(lat.: stichhaltige Entgegnung, Beweisgrund)  Zu einem Großteil besteht professionelle juristische Arbeit aus Argumentieren:

Das Argumentieren stellt den Höhepunkt jeder juristischen Tätigkeit dar. Es ist die Aufgabe, die am leichtesten erscheint und die am schwersten zu erfüllen ist. Im Grunde kann Ihnen niemand eine wohl gegliederte Argumentationslehre liefern. Nach dem Lehrbuch zu argumentieren, ist nicht möglich. Die Vielfalt der Fälle, Gesetze und der Argumente ist unendlich. Sie sind hier in Ihren schöpferischen Fähigkeiten und Ihrer Rhetorik angesprochen. Zahl und Art von Argumentationsqualitäten sind unbegrenzt: kreative Qualitäten; Fantasie; die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen und die vielen Facetten komplexer Sachverhalte zu erkennen, Urteile oder Sachthemen von allen Seiten auszuleuchten; pointiert zu formulieren; zu analysieren und argumentativ wieder zu synthetisieren. All das spielt beim professionellen Argumentieren eine entscheidende Rolle. 

 

Aber nicht erst der Berufsjurist wird mit der Argumentationskunst konfrontiert, sondern schon der Jurastudent wird dazu herausgefordert.

Für Ihre Argumentationskunst in einer Klausur, einer Hausarbeit oder einem Referat kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: 

Zum Einen die so genannte lineare oder Kettenargumentation

Sie reihen nur das aneinander, was für Ihre Meinung spricht und lassen den Rest (die störenden Gegenmeinungen) ganz einfach weg. (So argumentieren Interessenvertreter und Eltern) Dafür spricht – weiterhin – darüber hinaus – schließlich – letztlich. Das Grundmuster der linearen Argumentation bildet die Kette. Argument reiht sich an Argument unter Unterschlagung der Gegenargumente.

Zum Anderen die so genannte dialektische Argumentation

Hier tasten Sie sich durch Aufweis und Überwindung von gegensätzlichen Standpunkten zur Problemlösung vor. Sie zeigen, dass Sie noch unentschlossen sind und stellen Ihr zweifelndes Ich zweifelnd dar. Dafür spricht – dagegen steht; einerseits – andererseits; man könnte – dem widerspricht. Bei dieser Argumentationsart des Überwindens von Gegensätzen spielen Sie nicht den leidenschaftlichen Scheuklappen-Verfechter der Meinung X unter Ausblendung der Meinung Y, vielmehr nehmen Sie die Rolle des neutralen, vergleichenden Beobachters eines lediglich von Ihnen aufgezeigten Streits zwischen X und Y ein. 

 

Die bloße lineare Aneinanderreihung von Argumenten bei der Kettenargumentation wurde schon in der Antike als langweilig empfunden. Ihr wurde darum die Dialektik zur Erforschung der Wahrheit durch These – Antithese – Synthese entgegengesetzt. Vor allem Sokrates brachte die Kunst der Dialektik (téchne dialektiké, griech.: Kunst der wissenschaftlichen Gesprächsführung) zur Blüte. Seine berühmte Gesprächsführung durch Fragen verstand er als geistige Hebammenkunst, Mäeutik, durch welche er Gedanken, mit denen der Dialogpartner „schwanger geht“, hervorbringen und zur Wahrheit führen wollte. 

Nur die dialektische Argumentation (Einerseits-Andererseits-Methode) kommt für den Jurastudenten als methodisch sauber und nicht manipulativ arbeitender „Hausarbeiten- und Klausurenschreiber“ in Betracht. Und denken Sie daran: Auch jede noch so gute Argumentationskette oder dialektische Argumentation muss irgendwann einmal gestoppt werden. Anderenfalls hätten wir ein Argumentations-Perpetuum-mobile. Wo die rechte Stelle ist für den Abbruch? 

Das machen die juristische Argumentationskunst, die Übung und Erfahrung, die zu erwerben Sie gerade dabei sind!