Wahlfeststellung

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ist immer dann geboten, wenn sich in einem Strafverfahren nicht klären lässt, welchen von mehreren in Frage kommenden Straftatbeständen der Täter erfüllt hat.

Beispiel 1: Der Angeklagte hat sein Opfer schwer verletzt. In der Hauptverhandlung lässt sich nicht klären, ob der Angeklagte „nur“ mit Körperverletzungsvorsatz oder mit Tötungsvorsatz gehandelt hat.

Beispiel 2: Der Angeklagte ist im Besitz gestohlener Navi-Geräte festgenommen worden. In der Hauptverhandlung schweigt er. Darf er „entweder“ wegen Diebstahls „oder“ wegen Hehlerei verurteilt werden?

Hat der Täter, wie im Beispiel 1, möglicherweise eine schwerere Tat begangen (Tötungsversuch), sicher aber eine geringere, so ist er nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus dem geringeren Delikt zu bestrafen (Stufenverhältnis eines Mehr oder Weniger), also hier wegen Körperverletzung. Hat der Täter, wie in Beispiel 2, trotz Ausschöpfung aller Beweismittel und einem Ausschluss eines straflosen Tathergangs (Navi-Besitz) „entweder“ die Strafalternative A oder die Strafalternative B verwirklicht, lässt die Rechtsprechung zu, dass der Täter „entweder“ wegen Diebstahls „oder“ – wahl-weise – wegen Hehlerei verurteilt wird. Das setzt aber voraus, dass die in Betracht kommenden Straftatbestände „rechtsethisch und psychologisch“ vergleichbar oder gleich-wertig sind. Rechtsethische Vergleichbarkeit bedeutet eine in etwa gleiche Schwere der Schuld und eine am allgemeinen Rechtsempfinden orientierte in etwa gleiche sittliche und rechtliche Bewertung. Psychologische Vergleichbarkeit bedeutet eine in etwa vergleichbare innere Einstel- lung des Täters zu den wahldeutigen Verhaltensweisen. Das trifft im Beispiel 2, nicht aber im Beispiel 1 zu. Es träfe auch zu bei Mittäterschaft und Alleintäterschaft, Raub und räuberischer Erpressung, Betrug und Hehlerei, nicht aber bei Diebstahl und Betrug, Anstiftung und Täterschaft oder zwischen Vollrausch und Rauschtat.