Klausurenstress

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Klausur ist die sprachliche Verkürzung des Begriffs „Klausurarbeit“ - eine im verschlossenen Zimmer oder unter Aufsicht abzufassende Prü- fungsarbeit - und geht zurück auf das lateinische Verb claudere (clausum), was (ab-, ver-) schließen bedeutet. Klausur heißt im Ursprung: Abgeschlossenheit, Einsamkeit, Klosterzelle, Behausung eines Einsiedlers. Dies spiegelt damit so in etwa den Gemütszustand wider, den man vor und während der Klausur manchmal empfindet: Furcht, Alleingelassensein, Isolation, Absonderung, Vereinsamung, Vereinzelung, Unfreiheit, Angst. Man fühlt sich als Desperado, als Verzweifelter – als ein zu jeder Verzweiflungstat Entschlossener! Diese angeführten Gefühle sind nicht zu nehmen – allenfalls zu lindern! Deshalb: Machen Sie sich mit dieser Situation schnellstmöglich vertraut, da das Klausurenschreiben ein Vorgang ist, der unausweichlich und häufig auf Sie zukommt und den Sie deshalb trainieren müssen. Das Klausurenschreiben ist die Vorbereitung für das tägliche Brot des fertigen Juristen: Sachverhalte zu erfassen, auszulegen, zu schauen, worauf es schwerpunktmäßig ankommt und die enthaltenen und fokussierten Streitfragen anhand vonGesetz, Wissen und erlernten Methoden zu entscheiden.

Drei Gründe für den Stress des Studenten vor Klausuren springen ins Auge: Zum einen: vor sich selbst als Versager dazustehen Zum anderen: in den Augen Dritter als ein solcher zu gelten Und schließlich: Zeit mit erfolglosem Lernen sinnlos geopfert zu haben Das sind die Ängste, die davon abhalten, das Beste aus seinen Fähigkeiten und seinem Wissen im Moment der Klausur herauszuholen, Ängste, die aus einer normalerweise ausgeglichenen Persönlichkeit ein bibberndes Panikbündel werden lassen. Wenn man der Klausurensituation nicht ins Auge blickt, führt dies schnell zu einem Teufelskreis. Versucht man gar, der angenommenen Blamage aus dem Weg zu gehen und stellt sich der Klausur erst gar nicht, so kommt man keinen Schritt weiter. (Scheitern im Erstsemester) Das Problem verschwindet nicht durch Ignoranz, viel mehr kommt zu der Angst noch das Eingeständnis hinzu, dass man es an Mut und Angriffslust hat fehlen lassen.

Damit Sie Ihre Klausur erfolgreich bestehen können, muss Ihr Gehirn frei und reibungslos funktionieren. Da Sie sich aber in einer Ausnahmesituation befinden und sich bedroht fühlen, versucht der älteste Teil Ihres Gehirns – das Stammhirn - die Oberhand zu gewinnen, indem er Ihren Körper für das Zusammentreffen mit der Gefahr vorbereitet. Was für unseren Vorfahr, den Urzeitjäger, gut war, ist in Ihrer Klausurensituation schlecht. Ihr Stammhirn stellt Sie jetzt vor die Alternative: kämpfen, erstarren oder fliehen! Nur: Ihre Gefahrensituation ist kein Raubtierangriff, sondern eine juristische Klausur – keine körperliche Auseinandersetzung, sondern ein geistiger Kampf. Was unserem Urahn zum Vorteil gereichte, nämlich die totale Konzentration, die Zusammenballung aller körperlichen Funktionen auf die Attacke, gereicht Ihnen jetzt zum Nachteil. Der primitive Teil Ihres Gehirns, der nur Gefahr kennt, nicht aber zwischen körperlicher und geistiger Gefahr differenzieren kann, drängt sich nun im Klausurenraum in den Vordergrund und sendet so starke Signale aus, dass die Großhirnrinde davon überlagert wird und nicht so funktioniert, wie Sie es sich wünschen. Die Natur konnte schließlich nicht ahnen, dass unsere moderne Gesellschaft Stress- und Alarmreaktionen ausgerechnet mit dem juristischen Klausurenschreiben verknüpft, mit einem Vorgang, bei dem solche Gegenwirkungen am allerwenigsten zu suchen haben. Diese Störung darf nicht auftreten, Ihr Primitivgehirn muss unter Kontrolle gebracht werden. Trotzdem möchten Sie seine Signale nicht völlig unterbinden. Sie schreiben eine Klausur und brauchen diesen Adrenalinstoß. Die besondere Anspannung bewirkt nämlich auch die Fähigkeit, Höchstleistungen zu erbringen. Denn die Stresshormone mobilisieren die letzten Leistungsreserven und können bisher unbekannte Kräfte entfalten. Ein kleiner Adrenalinschwips muss schon sein! Die Frage ist nur, wie man die notwendigen und wertvollen Impulse des Primitivgehirns in Gang halten, sie aber gleichzeitig so kontrollieren kann, dass sie ein Gleichgewicht zu den für Ihre Situation noch wichtigeren Funktionen Ihres Großhirns bilden, dass also Ihr primitives Stammhirn Ihr denkendes und um juristische Erinnerung ringendes Großhirn nicht blockiert. Sie müssen den Umgang mit Ihren instinktiven Reaktionen trainieren. Sie müssen lernen, diese Überlebensreaktionen bewusst zu bekämpfen, sie für sich, statt gegen sich arbeiten zu lassen, Ihr Erregungsniveau so zu beeinflussen, dass Sie in der Lage sind, frei und unbeeinträchtigt in der Klausur zu denken. Vor einer Klausur zeigen sich mehr oder weniger drei Hauptkategorien von Klausur-Stresssymptomen: Physische Klausurenstressoren: Beschleunigter Puls, zitternde Stimme und Hände, Kloß im Hals, Hitzewallungen, Schwächegefühl, nervöser Magen und Darm, Übelkeit, Hyperventilation, tränende Augen, laufende Nase. Geistige Klausurenstressoren: Plötzliches Vergessen gerade noch vorhandener Gedanken, ständiges gebetsmühlenhaftes Wiederholen von Gedanken, das den Denkfluss hemmt, ein allgemeiner Zustand der Verwirrung, Denksperre, Denkblockade, ein Delirium der Begriffe. Emotionale Klausurenstressoren: Zu den emotionalen Reaktionen gehören: Beklemmungsgefühl; Eindruck, von der Situation überwältigt zu werden; das Gefühl, die Kontrolle über sich selbst verloren zu haben; Hilflosigkeit; Verlegenheit; Panik; Gefühl der Beschämung und Demütigung; Empfinden des Alleingelassenseins. Im traditionellen Ansatz werden die Ängste und Stressoren vor einer Klausur als Einzelerscheinungen abgetan, als einfacher Fall von Nervosität, der man mit Willensstärke Herr werden könne. Wenn man nur etwas positiv denke und sich konzentriere, dann solle es gelingen, in der Situation einer Klausur den Pulsschlag, die Denkblockaden und die Beklemmungsgefühle auf ein normales Maß herunterzuzwingen. Der aufmunternde Zuruf „Kopf hoch!“ hat indes noch keinem so richtig geholfen. Wie viele Studien zeigen, sind die Stressoren eine so starke und geradezu zwangsläufige Reaktionsweise auf die Klausurensituation, dass alleine die Willenskraft als Gegenmittel völlig ungeeignet und wirkungslos ist. Wer die freie Willenskraft hier ins Feld führt, zeigt nur seine Unkenntnis über unsere tiefsten Triebe und Ängste. Es hilft nichts: Man muss diesen Stress anerkennen und nicht verniedlichen oder gar verstecken – sich seiner bewusst werden und im Klausuren-Training gegen ihn angehen. Man muss die Angst vor der Klausur durch Übung, intensives Auseinandersetzen mit den Stressoren und mit Hilfe optimaler Klausurvorbereitung bekämpfen.

Sie müssen zum Souverän der Klausu-rensituation werden, nicht diese über Sie! Dazu einige Tipps. Denn: Es gibt kein Geheimnis des Klausurenschreibens. Es gibt nur Studenten, die sich nicht zielstrebig darum bemühen.

1. Sie müssen sich zunächst klar machen, dass Sie nicht der Einzige sind, der in der misslichen Lage ist. Sie polen die Versagensangst in einen aktiven Spannungszustand um, der Sie beflügelt und nicht paralysiert. Sie durchbrechen den Teufelskreis der „Klausurenteufelei“! „Jetzt geht es los!“ „Ich kann zeigen, was ich kann!“ 2. Sie vermeiden das Lampenfieber! Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass Lampenfieber in der Regel mit Vermeidungsstrategien gekoppelt ist. Jemand, der Angst vor der Klausur hat, wird die Arbeit daran bis zur letzten Minute hinauszögern. Je näher der Zeitpunkt rückt, an dem eine Verschiebung nicht mehr möglich ist, desto größer werden die Panik und das Vermeidungsverhalten. Der beste Weg, um Lampenfieber zu vermeiden, ist, sich jetzt sofort an die Arbeit zu machen und sich in seinem selbstaufgestellten Klausurentrainings- und juristischen Lernprogramm das notwendige Können und Wissen anzueignen. (Studienalltag) 3. Lernen Sie vom Sport! Spitzensportler können sich auf den Punkt konzentrieren, bekommen den „Tunnelblick“ und lassen die Angst des Schützen beim Elfmeter oder des Tennisspielers vor dem Matchball gar nicht erst aufsteigen. Den Sportlern wird beigebracht, sich den Verlauf eines Elfmeters, einer Bergetappe bei der Tour de France oder eines Matchballs ganz genau vorzustellen – die Situation vorab (mental!) Punkt für Punkt, Sekunde für Sekunde, Meter um Meter durchzugehen. Tennis- und Golfspielern, Skifahrern, Reitern, Turnern, aber auch Solisten in der Musik – also Einzelkämpfern – ist diese Technik überaus hilfreich. Ein Einzelkämpfer sind auch Sie in einer Klausur. Auch Sie müssen die Klausur antizipieren! Spielen Sie den Klausurenablauf in Ihrem mentalen Kino mehrfach durch! Ein „Hirnkino“ antizipiert Schwierigkeiten und ermöglicht durch das innere Ansehen des Films „Klausur“ konkrete Planungen. Vor allem hilft es dabei, die Emotionen in dieser kritischen Situation der Klausur zu kontrollieren. Denn jede detaillierte Imagination eines Ereignisses weckt auch die damit verbundenen Gefühle. Wenn Sie diese aber schon mehrmals „in Gedanken“ erlebt haben, können Sie sie später in der realen Situation besser steuern. Die Klausur überrascht und überwältigt Sie nicht mehr. Suchen Sie den Klausurenraum vorher schon mal auf und setzen Sie sich fünf Minuten auf einen Stuhl! Das hilft! 4. Rufen Sie sich dann und wann in Erinnerung, wie viel Sie schon erreicht haben und nicht immer das, was Sie noch nicht können. Denken Sie daran, wie viele hinter Ihnen gehen, wenn Sie hinschauen, wie viele Ihnen voran gehen. Denken Sie auch daran, wie viele Sie schon überflügelt haben. Denken Sie nicht: „Ist eh‘ nicht so wichtig, Spitze zu sein.“ Sie verkennen dabei, dass das Bewusstsein, im Studium besser zu sein als der Durchschnitt, eine der wichtigsten Quellen für Ihre Selbstachtung und Ihr Studentenglück ist. (Motivation) 5. Ganz wichtig: Profitieren Sie vom richtigen Umgang mit „Altklausuren“! Klausuren-Schreiben lernt man durch Klausuren-Schreiben, Klausuren-Lösen lernt man durch Klausuren-Lösen. Das „Lernen am Fall“ ist wesentlich erfolgreicher als das „Lehrbuchlernen“. Schließlich hat sich die Simulation bewährt, d.h. Bedingungen und Verhältnisse herzustellen, die denen in der Realität entsprechen.

Schreiben Sie Klausuren unter Prüfungsbedingungen! Besorgen Sie sich alte Klausuren und bearbeiten Sie diese in der vorgegebenen Zeit, wenn möglich zigfach. Klausuren schreiben heißt, sich eine Konfrontationstechnik für Situationen anzueignen, in denen es darauf ankommt, dem Schrecken zu trotzen. Altklausuren zu schreiben, ist eine Zeitinvestition mit hoher und weitreichender Erfolgsrendite. Klausurentechnik lernt man durch Klausurenpraxis! Sie können erst dann eine Klausur richtig handhaben und die Stressoren des Klausu-renschreibens bekämpfen, wenn Sie einmal „erfahren“, was eine „Klausur schreiben“ heißt – dann „wissen“ Sie es erst.

Nun kann der Student auf verschiedene Weisen mit „Altklausuren“ umgehen: Stufe 1: Die Klausur wird gar nicht gelesen. Folge: Der Student lernt nichts. Stufe 2: Die Klausur wird „überflogen“. Folge: Gedankenhappen werden aufgenommen. Der Student lernt und behält so gut wie nichts. Er gaukelt sich vor, etwas gearbeitet zu haben, hat aber nur Zeit verschwendet. Stufe 3: Die Klausur wird vollständig gelesen. Damit hat es sein Bewenden. Folge: Die Gehirnzellen sind eine Zeit lang in Gang gehalten, immerhin ein formaler Trainingseffekt. Rechtliche Puzzlesteine mögen haften bleiben, allerdings ohne systematische Einordnung. Das Wesentliche ist schnell vergessen, damit nicht mehr abrufbar. Stufe 4: Die Klausur wird vollständig gelesen. Der Student fertigt für seine Ausbildungsunterlagen Notizen, um sein Wissen und Verständnis zu erweitern und zu vertiefen. Folge: Einzelne Problembehandlungen und Lösungsmuster können sich gedanklich festsetzen, weil sie selbst formuliert und schriftlich festgehalten werden. Dadurch sind sie zur Wiederholung auch abrufbar, also wieder hervorholbar. Stufe 5: Der Student liest nur den Sachverhalt und den Aufgabentext. Er fertigt eine schriftliche Lösungsskizze an. Sodann befasst er sich mit dem vorgegebenen Lösungsvorschlag und vergleicht dessen Ergebnisse mit seinen. Folge: Der Student simuliert den Ernstfall: die Klausursituation! Er ist gezwungen, den Sachverhalt und die Aufgabenstellung haargenau aufzunehmen. Er vertieft sich selbstdenkend in den Lösungsweg. Er registriert, was er kann und was er nicht kann. Er arbeitet den Fall am Gesetz, an seiner Methodik und seinen Rechtskenntnissen ab. Er übt, in angemessener Zeit das Gutachten zu einem überzeugenden Endergebnis zu führen. Sodann: Er ist gespannt auf den angebotenen Lösungsvorschlag! Was er liest, hat er selbst schon durchdacht oder angedacht. Was er übersehen hat, verschafft ihm ein Aha-Erlebnis. Ihm wird vorgeführt, wie man ein Problem und dessen Lösung verdichtet und sprachlich angemessen darstellen kann. Er denkt darüber nach und urteilt, ob seine abweichenden Lösungswege falsch sind oder juristisch auch vertretbar oder überflüssig, was ebenfalls falsch ist. Alles in allem: Er überwindet sich zu Beginn, dann verfliegt ihm die Zeit. Die Beschäftigung mit den Rechtsproblemen gelangt notwendigerweise zu einer Intensität, welche die größtmögliche Wahrscheinlichkeit beinhaltet, dass diese und auch ähnliche Rechtsthemen zukünftig dauerhaft im Langzeitgedächtnis „aufgehoben“ werden können. Stufe 6: Der Student liest den Sachverhalt und den Aufgabentext. Er schreibt vollständig das Lösungsgutachten entsprechend seiner eingeübten Klausurmethode. Er studiert vergleichend den abgedruckten Lösungsvorschlag. Folge: Es treten alle Wirkungen der Stufe 5 ein sowie zusätzlich: Der Student übt die sprachliche Umsetzung des in der Lösungsskizze stichwortartig Vorgedachten. Mit der Zeit formuliert er genauer, zielgerichteter, niveauvoller. Er trainiert, mit der Reinschrift des Gutachtens seine Fallbearbeitung zeitgerecht fertigzustellen. Aber: Der Zeitaufwand für diesen zusätzlichen Übungsteil ist zu hoch. Er beträgt zwei bis drei Stunden. Diese Zeit kann effektiver für andere Lernaktivitäten eingesetzt werden. Zudem ist die Niederschrift des Gutachtens spannungslos und übertrieben. Abwertend könnte man von „ablenkender“ Beschäftigungstherapie sprechen. Inhaltlich sind die Würfel mit dem Abschluss der Lösungsskizze gefallen. Deshalb ist von der Stufe 6 abzuraten und Stufe 5 zu favorisieren. 6. Üben Sie sich in gängigen juristischen Formulierungen und Ausdrücken! Legen Sie sich ein „Formulierungsheft“ an, welchem Sie geläufige juristische Redewendungen anvertrauen, so dass sie Ihnen irgendwann in Fleisch und Blut übergehen. (Klausurensprache Klausurenformu-lierungshilfen)