Geschäftsführung ohne Auftrag

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Erfasst als gesetzliches Schuldverhältnis Lebenssituationen, in denen jemand im Interessenbereich eines anderen tätig wird, ohne hierzu aufgrund eines Vertrages oder einer gesetzlichen Regelung, etwa elterlicher Sorge oder Betreuung, verpflichtet und berechtigt zu sein. Grundsätzlich darf man sich nämlich in fremde Angelegenheiten nicht einmischen, ohne Schadenersatzansprüche zu riskieren (vgl. § 678 BGB). Man kann aber auch für einen anderen tätig werden, um ihm zu helfen oder um sich im wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen um seine Interessen zu kümmern. Besorgt man also ein Geschäft für einen anderen in dessen Interesse, ohne von ihm beauftragt zu sein, so nennt man dieses dadurch begründete Schuldverhältnis „Geschäftsführung ohne Auftrag“ (vgl. § 677 ff. BGB).

Beispiel: Nehmen Sie an, Max findet auf seiner Nachhausefahrt den durch einen Verkehrsunfall schwer verletzten Otto, der bewusstlos in seinem Pkw liegt. Max bringt ihn ins Krankenhaus, wodurch seine Polster im Wagen durch Blut verschmutzt werden. Gem. §§ 683, 670 BGB (die Geschäftsführung ohne Auftrag ist in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung sehr stark dem Auftragsrecht angenähert) könnte Max von Otto daher Ersatz der Reinigungskosten verlangen.


Geschäftsunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Rechtsgeschäfte vornehmen zu können. So sind Kinder unter 7 Jahren und dauernd Geisteskranke gem. § 104 Nr. 1 und Nr. 2 BGB geschäftsunfähig. Dagegen sind Personen, die sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befinden (Rausch), nicht geschäftsunfähig, ihre Willenserklärungen sind aber in diesem Zustand gem. § 105 Abs. 2 BGB nichtig. Geschäftsunfähig ist nach dieser Vorschrift also auch der Volljährige unter folgenden Voraussetzungen: Er muss sich gerade bei der Abgabe seiner Willenserklärung in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, der seine freie Willensbestimmung ausschließt und seiner Natur nach nicht nur vorübergehend ist. Die missverständliche Formulierung des § 104 Ziff. 2 BGB stellt also zwei Voraussetzungen auf: ● Der Betroffene muss zum einen an einem dauerhaften Krankheitszustand leiden, und zum anderen muss – was nicht selbstverständlich ist – ● seine Erkenntnisfähigkeit gerade im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung aufgrund dieser Krankheit ausgeschlossen gewesen sein.

Beispiel: Ist jemand dauerhaft manisch-depressiv erkrankt, so ist er nur in solchen Phasen der Erkrankung geschäftsunfähig, in denen er krankheitsbedingt die Tragweite seiner Erklärungen nicht erkennen kann. Befindet er sich demgegenüber in einer Phase geistiger Klarheit, sog. lucidum inter-vallum (lat.: lichter Augenblick), so ist er voll geschäftsfähig.

Voraussetzung der Geschäftsunfähigkeit ist in diesen Fällen also immer, dass der Betreffende (wie der manisch-depressive Mensch) auf Dauer erkrankt ist. Handelt es sich bei der krankhaften Beeinträchtigung der Geistestätigkeit demgegenüber lediglich um einen vorübergehenden Zustand, so kommt eine Geschäftsunfähigkeit überhaupt nicht in Betracht (§ 104 Ziff. 2 a.E. BGB). Unter den Voraussetzungen des § 104 Ziff. 2 BGB ist ein Mensch selbstverständlich auch dann geschäftsunfähig, wenn er zwischen sieben und 18 Jahre alt ist, also ohne die Krankheit nur beschränkt geschäftsfähig wäre. Gibt ein Geschäftsunfähiger eine Willenserklärung ab, so ist diese gem. § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Der Gesetzgeber gibt diesem Personenkreis mit dieser Rechtsfolge den besten juristischen Schutz, den er überhaupt geben kann: Seine Willenserklärungen lösen, egal ob vorteilhaft oder nachteilhaft, keine Rechtsfolgen aus. Punktum! Durch diese gesetzliche Regelung wird die Richtigkeit der Definition der Geschäftsfähigkeit („Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam abzuschließen“) bestätigt. Jede andere Rechtsfolge wäre mit ihr nicht vereinbar. Wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung nicht von, sondern gegenüber einem Geschäftsunfähigen abgegeben, so greift die Regelung des § 131 Abs. 1 BGB ein: Die Willenserklärung ist nicht etwa auch unwirksam, sie wird aber erst wirksam mit Zugang bei dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen. Der Geschäftsunfähige wird also mit dem bestmöglichen juristischen „Rundumschutz“ versehen: Von ihm geht nichts ab (§ 105 Abs. 1 BGB) und ihm geht nichts zu (§ 131 Abs. 1 BGB). Wer geschäftsunfähig ist, hat im Regelfall (Ausnahmen sind im Falle des § 104 Ziff. 2 BGB denkbar) einen gesetzlichen Vertreter, der an seiner Stelle und mit Wirkung für ihn am Rechtsverkehr teilnimmt. (Stellvertretung) Bei Kindern sind das regelmäßig gem. § 1629 Abs. 1 BGB i.V. mit § 1626 Abs. 1 BGB die Eltern. In besonderen Fällen tritt an ihre Stelle gem. § 1793 BGB ein Vormund. Diese Regelung reicht zum Schutze der Geschäftsunfähigen aus: Wird nämlich die Willenserklärung erst mit Zugang bei dem gesetzlichen Vertreter wirksam, so kann dieser, wie jeder andere voll Geschäftsfähige, der am Rechtsleben teilnimmt, auch frei entscheiden, ob er – allerdings mit Wirkung für den von ihm vertretenen Geschäftsunfähigen – auf die Willenserklärung eingehen soll oder nicht, also z.B. ein in ihr enthaltenes Vertragsangebot annimmt oder ablehnt. Die einschneidendere Rechtsfolge der völligen Nichtigkeit der Willenserklärung, wie sie § 105 Abs. 1 BGB für die durch den Geschäftsunfähigen abgegebene Willenserklärung anordnet, gebietet der Schutz des Geschäftsunfähigen beim Wirksamwerden durch Zugang also nicht. Zu untersuchen bleibt die Frage der Wirksamkeit von Willenserklärungen von und gegenüber den Personen, die sich in dem in § 104 Ziff. 2 1. Hs BGB beschriebenen Zustand befinden, wenn dieser seiner Natur nach nur ein vorübergehender ist.

Beispiele: a. Student Felix hat im Lotto gewonnen und dies zum Anlass einer ausgedehnten Zechtour genommen. Anschließend trifft er in volltrunkenem Zustand seine Kommilitonin Lydia und drückt ihr sein Portemonnaie mit den Worten in die Hand: „Ich schenke Dir alles.“ Wird Lydia durch die Annahme des Geldes dessen Eigentümerin?

b. In seinem möblierten Zimmer in Bad Münstereifel angekommen, ist Felix etwas laut. Empört ruft daraufhin seine Wirtin Sofie aus dem ersten Stock: „Ich kündige Ihnen zum Ersten des nächsten Monats!“ Muss Felix am nächsten Ersten ausziehen? c. Wie ist im Fall b. zu entscheiden, wenn Sofie am nächsten Morgen, während Felix immer noch sinnlos betrunken ist, ein Kündigungsschreiben in dessen Briefkasten einwirft?

Zu Beispiel a.: Gibt jemand im Zustande der Bewusstlosigkeit (Traum, Narkose, Ohnmacht) oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (Alkohol, Drogen) eine Willenserklärung ab, so ist diese gem. § 105 Abs. 2 BGB nichtig. Dazu ist nicht erforderlich, dass der Betreffende geschäftsunfähig ist. Mit dieser gesetzlichen Regelung sind die im ersten Halbsatz des § 104 Ziff. 2 BGB beschriebenen Zustände erfasst, die wegen vorübergehender Natur nicht zur Geschäftsunfähigkeit führen.

Zu Beispiel b.: Eine entsprechende Regelung fehlt für den Fall, dass eine Willenserklärung gegenüber dem Betroffenen abgegeben wird. Dies führt zur Anwendung der allgemeinen Regeln des § 130 BGB. Danach wird die empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden wirksam, wenn dieser sie wahrnehmen kann. Hier ist die Kündigung daher nicht wirksam geworden, weil Felix in seinem volltrunkenen Zustand die Bedeutung der Worte nicht aufnehmen konnte.

Zu Beispiel c.: Hier ist die Kündigung gegenüber dem abwesenden Felix erklärt worden. Sie wird demnach nicht (erst) mit ihrer Wahrnehmung durch Felix, sondern gem. § 130 Abs. 1 BGB bereits mit Zugang bei ihm wirksam. Für den Zugang ist es aber mangels weiterer gesetzlicher Regelung nicht erforderlich, dass der Empfänger sich gerade physisch oder psychisch in der Lage befindet, den Sinn der Erklärung aufzunehmen. Dies bedeutet, dass die schriftliche Kündigung – wie in allen Fällen des § 130 Abs. 1 BGB – in dem Zeitpunkt wirksam geworden ist, in dem sie in den Machtbereich des Felix gelangt ist und er bei normalem Verlauf der Dinge von ihr Kenntnis nehmen konnte, also spätestens in dem Zeitpunkt, in dem regelmäßig die Post zugestellt wird.

Ob der in § 104 Ziff. 2 1. Halbsatz BGB beschriebene Zustand vorübergehender oder dauerhafter Natur ist, hat also nur für die Frage des Wirksamwerdens von Willenserklärungen gegenüber dem Betroffenen praktische Auswirkungen; bei der Abgabe tritt in beiden Fällen Nichtigkeit ein, § 105 Abs. 1 BGB oder § 105 Abs. 2 BGB.