Erfüllung

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eines [[Schuldverhältnisses tritt ein, wenn der richtige Schuldner an den richtigen Gläubiger die richtige Leistung am richtigen Ort zur richtigen Zeit vollständig erbringt. Richtiger Schuldner: Das ist grundsätzlich der vertragliche oder gesetzliche Schuldner. Da es aber dem Gläubiger egal ist, wer den Leistungserfolg herbeiführt, ist er meist an der Person des Schuldners nicht interessiert. Deshalb bestimmt § 267 BGB, dass auch ein Dritter zahlen kann, also der Enkel für den Opa oder der Freund für den Freund, es sei denn, der Schuldner hat höchstpersönliche Leistungen in Person zu erbringen, wie z.B. der Chefarzt bei einer OP, der Maler eines Portraits oder der Butler Johann. Gem. § 267 Abs. 2 BGB kann der Gläubiger ablehnen, wenn der Schuldner der Leistung des Dritten widerspricht, muss er aber nicht. Erfüllung tritt trotz Widerspruchs ein.

Richtiger Gläubiger: Das ist grundsätzlich der vertragliche oder gesetzliche Gläubiger. Aber Vorsicht! Es kann ein Forderungsinhaberwechsel kraft Gesetzes, § 1922 BGB oder durch Abtretung, § 398 S. 1 BGB eintreten. Es kann auch eine Inkassozession vorgenommen worden sein, dann ist eine Teilrechtsübertragung ausschließlich zum Zwecke der Einziehung eines eigenen Rechts im eigenen Namen erfolgt oder eine Inkassovollmacht erteilt worden an einen Vertreter, der dann im fremden Namen des Gläubigers ein fremdes Recht einzieht oder schließlich eine Einziehungsermächtigung gem. §§ 362 Abs. 2, 185 BGB als Verfügung eines Nichtberechtigten, die wegen der Einwilligung wirksam ist, gewollt sein.

Richtige Leistung ist grundsätzlich die geschuldete Leistung. Auch hier ist Vorsicht geboten! Was ist bei Geldzahlungen die „geschuldete“ Leistung? Bargeld oder Buchgeld? Käufer K überweist am Fälligkeitstag 1000 € von Konto zu Konto. Zwar ging der BGB-Gesetzgeber von Barzahlung aus, in der Welt des bargeldlosen Verkehrs ist Buchgeld aber gleich Bargeld. Also ist Buchgeld heute die richtige Leistung. – K hat weder Bar- noch Buchgeld, deshalb vereinbart er mit Gläubiger G: „Nimm meine Rolex statt der 1000 €.“ Das Eigentum an der Rolex ist eine andere als die geschuldete Leistung, ist dennoch die Schuld gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen? Nein, aber vielleicht gem. §§ 433 Abs. 2, 364 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB? Mit der Vereinbarung über die Annahme einer „anderen“ als der geschuldeten Leistung erlischt das Schuldverhältnis. Man nennt das Leistung an Erfüllungs statt, §§ 364 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB – K hat weder Bar- noch Buchgeld noch eine Rolex. „Ich arbeite bei Dir, Gläubiger, für die 1000 €-Schuld zwei Monate als Gärtner“. G sagt: „Ok!“ Lösung? § 362 Abs. 1 BGB nein, eine Dienstleistung ist nicht die geschuldete Leistung. Leistung an Erfüllungs statt gem. §§ 364 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB? Zweifelhaft, denn G hat kein eigenes Interesse, dass das Schuldverhältnis aus § 433 Abs. 2 BGB mit der Eingehung einer neuen Verbindlichkeit aus § 611 BGB erlischt, weil das Risiko besteht, dass K als Gärtner schlecht oder gar nicht arbeitet. Die Dienste sollen also nicht sofort die Zahlung ersetzen. Die Lösung erfolgt über § 364 Abs. 2 BGB, der bestimmt, dass die Eingehung einer neuen Verbindlichkeit „im Zweifel“ kein Fall des § 364 Abs. 1 BGB ist. Was aber denn? Kompliziertes Konstrukt: 1. Die Altforderung aus § 433 Abs. 2 bleibt zunächst bestehen, also kein Fall von § 364 Abs. 1, es sei denn, K und G hätten ausdrücklich § 364 Abs. 1 BGB vereinbart. 2. Zwischen K und G wird eine Neuforderung aus § 611 BGB über eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit vereinbart. 3. Gem. §§ 311, 241 verpflichtet sich G, zunächst die Beitreibung aus der Neuforderung zu versuchen. Folge? Altforderung bleibt bestehen, ist aber gestundet (Stundung) und kann erst realisiert werden, wenn der Versuch aus Neuforderung fehlschlägt. Beide Forderungen (§§ 433 Abs. 2, 611 BGB) erlöschen gleichzeitig mit der Befriedigung aus der Neuforderung. Man nennt diese Rechtsfigur „Leistung erfüllungshalber“ („halber“ altdeutsch: wegen).

Beispiel: B schuldet A 10.000 € aus Kauf. Am Fälligkeitstag erklärt B, er könnte nicht zahlen, trete aber A seine 12.000 €-Forderung aus Darlehn gegen C „zur Tilgung“ ab. Als A von C Zahlung verlangt, hat sich C auf die Bahamas abgesetzt. A will von B jetzt Zahlung. B erklärt: „Pech gehabt, mein lieber A, Dein Risiko!“

Lösung: A gegen B: § 433 Abs. 2 BGB auf 10.000 €. § 362 Abs. 1 BGB nein, falsche Leistung, da abgetretene Forderung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB weder Bar- noch Buchgeld ist. Aber: § 364 Abs. 1 oder § 364 Abs. 2 BGB? Was ist „im Zweifel“ gewollt? Auslegung über §§ 133, 157 BGB ergibt, dass A seine Altforderung behalten und nicht durch die Abtretung einer (schlechten) Neuforderung ersetzen will. Also § 364 Abs. 2 BGB: Leistung erfüllungshalber; Altforderung über §§ 311, 241 gestundet, Erfüllung aus §§ 398 S. 2, 488 Abs. 1 S. 2 BGB schlägt fehl, Altforderung lebt auf: § 433 Abs. 2 BGB ist schlüssig.

Am richtigen Ort. Zahlungsort bei Geldschulden ist „im Zweifel“ der Wohnsitz des Schuldners z.Zt. der Entstehung des Schuldverhältnisses. Der S ist aber verpflichtet, das Geld als Bringschuld dem Gläubiger zu übermitteln, trägt also die Gefahr der Übermittlung und Verzögerung. Im Übrigen gilt § 263 BGB für andere als Geldschulden.

Zur richtigen Zeit. Bei der Leistungszeit sind die Begriffe der Fälligkeit und Erfüllbarkeit zu unterscheiden. Der Regelfall ist, dass die Forderung gleichzeitig fällig und erfüllbar wird, gem. § 271 Abs. 1 BGB „sofort“. Die Parteien können aber die Leistungszeit über die Stundung und Betagung vereinbaren.

Vollständig

Beispiel: Gl hat zwei Forderungen gegen S: Die eine resultiert aus einem Kauf über 5000 €, die andere aus einem Darlehn in gleicher Höhe. Gl droht mit Klage, woraufhin S 5000 € an Gl überweist. Gl verklagt nunmehr S in Höhe von 5000 € aus dem Kauf. S wendet ein: „Gerade diese Forderung habe ich doch mit meiner Zahlung getilgt!“ S hatte nicht angegeben, auf welche Forderung verrechnet werden sollte.

Wenn die Leistungen nicht ausreichen, gibt § 366 BGB eine Tilgungsreihenfolge vor. § 366 Abs. 2 BGB ist eine Demonstration für die Brillanz des BGB-Gesetzgebers. Also: Liegen mehrere Schuldverhältnisse vor, besteht die Verpflichtung zu gleichartigen Leistungen – meist Geld – und reicht das Geleistete zur Tilgung sämtlicher Forderungen nicht aus, so gilt folgende Tilgungsreihenfolge: Bestimmung durch den Schuldner, § 366 Abs. 1 BGB Es liegt keine solche Bestimmung vor, § 366 Abs. 2 BGB: Tilgung der fälligen (§ 271 BGB) Tilgung der für den Gl weniger sicheren, z.B. eine durch Bürgschaft gesicherte, die andere nicht, die eine verjährt früher als die andere, die eine ist tituliert, die andere nicht – Tilgung der für den S lästigeren Forderung, z.B. die eine verlangt höhere Zinsen als die andere, die eine hat eine Vertragsstrafen-klausel, die andere nicht – Tilgung nach der Entstehungszeit, ältere geht vor Trifft das alles nicht zu, … dann verhältnismäßige Tilgung.