trägt § 110 BGB Rechnung. In ihrer zunächst anzusprechenden Variante setzt diese Bestimmung voraus, dass ● dem beschränkt Geschäftsfähigen von seinem gesetzlichen Vertreter (Geld-) Mittel zu seiner freien Verfügung überlassen worden sind und ● er die vertragsmäßige Leistung mit diesen Mitteln bewirkt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Vertrag „ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters“ wirksam. Diese Gesetzesformulierung ist missverständlich: Es fehlt in diesen Fällen nicht an der notwendigen Einwilligung, diese ist vielmehr lediglich nicht ausdrücklich, sondern konkludent mit der Überlassung der Geldmittel erteilt worden. Es handelt sich bei der Regelung des § 110 BGB nicht darum, dass über die Fälle der Erlangung lediglich eines rechtlichen Vorteiles hinaus bestimmte Rechtsgeschäfte des beschränkt Geschäftsfähigen entgegen der Vorschrift des § 107 BGB ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters wirksam würden. Vielmehr stellt § 110 BGB lediglich einen Anwendungsfall des § 107 BGB dar und ermöglicht in bestimmten engen Grenzen eine Vereinfachung bei der konkludenten generellen Erteilung einer Einwilligung. Diese braucht das einzelne Rechtsgeschäft nicht näher zu bezeichnen, vielmehr kann der beschränkt Geschäftsfähige mit den überlassenen Geldmitteln nach freiem Belieben Rechtsgeschäfte abschließen. Dies gilt allerdings nicht völlig uneingeschränkt. So erstreckt sich die Einwilligung weder auf völlig aus dem Rahmen fallende Verträge (8-jähriger kauft Buschmesser) noch auf sogenannte Folgegeschäfte (über den – erheblichen – Gewinn in einer Lotterie darf der beschränkt Geschäftsfähige auch dann nicht frei verfügen, wenn er das Los aus Mitteln zu freier Verfügung gekauft hat). Am besten, Sie orientieren sich an dem, was für einen Minderjährigen des entsprechenden Alters nach den sozialen Anschauungen des Umfeldes altersangemessene Rechtsgeschäfte sind. Die gem. § 110 BGB erteilte Einwilligung unterscheidet sich von der bisher erörterten, für ein konkretes Rechtsgeschäft speziell erteilten Einwilligung durch folgende wichtige Besonderheit: Ihr Umfang ist beschränkt auf solche Verträge, die der beschränkt Geschäftsfähige mit den ihm dafür überlassenen Mitteln „bewirkt“, d.h. sogleich erfüllt. Bewirkt der beschränkt Geschäftsfähige die ihm obliegende Leistung demgegenüber nicht oder nur teilweise, handelt es sich also um Raten- oder Kreditverträge, so fehlt es an der gem. § 107 BGB erforderlichen Einwilligung, weil die gem. § 110 BGB erteilte Einwilligung solche Geschäfte gerade nicht erfasst. Der Vertrag ist daher in einem solchen „Kredit-Fall“ entsprechend der allgemeinen Regelung zunächst gem. § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Der zunächst schwebend unwirksame Vertrag kann in diesen Fällen sowohl dadurch wirksam werden, dass der beschränkt Geschäftsfähige seine (restlichen) vertraglichen Leistungen vollständig erbringt, als auch – wie in allen Fällen der schwebenden Unwirksamkeit gem. § 108 Abs. 1 BGB – dadurch, dass der gesetzliche Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen die Genehmigung erteilt. Die weiteren Varianten des § 110 BGB (Überlassung der Mittel zu einem bestimmten Zweck oder von einem Dritten) werfen keine besonderen Fragen auf.