Jedes Strafverfahren beginnt mit einem Ermittlungsverfahren. Es dient der umfassenden Aufklärung der Straftat und der Person des Täters durch Staatsanwaltschaft und Polizei (vgl. § 160 ff StPO). 

 

Während des Ermittlungsverfahrens können folgende einschneidende gerichtliche und staatsanwaltschaftliche Maßnahmen getroffen werden:

 

Nach § 127 Abs. 2 StPO kann die Polizei eine Person vorläufig festnehmen, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen (§ 112 ff. StPO). Sie kann sich also seiner Person versichern, jedoch nicht auf unbeschränkte Zeit. Nach § 128 StPO muss die Person unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht des Festnahmeortes zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls vorgeführt werden. 

 

Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein könnten, können auch gegen den Willen beschlagnahmt werden,  § 94 StPO.

 

Eine in der Praxis häufige richterliche Entscheidung im Ermittlungsverfahren enthält § 111 a StPO. Bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass im Hauptverfahren die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB), so kann der Richter durch Beschluss, der zugleich die Beschlagnahme des Führerscheins beinhaltet (§ 111 a Abs. 3 und 4 StPO) die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen (§ 111 a Abs. 1 StPO). Straftaten nach §§ 315 c, 316, 142 StGB geben regelmäßig Anlass zu Maßnahmen nach § 69 StGB und – im Ermittlungsverfahren – nach § 111 a StPO.

 

 

Beispiel:   In Hannover ist ein Bankraub mit einer Beute von 300.000,– EUR erfolgt. Die Staatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass T der Täter ist. Sie weiß aber nicht, wo sich T und die Beute befinden.

Darf die Wohnung des T ohne Weiteres nach ihm und der Beute durchsucht werden?

 

Dies ist zu bejahen. § 102 StPO gestattet bei Verdächtigen eine Durchsuchung zum Zwecke der Ergreifung „auch ins Blaue hinein“. Für die Suche nach Beweismitteln ist zwar eine Vermutung ihres Vorhandenseins erforderlich. Jedoch genügt – ohne weitere Indizien – der kriminalistische Erfahrungssatz, dass der Täter die Beute häufig in seinen vier Wänden versteckt.

 

Beispiel:   Bei dem Bankraub in Hannover will die Staatsanwaltschaft, die keinerlei Kenntnis vom Verbleib des T und der erbeuteten Geldsumme hat, vorsorglich auch die Wohnung der Freundin des T in Magdeburg durchsuchen.

Ist diese Maßnahme zulässig?

 

Die Frage ist zu verneinen. Bei § 103 StPO sind die Voraussetzungen der Durchsuchung enger. Hier genügt, anders als bei § 102 StPO, keine Vermutung; es müssen vielmehr Tatsachen vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass sich die gesuchte Person, Spur  oder Sache in den zu durchsuchenden Räumen befindet. 

Grundsätzlich ordnet der Richter die Durchsuchung an. Eine Ausnahme besteht dann, wenn Gefahr in Verzug ist (§ 105 Abs. 1 StPO). In diesem Fall sind auch der Staatsanwalt und dessen Ermittlungspersonen zur Anordnung der Durchsuchung berechtigt. Gefahr im Verzug liegt dann vor, wenn die Einholung einer richterlichen Maßnahme den Untersuchungszweck gefährden würde. Die Ermittlungsbehörde muss hierbei durch zeitnahe Dokumentation in den Akten darlegen, weshalb Gefahr in Verzug vorlag. Fehlen derartige Hinweise, ist davon auszugehen, dass keine Gefahr in Verzug vorlag.

 

Sie muss vom Richter angeordnet sein. Bei Gefährdung des Untersuchungserfolges wegen Verzögerung darf sie ausnahmsweise auch von der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen angeordnet werden (§ 81 a Abs. 2 StPO).

Hat die Untersuchung Eingriffsqualität, muss sie von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden (§ 81 a Abs. 1 S. 2 StPO).

Sie muss der Feststellung von Tatsachen dienen, die für das Verfahren von Bedeutung sind (§ 81 a Abs. 1 S. 1 StPO).

Es dürfen keine gesundheitlichen Nachteile zu erwarten sein (§ 81 a Abs. 1 S. 2 a.E. StPO).

 

Untersuchungen anderer Personen als des Beschuldigten sind gegen ihren Willen nur unter den Voraussetzungen des § 81 c StPO zulässig. Diese sind folgende:

Die Person muss als Zeuge in Betracht kommen (sog. Zeugengrundsatz), § 81 c Abs. 1, 1. Hs. StPO. Nach § 81 c Abs. 3 S. 1 StPO hat sie ein Untersuchungsverweigerungsrecht, wenn ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO zusteht. Über dieses Recht muss sie belehrt werden (§ 81 c Abs. 3 S. 2 i.V. mit § 52 Abs. 3 S. 1 StPO).

Die Untersuchung muss dem Auffinden von Spuren oder Tatfolgen am Körper des Zeugen dienen (sog. Spurengrundsatz), § 81 c Abs. 1 StPO. Wegen des Wortlauts „an ihrem Körper“ sind nur äußerliche Untersuchungen (inklusive der natürlichen Körperöffnungen, z.B. des Mundes) zulässig, nicht hingegen körperliche Eingriffe (z.B. Röntgenaufnahmen).

Die Überwachung der Telekommunikation ist in §§ 100 a ff StPO geregelt. Der Begriff der Telekommunikation bezieht sich dabei nicht nur auf die herkömmlichen Kommunikationsformen wie Telefon oder Telefax, sondern auf Nachrichtenübermittlungen jeglicher Art. Erfasst wird daher auch der Zugriff auf in Mailboxen gespeicherte Nachrichten, auf E-Mails, die sich noch im Speicher des Providers befinden und auf die Positionsmeldungen betriebsbereiter Mobiltelefone.

Zulässig ist eine solche Überwachung unter den folgenden Voraussetzungen:

Sie ist vom Richter anzuordnen (§ 100 b Abs. 1 S. 1 StPO). Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch von der Staatsanwaltschaft getroffen werden, muss dann aber binnen drei Tagen vom Richter bestätigt werden (§ 100 b Abs. 1 S. 2 StPO).

Die Anordnung muss die Formvorschriften des § 100 b Abs. 2 StPO erfüllen.

Bestimmte Tatsachen müssen den Verdacht begründen, dass jemand Täter oder Teilnehmer einer der Katalogtaten des § 100 a S. 1 StPO ist (Staatsschutzdelikte, militärische Straftaten, Schwerstkriminalität, Delikte der organisierten Kriminalität).

Die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise muss aussichtslos oder wesentlich erschwert sein.

Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten und gegen solche Dritte richten, die für den Beschuldigten entweder als Nachrichtenmittler tätig werden oder deren Anschluss vom Beschuldigten benutzt wird, § 100 a S. 2 StPO.

 

Das Ermittlungsverfahren endet entweder durch Einstellung oder durch Erhebung der öffentlichen Klage. 

Die Entscheidung hängt davon ab, ob die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (§ 170 Abs. 1 StPO). Genügender Anlass hierzu besteht, wenn der Beschuldigte der Tat hinreichend verdächtig ist. Es muss nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Dabei ist eine Prognose zu erstellen, ob nach Rechts- und Sachlage am Ende der Hauptverhandlung wahrscheinlich ein Antrag auf Verurteilung gestellt würde. Besteht nach dieser Prognose kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so ist das Verfahren einzustellen.