Studienaufbruch

Aus Jura Base Camp
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Auf die Plätze, fertig … Moment mal! Planungsmotto: Wir fangen erst mal an, dann sehen wir weiter, ist nicht immer sinnvoll! Das erste Semester Jura ist erreicht! Die magische Zeit zwischen Abitur und Studiums-beginn, die des lange faulenzenden Schlafens, ausgiebigen Feierns und Nichtszutun-habens, die der unbekümmerten Planlosigkeit ist durchlebt oder durchlitten. Die einzige Zeit im Leben, in der alles offen steht! Eine Zeit, in der aber auch wichtige Entscheidungen reifen mussten, sonst säßen Sie heute nicht hier, wo Sie sitzen: „Will ich studieren oder eine andere Ausbildung machen? Welche Richtung interessiert mich? Will ich weg von Zuhause? In welche Stadt? In eine WG, ein Studentenheim oder lieber allein in eine Wohnung? Wie kann ich meine Pläne finanziell realisieren?“ Irgendwann auf dieser Überlegungsschiene von Plänemachen und Pläne-über-den-Haufen-schmeißen haben Sie sich dann für Jura entschieden, für ein Studium, das Ihr Leben auf den Kopf stellt. Denn: Das Jurastudium ist das kälteste Wasser, in das Sie je gesprungen sind!

Wichtige Fragen, die Sie sich jetzt, aber spätestens nach dem 1. Semester, in einem „Reality Check“ gewissenhaft stellen sollten und mit denen Sie ehrlich und ernsthaft mit sich selbst zu Rate gehen sollten, sind: Warum will ich Jura studieren? – Passt Jura überhaupt zu mir? Fragen nach den Motiven. Einige Stichpunkte: Sozialprestige, breites Betätigungsfeld, gutes Geld, günstige Berufsaussichten, „was anderes fällt mir nicht ein“, Wunsch der Familie, Macht, was bin ich für ein Typ, respektive Lerntyp? Ist das Jurastudium mein Wunschstudiengang, oder was kommt sonst noch in Frage? Fragen nach den Alternativen. Einige Stichpunkte: Habe ich ein bestimmtes Talent, bin ich ein Gerechtigkeitsfanatiker, wie stand ich in Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen, ein schon lange gehegter Wunsch? Weiß ich, welchen juristischen Beruf ich nach dem Juraabschluss ergreifen kann und will? Frage nach den Perspektiven. Einige Stichpunkte: Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Richter, Verwaltungsjurist, Wirtschaftsjurist, Polizei, oder sonstige Behörde, Notar? Wie stelle ich mir meine Studienbedingungen vor? Frage nach den Situativen. Einige Stichpunkte: Wo will ich studieren, Massenuni oder kleine Universitätsstadt, zu Hause oder außerhalb, wie und wo kann ich wohnen, wie finanziere ich mein Studium? Wie will ich mein Studium organisieren? Frage nach den Regulativen. Auch hier einige Stichpunkte: Studienplan, akademische Freiheit, eigene Planung, Rahmung, Repetitor: ja/nein, wann mache ich welche Scheine? Was spricht gegen das Jurastudium? – Frage nach den Negativen. Stichpunkte: Dominanz des Staatsexamens, Zweistufigkeit (weil in Studium und Referendarzeit gesplittet), fehlender Praxisbezug, Vermassung, Trennung von Theorie und Praxis, Juristenschwemme, zu schweres Examen, Repetitorwahn, fehlende Verschulung im Anfang des Studiums, Fehlen einer begleitenden Kontrolle, Klausurenteufelei Was spricht für das Jurastudium? – Frage nach den Positiven. Denken Sie in Ruhe nach! Ihnen fällt bestimmt eine Menge ein, ganz individuell.

Auf den Anfang kommt es an! Sie können im ersten Semester alles falsch machen und alles für das weitere Studium Wesentliche verpassen. Das erste Semester ist nicht zum Umgucken da, sondern zum genauesten Hingucken. Man kann nämlich auch alles richtig machen!

Das Allmähliche ist die passende Gangart für das erste Semester. Die Dozenten der ersten Anfängervorlesungen müssten die besten sein, die die Universität auf didaktischem Gebiet aufzubieten hat, hier werden die Weichen für Lust oder Frust an Jura gestellt. (Später können die schlechteren dozieren!) Das Wesentliche und daher das der ganzen Juristerei Gemeinsame sollte man hier erfahren, das erste Be-tasten, Be-greifen, An-schauen der Materie „Recht“ vollzieht sich im Anfang. Fast alle Jurastudenten beginnen ihr Studium ohne schulische Vorkenntnisse über das Recht. Das verstärkt die ohnehin vorhandenen Unsicherheiten und Schwierigkeiten beim Studienbeginn. Die Hochschulen stellen sich auf diese Schwierigkeiten oft nur unvollkommen ein. Der Wille zum Jurastudium ist bei den Studenten meist da, was fehlt, ist der erkennbare Weg! Es fehlt das Missing Link zwischen der Schul-Welt der frischen Abiturienten und der Lern-Welt der jungen Jurastudenten. Es fehlt das für den Aufbruch in die Juristerei notwendige juristische Orientierungswissen. Es fehlt vor allem ein Orientierungsrahmen für die juristischen Entdeckungen. Der juristische Geist wird viel zu früh von der Kette gelassen und irrt ziellos umher. Alle Juristen wissen, wie unendlich schwer das Erlernen der Juristerei ist und wie leicht man scheitern kann. Ein wesentliches Merkmal des misslungenen juristischen Anfangs ist es, wenn der juristische Problemzuwachs schneller steigt als die juristischen Problemverarbeitungskapazitäten des Studenten. Die Verzweiflung wächst! Man scheitert! Weite Kreise der jungen Juraeinsteiger sind deshalb gerade im Anfang ständig Misserfolgserlebnissen ausgesetzt. Sie verstehen wenig und werden mutlos. Hinzu kommt, dass die Anfänger sich meist selbst für dumm halten, so dass schwer verständliche, ja geradezu vorbeifliegende Informationen in Vorlesung und Literatur sie nicht nur nicht informieren, sondern darüber hinaus ihr Selbstwertgefühl beschädigen. Die „Lehrwerkstätten“ der juristischen Ausbildung lassen die Studenten nicht selten am Anfang ihres Weges alleine. Sie setzen scheinbar stillschweigend voraus, dass der Anfänger diese Fertigkeiten „irgendwie“ von selbst herausbekommt, dass es ihm zufliegt, wie er seine Energie und Zeit im Umgang mit der juristischen Anfangsmaterie wirkungsvoll einsetzt. Der Start ins Jurastudium, gleich ob an Universität oder Fachhochschule, wird von vielen Dozenten und in vielen Einführungswerken oft so behandelt, als verstünde er sich von selbst, so dass ihn „zu erlernen“ kein Gegenstand von juristischer Bildung und Ausbildung sei. Jeder Dozent vertraut hinsichtlich der „Basics“ und der „Skills“ auf den anderen! Und der arme Student ist verlassen! Allein gelassen im juristischen Paragraphendschungel ohne ein überlebenswichtiges „survival-package“. Dem imperativen „Hurra! Jura!“ folgt sehr bald ein fragendes „Jura?“ und nicht selten ein resignierendes gescheitertes „Das war’s dann mit Jura!“. (Scheitern im Erstsemester) Das Jurastudium ist ein Himmel für den, der über einen gelungenen Eintritt seine Ziele und Methoden kennen lernt, emanzipiertes Verstehen passioniert hervorbringt, Erfahrungen und Ratschläge annimmt und selbstbewusst in die Vorlesungen geht, und eine Hölle für den, der den Eintritt verpasst hat und nichts begreift.