Grundrechte

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sind all die in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, bestimmten Normen, die das Verhältnis des einzelnen Menschen zum Staat für beide verbindlich regeln. Diese die Staatsgewalt gem. Art. 1 Abs. 3 GG als unmittelbares Recht bindenden Normen bilden mit dem übrigen Verfassungsrecht die Spitze der Rechtsordnung unseres Staates und gehen den einfachen Gesetzen als höherrangiges Recht vor. Sie sind primär dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen des Staates zu sichern, beinhalten gegenüber dem Staat aber nicht nur Abwehrrechte, sondern können ihm gegenüber auch Ansprüche begründen als: Leistungsrechte (z.B. Anspruch des nasciturus aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 1. Alt. GG auf strafrechtlichen Schutz seines ungeborenen Lebens), Mitwirkungsrechte (z.B. Anspruch aller Deutschen aus Art. 8 GG auf Teilnahme an friedlichen und unbewaffneten Demonstrationen) und Verfahrensrechte (z.B. Anspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes). Ein weiteres Wesen der Grundrechte besteht darin, dass sie den Bestand bestimmter Rechtseinrichtungen gewährleisten, sog. „Institutsgarantie“ der Grundrechte. In diesen Fällen ist der Staat verpflichtet, solche Einrichtungen zu schaffen und zu erhalten sowie Gesetze zu erlassen, damit von diesen Rechtseinrichtungen Gebrauch gemacht werden kann. (Rechtsphilosophie) Beispiele: Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet den Bestand von Ehe und Familie Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur dem Einzelnen das Recht, eine Privatschule zu errichten, sondern garantiert zugleich, dass die Rechtseinrichtung „Privatschule“ als solche nicht abgeschafft werden darf Art. 14 Abs. 1 GG: garantiert Eigentum und Erbrecht

1. Adressaten der Grundrechte Direkte Grundrechtsadressaten sind der Staat und seine Träger der öffentlichen Gewalt, vorrangig die Exekutive, ferner der Gesetzgeber und die Rechtsprechung, überwacht durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Den Bürgern und den inländischen juristischen Personen des Privatrechts dienen die Grundrechte vorrangig zum Schutz vor staatlichen Eingriffen als Schutz- und Abwehrrechte. Bereits Wortlaut und Systematik des Grundrechtsabschnitts weisen hierauf hin, so in Art. 1 GG „Bindung aller öffentlichen Gewalt“, ferner in Art. 3 Abs. 1 GG „Gleichheit vor dem Gesetz“. Zudem zeigt sich der Schutzcharakter in dem gem. Art. 19 Abs. 4 GG garantierten gerichtlichen Rechtsschutz gegen öffentliche Gewalt, in der Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und in der Schadenersatzpflicht gem. Art. 34 GG.

2. Die Grundrechtsfähigkeit Dies ist die Fähigkeit natürlicher oder juristischer Personen, Träger von Grundrechten zu sein. Die Grundrechtsfähigkeit natürlicher Personen beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod. Aber auch das werdende Leben, der sog. Nasciturus (lat.: nasci, geboren werden), kann bereits grundrechtsfähig sein im Hinblick auf das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Die Grundrechte stehen Privatpersonen und ebenso inländischen – nicht ausländischen – juristischen Personen zu (Art. 19 Abs. 3 GG). Bei der Grundrechtsfähigkeit wird nach dem Grundgesetz unterschieden zwischen den Menschenrechten und den Bürger- bzw. Deutschenrechten. Die Menschenrechte sind Grundrechte, die für alle Menschen, für Deutsche und auch Ausländer, gelten, so z.B: Art. 2 Abs. 1 und 2 GG: „Jeder hat das Recht ...“ Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind ...“ Art. 3 Abs. 3 GG: „Niemand darf ... benachteiligt ...“.

Die Bürger-/Deutschenrechte stehen dagegen in vollem Umfang ausschließlich Deutschen i.S.v. Art. 116 GG zu, so z.B.: Art. 8 GG Versammlungsfreiheit Art. 9 Abs. 1 GG Vereinigungsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG Berufsfreiheit, ferner das Wahlrecht, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, da die Staatsgewalt vom deutschen Volk ausgeht, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG. Für Ausländer gelten die sog. Deutschenrechte nur eingeschränkt aufgrund der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit. Das soll nach einer Meinung auch für EU-Bürger gelten, während diese nach richtiger Auffassung den vollen Schutz über Art. 12 EG-Vertrag genießen.

3. Wirkung der Grundrechte Gewährt das GG auch vorrangig Schutz gegenüber staatlichen Eingriffen, so strahlen die Grundrechte doch als Wertordnung auf das gesamte Recht aus. Entgegen der Lehre von einer unmittelbaren Drittwirkung, die eine direkte Anwendbarkeit der Grundrechte nicht nur für die öffentliche Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG), sondern mit Wirkung direkter Ge- und Verbotsnormen in Privatrechtsbeziehungen bejahte, entfalten die Grundrechte nach heute herrschender Meinung keine direkte Wirkung zwischen Privatpersonen. Vielmehr gelten sie hier nur mittelbar über die Generalklauseln des Privatrechts, wie §§ 138, 242, 315 Abs. 3 BGB. Ausgehend von Wortlaut, Systematik, Geschichte und teleo- logischer Funktion des Art. 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG werden danach Privatpersonen nicht als Adressaten der Grundrechte angesehen, sondern nur die staatliche Gewalt, nämlich die Gesetzgebung (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG), die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Begründet wird dies damit, dass die Billigung einer absoluten Wirkung der Grundrechte zu einer Zerstörung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) als einer der obersten Konstitutionsprinzipien unserer Rechtsordnung (Art. 1 Abs. 1 GG) führe. Dem entgegen wird argumentiert, die Grundrechte des Einzelnen könnten nicht nur durch die öffentliche Gewalt, sondern ebenso im Privatrecht durch Inhaber privater-sozialer Macht beeinträchtigt werden, und dem Privaten könne nicht erlaubt sein, was dem Staat nach Art. 1 Abs. 3 GG verboten sei. Dem ist insofern zuzustimmen als die Grundrechte ein Wertsystem, eine objektive Wertordnung verkörpern, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts verbindlich ist. Da die Grundrechte aber in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind, kann nur eine eingeschränkte Grundrechtsbindung angenommen werden. Der Rechtsgehalt der Grundrechte entfaltet sich aber – so das BVerfG – im bürgerlichen Recht mittelbar durch die privatrechtlichen Vorschriften“, insbesondere durch die „wertausfüllungsfähigen und wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln“ und die sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts auszulegen seien. Kollidieren die wechselseitigen Grundrechte der Vertragsparteien, so hat – so das BVerfG - eine Abwägung gegeneinander zu erfolgen nach den Grundsätzen des „schonendsten Ausgleichs“ bzw. der „praktischen Konkordanz“.

4. Die einzelnen Grundrechte Die Grundrechte sind, je nach Art des garantierten Rechts, zu unterscheiden nach Freiheitsrechten, Gleichheitsrechten und Justizgrundrechten.

Wichtige Freiheitsrechte enthalten: Art. 2 GG Allgemeine Handlungsfreiheit/Allgemeines Persönlichkeitsrecht Art. 4 GG Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit Art. 5 GG Meinungs- und Pressefreiheit, Informationsfreiheit Art. 6 GG Ehe und Familie/El-ternrechte Art. 8 GG Versammlungsfreiheit Art. 9 GG Vereinigungsfreiheit Art. 10 GG Brief-, Post- und Fern-meldegeheimnis Art. 11 GG Freizügigkeit Art. 12 GG Berufsfreiheit Art. 13 GG Unverletzlichkeit der Wohnung Art. 14 GG Eigentum und Erbrecht Eigentumsgarantie

Die Gleichheitsrechte Sie gewährleisten, dass der Bürger im Verhältnis zu seinen Mitbürgern durch die staatlichen Organe nur aus sachlichem Grund ungleich oder gleich behandelt werden darf. Hier sind folgende Artikel insbesondere zu benennen: Art. 3 GG Allgemeiner und besonderer Gleichheitssatz Art. 6 Abs. 5 GG Gleichstellung der nicht-ehelichen Kinder Art. 33 GG Staatsbürgerliche Gleichstellung.

Die Justizgrundrechte Sie geben dem Einzelnen die Möglichkeit, seine ihm zustehenden persönlichen Rechte gegenüber dem Staat durchzusetzen und garantieren zugleich die Art und Weise gerichtlicher oder sonstiger Verfahren. Hierzu zählen z.B.: Art. 19 Abs. 4 GG Recht auf effektiven Rechtsschutz Art. 101 GG Recht auf den gesetzlichen Richter Art. 103 GG Grundrechte vor Gericht.

5. Grundrechtsschranken Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts bedeutet zwar eine Verletzung des Grundrechts. Dies gilt aber nicht ausnahmslos für jeden Eingriff. Die Grundrechte unterliegen nämlich verschiedenen Einschränkungsmöglichkeiten: Gesetzesvorbehalt Die Möglichkeit der Einschränkung wird dem Gesetzgeber durch das Grundrecht selbst eingeräumt („kann dieses Recht durch oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden“), einfacher Gesetzesvorbehalt. Darüber hinaus gibt es im GG den besonderen, qualifizierten Gesetzesvorbehalt, der an ein einschränkendes Gesetz bestimmte Anforderungen stellt, z.B. allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, Jugend- und Ehrschutz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG. Verfassungsunmittelbare Schranke Die Einschränkung ergibt sich aus dem Grundrecht selbst, ohne zusätzliche gesetzgeberische Tätigkeit, so z.B. aus Art. 9 Abs. 2 GG, der Vereine verbietet, deren Tätigkeit gegen Strafgesetze verstößt. Verfassungsimmanente Schranken Hier geht es darum, das jedes an sich vorbehaltlos gewährte Grundrecht zum Schutz wichtiger Verfassungsgüter sowie der Grundrechte Dritter eingeschränkt ist. So darf durch die Ausübung des Grundrechts nicht etwa das Leben Dritter gefährdet werden.

6. Verfassungsbeschwerde Gegen die Verletzung eines Grundrechts durch den Staat kann sich der Bürger mit dem Rechtsbehelf einer Verfassungsbeschwerde wehren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG).