(lat.: mores, ererbte Sitten) oder wie man auch sagen kann: die Sittlichkeit, ist im modernen Sprachgebrauch die Summe der von der Gesellschaft als verbindlich akzeptierten und eingehaltenen ethisch-sittlichen (griech.: ethos, Haltung, Sitte) Normen. Der von dem Philosophen Kant aufgestellte kategorische (griech.: unbedingt gültige, keinen Widerspruch duldende) Imperativ versuchte noch, → Recht und Moral irgendwie miteinander zu verbinden:
„Handele immer so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten können.“
Der Volksmund formuliert plastischer: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu“. (sog. „Goldene Regel“)
Der kategorische Imperativ bezieht sich also nicht direkt auf Handlungen, sondern mehr auf die Verallgemeinerungsfähigkeit subjektiver Hauptgrundsätze, Leitvorstellungen (Maxime) für das Handeln. Die Moral soll so sein, dass sie allgemeines Gesetz sein kann. Die Moral wendet sich an die innere Gesinnung, an das Gewissen, also an das Wissen von Gut und Böse – das ➞ Recht regelt das äußere Verhalten, stellt den Rahmen auf und kann Moral grundsätzlich nicht erzwingen, es sei denn, sie wird ausnahmsweise auch von Gesetzen in sog. Generalklauseln gefordert (vgl. etwa §§ 138 Abs. 1, 242, 826 BGB). Über die Begriffe von „Treu und Glauben“, „gute Sitten“ und „Verkehrssitte“ geht die Moral immer noch in das Recht ein. Das Recht ist heute der Arm der Politik, nicht mehr der Arm der Moral oder Religion. Ursprünglich gab es sicherlich in der grauen Vorzeit der „egalitären Gesellschaften“ eine Einheit von Recht, Religion, Moral und Sitte – alles war eins. Im Laufe der Weltgeschichte hin zu den „elitären Gesellschaften“ mit ihren Häuptlingen und Königen, Kurfürsten und Kirchenfürsten gingen diese Begriffe aber getrennte Wege, entfalteten und änderten ihren Charakter. Moralnormen entstehen durch Gewohnheiten, Tradition, familiäre Bräuche oder überlieferte Wertvorstellungen. Rechtsnormen sind dagegen Regeln des Staates. Beides sind Sozialnormen, wobei die auf die Erkenntnis ihrer jeweiligen Grundlagen gerichteten Disziplinen zum einen die Ethik, zum anderen die Rechtsphilosophie sind. Beide können sich decken, müssen es aber nicht; zutreffend ist das Bild von zwei sich überschneidenden Kreisen. Die Rechtsnormen decken unter der Voraussetzung größtmöglicher Freiheit vom Staat durch ihren Rechtsgüterschutz nur das „ethische Minimum“ ab, während die Moralnormen mit ihren Geboten der Nächstenliebe, Opferbereitschaft und Barmherzigkeit ein anspruchsvolleres „ethisches Maximum“ verlangen.
- Kann ein Staat ohne die auf dem Rückzug befindliche Religion bestehen, die die soziale Ordnung über Jahrhunderte mit übernatürlichen Hoffnungen und Ängsten untermauerte (Himmel–Hölle–Prinzip)?
- Kann die Moral aufrecht erhalten werden ohne den Glauben an einen göttlichen Ursprung der Moralgesetze und an einen allmächtigen Gott, der alles sieht, der belohnt und rächt?
- Reicht für die Moral die Gewohnheit aus, in Übereinstimmung mit der Vernunft zu handeln? Und wer, die Gesellschaft oder das Individuum, soll darüber entscheiden, was vernünftig“ ist?
- Kommt es zu einer großen Kraftprobe zwischen der Durchführung und der Umgehung der Gesetze? Wird die Vernunft nur noch berechnen, wie groß die Aussichten auf Entdeckung sind? Dominiert bald nur noch die Eigenliebe die bewussten Handlungen und Haltungen.
Das sind nur einige der Fragen, vor denen die ➞ Rechtsphilosophie und die Ethik heute stehen.