Urteile können durch das erkennende Gericht nach Abschluss ihrer Verkündung grundsätzlich nicht mehr berichtigt werden. Wenn die Staatsanwaltschaft oder der Angeklagte eine Änderung der Entscheidung erreichen wollen, müssen sie sich der Rechtsmittel der StPO in einem speziellen Rechtsmittelverfahren bedienen. Aus der Phalanx der ordentlichen Rechtsbehelfe hat der Gesetzgeber

unter dem Begriff „Rechtsmittel“ zusammengefasst und ihnen mit dem Dritten Buch der Strafprozessordnung (§§ 296 bis 358 StPO) einen eigenen, besonderen Abschnitt des Gesetzes gewidmet.

Die Wesensgleichheit der Rechtsmittel zeigt sich im Devolutiveffekt, im Suspensiveffekt und im Verbot der Reformatio in peius.

 

Mit Devolutiveffekt (lat.: devolvere = abwälzen) umschreibt man den Umstand, dass der Streitfall aufgrund der Rechtsmitteleinlegung in eine höhere Instanz verlagert wird, um dort eine neuerliche, unvoreingenommene Prüfung durch ein anderes Gericht zu erfahren.

Bei Rechtsmitteln gegen Urteile der ➞ Gerichte werden infolge des Devolutiveffektes im Einzelnen folgende Instanzverlagerungen ausgelöst:

 

Der Suspensiveffekt (lat.: suspendere = schwebend halten) eines Rechtsmittels liegt darin, dass die Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung, die ➞ Rechtskraft also, durch die form- und fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels wegen der noch ausstehenden Entscheidung über dieses Rechtsmittel gehemmt wird. Berufung und Revision haben stets suspensive Wirkung (vgl. §§ 316 Abs. 1, 343 Abs. 1 StPO). Mit der Einlegung dieser Rechtsmittel wird die Vollstreckbarkeit der Entscheidung hinausgeschoben, zumal der Strafprozessordnung eine Regelung, die der in §§ 708 ff. ZPO verankerten vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht, fremd ist. Zum Leidwesen der Gerichte verleitet das Wissen um die aufschiebende Wirkung von Berufung und Revision selbst in schier aussichtslosen Fällen nicht selten zur Einlegung der Rechtsmittel, um auf diese Weise – was sicher nicht illegitim ist – „Zeit zu gewinnen“. Anders als der Berufung oder der Revision kommt der Beschwerde nach § 307 Abs. 1 StPO grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu; durch § 307 Abs. 2 StPO ist es jedoch immerhin in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt, ob – wenn auch nur für kurze Zeit – die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt wird, womit die Wirkung der Entscheidung also noch einen gewissen zeitlichen Aufschub erfährt.

 

Für die gegen Urteile möglichen Rechtsmittel der Berufung und Revision hat der  Gesetzgeber mit §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO als weitere fundamentale Gemeinsamkeit das sogenannte Verbot der Reformatio in peius (lat.: reformatio = Erneuerung, Abänderung; in peius = zum Schlechteren) festgeschrieben. Ein Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich dieser selbst, sein gesetzlicher Vertreter oder zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel eingelegt haben.

Die genannten Bestimmungen sollen den Angeklagten davor schützen, dass das nur zu seinen Gunsten angefochtene  Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil eine Abänderung erfährt, ihm mithin die Befürchtung nehmen, es könne ihm durch die Einlegung des Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt härterer Bestrafung entstehen. Dem Angeklagten sollen die Vorteile, die er erstritten hat, belassen werden, selbst wenn sie letztlich für ungerechtfertigt gehalten werden mögen. Das für die Berufung und Revision geltende Verschlechterungsverbot lässt sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keineswegs als zwingender Ausfluss des in Art. 20 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips begreifen. Es soll vielmehr lediglich als eine dem Angeklagten vom Gesetzgeber gewährte Wohltat verstanden werden, die bei wohlwollendem Verständnis strafprozessualer Fairness sicherlich begrüßenswert erscheint. Dass ein Schlechterstellungsverbot keineswegs selbstverständlich ist, mag man daran erkennen, dass es nicht einmal in die europäischen Gesetzesordnungen durchgängig Eingang gefunden hat. Nicht allenthalben geht man also davon aus, dass ein vom oder für den Angeklagten geführtes Rechtsmittel in seiner Tragweite hinsichtlich der Rechtsfolgen unbedingt abgeschätzt werden können muss. So ist etwa dem belgischen, dem britischen oder dem schweizerischen Strafrecht das Institut der Reformatio in peius ganz oder weitgehend unbekannt. Daraus folgt, dass der Angeklagte dort selbst dann, wenn nur er Rechtsmittel eingelegt hat, unter Umständen „volles Risiko eingeht“, d.h. sogar damit rechnen muss, härter bestraft zu werden, als es mit der angegriffenen Entscheidung geschehen ist!