Schuldverhältnis

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ist eine Rechtsbeziehung zwischen zwei Personen, auf Grund derer die eine, der Gläubiger, von der anderen, dem Schuldner, eine Leistung zu fordern berechtigt ist, § 241 BGB. Aus dem Schuldverhältnis ergibt sich das Recht des Gläubigers auf die Leistung, die Forderung; ihr entspricht als Kehrseite die Leistungspflicht des Schuldners, die Schuld. Durch das Schuldverhältnis werden grundsätzlich nur die an ihm Beteiligten berechtigt und verpflichtet (Relativität der Schuldverhältnisse). Der Teil des Privatrechts, der im 2. Buch des BGB die Schuldverhältnisse behandelt, ordnet einen wichtigen Bereich des sozialen Lebens. Er regelt vorwiegend die Verpflichtung zur Erbringung von Sachleistungen (Kauf, Tausch, Schenkung), zur zeitweiligen Sachüberlassung (Miete, Pacht, Leihe, Darlehen), zur Erbringung von Dienstleistungen im weitesten Sinne (Dienst-, Werk-, Reise-, Geschäftsbesorgungsvertrag), ferner Sicherungsgeschäfte (Bürgschaft, Garantievertrag, Schuldmitübernahme) und sonstige Verpflichtungsgeschäfte.

Schuldverhältnisse entstehen außer durch Vertrag auch aufgrund Gesetzes (§§ 812 ff., 823 ff., 677 BGB). Deshalb gibt es zwei Arten von Schuldverhältnissen:

1. Die typischen rechtsgeschäftlichen, d.h. durch Vertrag begründeten Schuldverhältnisse. Solche Sonder-Rechtsbeziehungen zwischen dem „Bürger Gläubiger“ und dem „Bürger Schuldner“ können durch Vertrag begründet werden, indem sich der Bürger freiwillig zu einer bestimmten Leistung (Schuld) verpflichtet, z.B. durch Abschluss eines Kaufvertrages (s. § 433 BGB). Bei den rechtsgeschäftlichen, also vertraglichen Schuldverhältnissen lassen sich grob fünf Vertragstypen unterscheiden: Umsatzverträge, d.h. Verträge, bei denen eine Sache oder ein Recht aus dem Vermögen des Schuldners in das Vermögen des Gläubigers endgültig übertragen werden soll. Sie bereiten also den Umsatz an Waren vor, der sich dann auf abstrakter sachenrechtlicher Ebene (§§ 929, 873 Abs. 1, 398 BGB) vollzieht. (Abstraktionsprinzip) - Kauf, §§ 433-479 BGB mit Sondervorschriften für den Handelskauf im HGB - Tausch, § 480 BGB - Schenkung, §§ 516-534 BGB Gebrauchsüberlassungsverträge, d.h. Ver-träge, bei denen dem Gläubiger vom Schuldner der Gebrauch oder die Nutzung von Sachen, Rechten oder Geld zeitweilig überlassen werden soll. - Miete, §§ 535-580 a BGB - Pacht, §§ 581-597 BGB - Leihe, §§ 598-606 BGB Geld-Darlehen, §§ 488-507 BGB Sach-Darlehen, §§ 607-609 BGB Tätigkeitsverträge, d.h. Verträge, bei denen der Schuldner dem Gläubiger seine Arbeitskraft (in der Regel gegen Entgelt) zur Verfügung stellen will. - Dienstvertrag (Arbeitsvertrag), §§ 611-630 BGB - Werkvertrag, §§ 631-651 BGB - Reisevertrag, §§ 651a-651m BGB - Maklervertrag, §§ 652-656 BGB - Auftrag, §§ 662-674 BGB Verwahrung, §§ 688-700 BGB Gesellschaftsverträge, d.h. Verträge, bei denen sich mehrere Personen zusammenschließen und durch gemeinsames Handeln, ggf. auch durch Einsatz gemeinsamer Mittel, einen bestimmten gemeinsamen Zweck erreichen wollen. - So die BGB-Gesellschaft, §§ 705-740 BGB, die für alle Personenzusammenschlüsse die Grundform darstellt. - Auf ihr aufbauend die beiden Personenhandelsgesellschaften des HGB: OHG (of- fene Handelsgesellschaft) und KG (Kommanditgesellschaft). - Davon zu unterscheiden ist die Bruch-teilsgemeinschaft, § 741 ff. BGB. Verträge über die Sicherung und Bestärkung einer Schuld, d.h. Verträge, die an einen bereits vorhandenen Zahlungsanspruch anknüpfen und diesen sichern oder einen Streit über die Existenz des Anspruchs vermeiden wollen. - Bürgschaft, §§ 765-778 BGB - Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis, §§ 780-782 BGB

2. Die sog. gesetzlichen Schuldverhältnisse. Bei den gesetzlichen Schuldverhältnissen war Ausgangspunkt der gesetzgeberischen Überlegung, dass schuldrechtliche Beziehungen nicht allein durch Verträge begründet werden können, sondern es auch möglich ist, unabhängig von irgendwelchen Willensentschließungen allein durch die Verwirklichung bestimmter gesetzlicher Tatbestandsmerkmale Ansprüche zu begründen. Das Gesetz stellt drei solcher gesetzlichen Schuldverhältnisse zur Verfügung (abgesehen von § 987 ff. BGB, dem Schuldverhältnis im Sachenrecht).  Unerlaubte Handlungen, §§ 823-853 BGB Diese Bestimmungen stellen darauf ab, dass einer Person in rechtswidriger Weise meist vorsätzlich oder fahrlässig Schaden zugefügt worden ist, und wollen einen Ausgleich dieses Schadens herbeiführen. Das System des „Deliktsrechts“ ist zunächst recht einfach zu durchschauen. Am Anfang nimmt das Gesetz eine Aufstellung einzelner, mehr oder weniger festumschriebener Tatbestände der unerlaubten Handlungen vor (§§ 823-825 BGB; 831-839 BGB). Daneben stellt es eine allgemeine Regel in § 826 BGB auf (Generalklausel). Die Verantwortlichkeit des Täters beruht bei § 826 BGB darauf, dass er vorsätzlich, d.h. wissentlich und willentlich, einem anderen Schaden zugefügt hat und dabei gegen die guten Sitten (Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden) verstoßen hat. Der Nachteil dieser generellen Anspruchsgrundlage für den Geschädigten liegt auf der Hand: Er muss den Vorsatz nachweisen. Besser gestellt ist der Geschädigte daher durch die Anspruchsgrundlagen der einzelnen Deliktstatbestände, wie z.B. bei § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB, bei denen bereits fahrlässiges Handeln (§ 276 BGB) zur Verantwortlichkeit des Täters führt. Noch besser gestellt ist der Geschädigte in den Fällen, in denen der Gesetzgeber die Schadenersatzpflicht ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Täters allein aufgrund der Tatsache eintreten lässt, dass jemand die wirtschaftliche Verantwortung für mögliche Schadensfolgen eines gefährlichen Zustandes oder einer erlaubten aber gefährlichen Tätigkeit tragen muss, wie bei § 833 BGB, der Tierhalterhaftung, oder bei dem heute wichtigsten Fall der Gefährdungshaftung, der des Kraftfahrzeughalters gem. § 7 StVG (sog. Gefährdungshaftung, d.h. Haftung ohne Verschulden). Ungerechtfertigte Bereicherung In § 812 ff. BGB ist ein gesetzliches Schuldverhältnis geregelt, das ungerechtfertigte Vermögenszuwächse rückgängig machen soll, d.h. dem wieder zukommen lassen will, dem der Vermögensvorteil von Rechts wegen gebührt. Die Systematik dieser gesetzlichen Regelung ist kompliziert, sei hier aber schon einmal angedeutet: Die Bereicherung kann entweder auf der „Leistung“ eines anderen beruhen, d.h., dass eine bewusste und zweckgerichtete Handlung des Gläubigers des § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB zur Vermehrung des Vermögens des Schuldners geführt hat, ohne dass ein Rechtsgrund (Vertrag) bestand. Oder sie kann in „sonstiger Weise“ auf Kosten des Gläubigers des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB erfolgt sein (Max schmuggelt sich ins Kino). Daneben gibt es Fälle, in denen z.B. Max fremde Sachen unterschlagen und an gutgläubige Dritte weiterveräußert hat (§§ 929, 932 BGB). Dann muss der Eigentümer (Berechtigter), der durch die Verfügung des Nichtberechtigten (Max) eine Einbuße erlitten hat, das durch die Verfügung Erlangte herausverlangen können, so geschehen in § 816 Abs. 1 BGB. Die Problematik des Bereicherungsrechts liegt häufig im Inhalt und Umfang des Bereicherungsanspruchs (§§ 818 Abs. 2 und 3, 819 BGB). Geschäftsführung ohne Auftrag Ein drittes gesetzliches Schuldverhältnis erfasst Lebenssituationen, in denen jemand im Interessenbereich eines anderen tätig wird, ohne hierzu aufgrund eines Vertrages oder einer gesetzlichen Regelung, etwa elterlicher Sorge oder Betreuung, verpflichtet oder berechtigt zu sein. Grundsätzlich darf man sich nämlich in fremde Angelegenheiten nicht einmischen, ohne Schadenersatzansprüche zu riskieren (vgl. § 678 BGB). Man kann aber auch für einen anderen tätig werden, um ihm zu helfen, um sich im wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen um seine Interessen zu kümmern. Besorgt man also ein Geschäft für einen anderen in dessen Interesse, ohne von ihm beauftragt zu sein, so nennt man dieses dadurch begründete Schuldverhältnis Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. § 677 ff. BGB). Beispiel: Nehmen Sie an, Max findet auf seiner Nachhausefahrt den durch einen Verkehrsunfall schwer verletzten Otto, der bewusstlos in seinem Pkw liegt. Max bringt ihn ins Krankenhaus, wodurch seine Polster im Wagen durch Blut verschmutzt werden. Gem. §§ 683, 670 BGB (die Geschäftsführung ohne Auftrag ist in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung sehr stark dem Auftragsrecht angenähert) könnte Max von Otto daher Ersatz der Reinigungskosten verlangen.