Jurastudent

Aus Jura Base Camp
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Das Jurastudium ist sicher das kälteste Wasser, in das Sie auf Ihrem Bildungsweg je gesprungen sind. Der Zustrom neuen Wissens ist gewaltig. Ohne anfängliche Beratung von außen geht es nicht. Mit Ihrer juristischen Ausbildung werden Sie einen neuen, auf Jahre hin angelegten Lebensabschnitt beginnen. Ihre neue jura-studentische Lebensphase wird als ein ganz wichtiger Teil in Ihr ganzes Dasein eingeordnet sein. Ihr Jura-Studium wird aber seinen vollen Sinn in Ihrem Leben nur dann gewinnen, wenn es sich auch wirklich auf Ihr Leben hin erfolgreich auswirkt. Wahrscheinlich wird das juristische Studium der Mittelpunkt Ihres ganzen Lebens. Alles Bisherige ist darauf zugelaufen, alles Folgende findet hier sein Fundament. Sie haben die Lebensphase des Schülers verlassen und sind in die Lebensphase des Jurastudenten gewechselt. Ihr seelischer und geistiger Zustand wechselt von Schule zu Hochschule, von Geborgenheit zu studentischer Freiheit. Sie werden sehr bald in einer raffinierten, gelehrten Juristensprache über zivilrechtliche und strafrechtliche Lebenssachverhalte und Gesetze in Vorlesungen und Literatur nachdenken, in Klausuren und Hausarbeiten darüber schreiben und in Referaten über sie reden müssen. Hierzu fehlen Ihnen häufig das Vorwissen und die Erlebnisgrundlage. Es ist nun ganz wichtig, sich schon als junger Student auf seinem Weg vom Abiturienten zum Jurastudenten ganz schnell methodische und strukturelle gedankliche Disziplin anzueignen, die es ermöglicht, die sich hinter den verschiedensten Aspekten der Juristerei verbergende methodische Einheitlichkeit zu überblicken und begreifen zu lernen. Auch Sie haben sich wahrscheinlich zu Beginn Ihres Studienaufbruchs in die juristische Welt im Bemühen um eine Strategie für das richtige Jurastudium und für die komplizierte Durchdringung der Paragraphenwelt allein gelassen gefühlt. Dieses Ohnmachtsgefühl haben Sie mit fast allen Jurabeginnern geteilt. Es gibt kein Geheimnis des juristischen Anfangs. Es gibt nur Studenten, die sich nicht darum bemühen. Gerade in den ersten Tagen und Wochen wird man nur allzu oft mit Horrormeldungen von Dozenten, Assistenten und älteren Semestern überhäuft: Wie schwer ein Jurastudium sei, wie schnell man für den Freischuss studieren müsse, wie hoch die Durchfallquote sei, wie unendlich wichtig ein „Prädikatsexamen“ sei und so weiter. Daraus kann leicht der Eindruck entstehen: „Das schaffe ich nie!“ Falsch! Jura ist keineswegs ein Studium nur für intellektuelle Überflieger, sondern lässt jedem Abiturienten eine Chance. Man muss sich allerdings um das Brückenwissen bemühen. Ein Mensch mag noch so klug geboren sein, zum guten Studenten wird er allein durch Disziplin und Fleiß und seine Bereitschaft, Belehrung und Erfahrung anzunehmen. Kein Strom ist durch sich selbst so groß und mächtig geworden, sondern dadurch, dass er Nebenflüsse aufnimmt. Abiturienten, die mit „Hurra!“ die juristische Ausbildung in Angriff nehmen wollen, sind zwar Wesen, die durch das Abitur akademisch geboren sind, aber noch zur juristischen Welt kommen müssen. Unvorbereitet zu sein vor dem ersten Schritt in das Studium der Rechtswissenschaft, ist eines ihrer wesentlichsten Gattungsmerkmale. Sie sind juristische „Frühchen“. Viele, die frisch nach dem Abitur in die juristische Ausbildung gehen, haben das Gefühl von Frust, Alleingelassensein, Enttäuschung, Nicht-mehr-weiter-Wissen – ja: Verzweif-lung. Der Übergang vom Schüler zum Jurastudenten ist nicht einfach ein bloßes Hinübergleiten. Es handelt sich um etwas ganz Großes an der Schnittstelle zweier Lebensphasen: das zuversichtliche Hineingehen ins eigene Studium: Vom Abiturienten zum Jurastudenten! Sie betreten den offenen Raum des Jurastudiums und müssen sich darin einquar- tieren. Sie müssen sich dabei in eine Ihnen noch weitgehend unbekannte studentische Existenz neu eingewöhnen. Sie müssen lernen, akademisch selbst zu gehen. Der Schutz der Lehrer und Eltern, der zwischen Ihnen und der äußeren Welt stand, fällt langsam weg. Die Stöße der feindlichen Welt müssen Sie ab jetzt sämtlich selbst auffangen. Die neue Jura-Welt ist Ihnen fremd. Ihre immer wiederkehrenden Fragen: „Was ist das für ein Gesetz?“ „Was ist das für ein Fall?“ „Wie bringe ich die beiden in Einklang?“ sind die Fragen Ihres Fremdseins. Sie sollten behutsam aus Ihrer schulischen Anschauungswelt durch befähigte, Jura spendende Instanzen in das neue Fremde geführt werden. Sie haben längst entdeckt, wie Sie sich als Individuum von den anderen unterscheiden. Die Verletzlichkeit Ihres jungen Selbstgefühls, die übersteigernde Selbstbetonung, das Misstrauen gegen das, was andere sagen, bloß weil es andere sind, haben Sie längst abgelegt. Noch nicht entdeckt haben Sie, als die neue Person „Student“ in studentischer Freiheit und Selbstverantwortung dazustehen und ein eigenes Urteil über Ihre neue Welt und Ihren eigenen Stand in ihr zu gewinnen. Sie werden diesen festen Stand bald finden, indem Sie beginnen, in Ihrer neuen Jurawelt Ihr studentisches Werk zu tun. Sie dürfen nicht der Gefahr unterliegen zu meinen, nur für Sie sei die studentische Welt unendlich offen, nur Ihre junge Vitalität sei unbegrenzt, das Leben werde nur Ihnen Großes spenden und nur Sie würden Außerordentliches darin leisten. Manchmal fehlt Ihnen noch die Kenntnis der Zusammenhänge, der Maßstab für das, was man selbst kann, aber auch der für das, was andere können. Es fehlt das Wissen von der ungeheuren Zähigkeit der Trägheit des Studenten und vom Widerstand, den die Trägheit dem Willen zum Studium entgegensetzt. Sie werden bald entdeckt haben, wie man der Gefahr widersteht, sich zu überschätzen, sich zu täuschen, seinen Willen zum Studium mit der Kraft seiner Durchsetzung zu verwechseln. Sie werden schnell begreifen, dass Ihre neue Lebensphase bestimmt wird durch eine ganz neue Wertmitte, eine alles beherrschende Dominante. Diese Dominante ist das disziplinierte, organisierte und planmäßige Lernen. Das Wort „Lernen“ ist schnell gesagt, aber sehr reich an Inhalt. In gewisser Weise bedeutet es Ihre ganze studentische Betätigung. Das Problem des richtigen Einstiegs in die neue Jura-Welt ist eigentlich zunächst ein Problem Ihrer Juravermittler. Studium aber bedeutet, dass es immer mehr zu Ihrem Problem wird. Der Dozent ist nur am Anfang der Sachwalter Ihres studentischen Anliegens, er kann Ihnen das Studieren nicht abnehmen. Sie werden Ihr juristisches Lernen sehr bald selbst in die Hand nehmen müssen. (Lernen des juristischen Lernens) Auf den Anfang kommt es an. Der richtige Beginn des Studiums ist das Wichtigste. Er wird nie mehr wiederkehren! Sie werden im Anfang für Ihr ganzes juristisches Leben geprägt. Wird diese „Good-morning-Jura-Phase“ nicht voll von Ihnen genutzt, dann fehlt der Ertrag im Späteren. Eine der Schwierigkeiten des Übergangs besteht in Ihrer inneren Unsicherheit, im Wissen und Doch-nicht-Wissen, im Können und Doch-nicht-Können. Der Übergang wird dann vollzogen sein, wenn Sie die nötige Erfahrung gesammelt haben, um mit Inhalten, Kompetenz und Zuverlässigkeit juristisch zu denken und methodisch zu urteilen, Ihr Lernen zu planen und emanzipiert zu studieren. Dieser Übergang kann gelingen, aber auch misslingen. Ihr Schritt von der Schule zur Hochschule ist erst dann gelungen, wenn Sie eigene Erfahrungen in der neuen Welt gemacht und diese auch angenommen haben. Wenn Sie den realen Kontakt zum juristischen Studium gefunden und es zum richtigen „Geduldlernen“ gebracht haben. Zu Ihrem rechten studentischen Wesensbild gehört der passionierte Elan des aufsteigenden Studiums. Die psychologische Wirkung dieses Elans, dieser Vitalität, ist das Gefühl unendlicher Möglichkeiten, das Vertrauen in das, was Sie sein werden und leisten und was das Leben Ihnen schenken mag. Dann aber tritt die jura-studentische Wirklichkeit allmählich ins Bewusstsein, vor al-lem dadurch, dass auch Misserfolge eintreten. Sie entdecken die elementare, aber nicht wahrgenommene Tatsache, dass die anderen Studenten ebenfalls ihr Können und ihre Fähigkeiten haben, dass sie ebenfalls vorstoßen in neue Räume und nicht bereit sind, sich von Ihnen übertrumpfen zu lassen. Sie entdecken, wie kompliziert die neue Jura-Welt ist, wie wenig Sie mit Ihrem Schulwissen durchkommen, es vielmehr häufig heißt: kenne ich nicht, weiß ich nicht, verstehe ich nicht; einerseits – andererseits; sowohl – als auch; jeder Fall ist anders. Sie erfahren, was die Vorbedingung für alles ist, was Jura-Studium heißt: Geduldiges Lernen und lernende Geduld.

Jeder Abiturient hat das Zeug, ein guter Jurist zu werden. Es fallen weit mehr Studenten einem schleichenden Niedergang der Sekundärtugenden Fleiß und Disziplin bis hin zum Scheitern zum Opfer als einer Minderbegabung für Jura. Dabei handelt es sich meist um Studenten, die zu lang am althergebrachten, disziplinlosen Schul- und Studienschlendrian festhalten. Sie werden gleich einem steuerlosen Schiff – anfangs langsam, später immer schneller – vom Sog des Wasserfalls angezogen. Der Sturz über das Kliff ist das Ende einer semesterlangen Resistenz gegen die „guten Gründe des Scheiterns“. Wenn der Student sich der Klippe dann bedrohlich nähert, ist es bereits zu spät. Der allererste Schritt fängt allerdings bei jedem Studenten selbst an: Er sollte möglichst schnell den Entschluss fassen, von Anfang an etwas für seine juristisch-methodische Ausbildung zu tun. Dazu muss er seinen Gesichtskreis anfangs möglichst eng halten, innerhalb dessen sich jedoch die Grundstrukturen, Grundbegriffe und Grundmethoden deutlich und prägend beibringen. Erst wenn nichts Halbverstandenes oder Schiefverstandenes mehr vorhanden ist, darf er den Gesichtskreis allmählich erweitern, stets dafür sorgend, dass alles darin Gelegene richtig verstanden und erkannt ist. Infolge dessen sind zwar die juristischen Stoffmengen beschränkt, dafür die Begriffe von Recht und Gesetz, die Methoden und Strukturen, die richtigen Strategien zum Lernen des juristischen Ler-nens, und die ehernen Grundgesetze unserer Wissenschaft in Form von Gutachten und Subsumtion aber deutlich und fest verankert, so dass sie nach dem ersten Semester stets nur der Erweiterung, nicht aber ständiger Berichtigung bedürften.