Klausur ist die sprachliche Verkürzung des Begriffs „Klausurarbeit“ – eine im verschlossenen Zimmer oder unter Aufsicht abzufassende Prüfungsarbeit – und geht zurück auf das lateinische Verb claudere (clausum), was (ab-, ver-) schließen bedeutet. Klausur heißt im Ursprung: Abgeschlossenheit, Einsamkeit, Klosterzelle, Behausung eines Einsiedlers. Dies spiegelt damit so in etwa den Gemütszustand wider, den man vor und während der Klausur manchmal empfindet: Furcht, Alleingelassensein, Isolation, Absonderung, Vereinsamung, Vereinzelung, Unfreiheit, Angst. Man fühlt sich als Desperado, als Verzweifelter – als ein zu jeder Verzweiflungstat Entschlossener! Diese angeführten Gefühle sind nicht zu nehmen – allenfalls zu lindern! Deshalb: Machen Sie sich mit dieser Situation schnellstmöglich vertraut, da das Klausurenschreiben ein Vorgang ist, der unausweichlich und häufig auf Sie zukommt und den Sie deshalb trainieren müssen. Das Klausurenschreiben ist die Vorbereitung für das tägliche Brot des fertigen Juristen: Sachverhalte zu erfassen, auszulegen, zu schauen, worauf es schwerpunktmäßig ankommt und die enthaltenen und fokussierten Streitfragen anhand von Gesetz, Wissen und erlernten Methoden zu entscheiden. 

 

Damit Sie Ihre Klausur stressfrei bestehen können, muss Ihr Gehirn frei und reibungslos funktionieren. Da Sie sich aber in einer Ausnahmesituation befinden und sich bedroht fühlen, versucht der älteste Teil Ihres Gehirns – das Stammhirn – die Oberhand zu gewinnen, indem er Ihren Körper für das Zusammentreffen mit der Gefahr vorbereitet. Was für unseren Vorfahr, den Urzeitjäger, gut war, ist in Ihrer Klausurensituation schlecht. Ihr Stammhirn stellt Sie jetzt vor die Alternative: kämpfen, erstarren oder fliehen! Nur: Ihre Gefahrensituation ist kein Raubtierangriff, sondern eine juristische Klausur – keine körperliche Auseinandersetzung, sondern ein geistiger Kampf. Was unserem Urahn zum Vorteil gereichte, nämlich die totale Konzentration, die Zusammenballung aller körperlichen Funktionen auf die Attacke, gereicht Ihnen jetzt zum Nachteil. Der primitive Teil Ihres Gehirns, der nur Gefahr kennt, nicht aber zwischen körperlicher und geistiger Gefahr differenzieren kann, drängt sich nun im Klausurenraum in den Vordergrund und sendet so starke Signale aus, dass die Großhirnrinde davon überlagert wird und nicht so funktioniert, wie Sie es sich wünschen. Die Natur konnte schließlich nicht ahnen, dass unsere moderne Gesellschaft Stress- und Alarmreaktionen ausgerechnet mit dem juristischen Klausurenschreiben verknüpft, mit einem Vorgang, bei dem solche Gegenwirkungen am allerwenigsten zu suchen haben.

Diese Störung darf nicht auftreten, Ihr Primitivgehirn muss unter Kontrolle gebracht werden. Trotzdem möchten Sie seine Signale nicht völlig unterbinden. Sie schreiben eine Klausur und brauchen diesen Adrenalinstoß. Die besondere Anspannung bewirkt nämlich  auch die Fähigkeit, Höchstleistungen zu erbringen. Denn die Stresshormone mobilisieren die letzten Leistungsreserven und können bisher unbekannte Kräfte entfalten. Ein kleiner Adrenalinschwips muss schon sein! Die Frage ist nur, wie man die notwendigen und wertvollen Impulse des Primitivgehirns in Gang halten, sie aber gleichzeitig so kontrollieren kann, dass sie ein Gleichgewicht zu den für Ihre Situation noch wichtigeren Funktionen Ihres Großhirns bilden, dass also Ihr primitives Stammhirn Ihr denkendes und um juristische Erinnerung ringendes Großhirn nicht blockiert. Sie müssen den Umgang mit Ihren instinktiven Reaktionen trainieren. Sie müssen lernen, diese Überlebensreaktionen bewusst zu bekämpfen, sie für sich, statt gegen sich arbeiten zu lassen, Ihr Erregungsniveau so zu beeinflussen, dass Sie in der Lage sind, frei und unbeeinträchtigt in der Klausur zu denken. 

Vor einer Klausur zeigen sich mehr oder weniger drei Hauptkategorien von Klausur-Stresssymptomen:

Physische Klausurenstressoren: 

Beschleunigter Puls, zitternde Stimme und Hände, Kloß im Hals, Hitzewallungen, Schwächegefühl, nervöser Magen und Darm, Übelkeit, Hyperventilation, tränende Augen, laufende Nase.

 Geistige Klausurenstressoren:

Plötzliches Vergessen gerade noch vorhandener Gedanken, ständiges gebetsmühlenhaftes Wiederholen von Gedanken, das den Denkfluss hemmt, ein allgemeiner Zustand der Verwirrung, Denksperre, Denkblockade, ein Delirium der Begriffe.

Emotionale Klausurenstressoren:

Zu den emotionalen Reaktionen gehören: Beklemmungsgefühl; Eindruck, von der Situation überwältigt zu werden; das Gefühl, die Kontrolle über sich selbst verloren zu haben; Hilflosigkeit; Verlegenheit; Panik; Gefühl der Beschämung und Demütigung; Empfinden des Alleingelassenseins.

Im traditionellen Ansatz werden die Ängste und Stressoren vor einer Klausur als Einzelerscheinungen abgetan, als einfacher Fall von Nervosität, der man mit Willensstärke Herr werden könne. Wenn man nur etwas positiv denke und sich konzentriere, dann solle es gelingen, in der Situation einer Klausur den Pulsschlag, die Denkblockaden und die Beklemmungsgefühle auf ein normales Maß herunterzuzwingen. Der aufmunternde Zuruf „Kopf hoch!“ hat indes noch keinem so richtig geholfen. Wie viele Studien zeigen, sind die Stressoren eine so starke und geradezu zwangsläufige Reaktionsweise auf die Klausurensituation, dass alleine die Willenskraft als Gegenmittel völlig ungeeignet und wirkungslos ist. Wer die freie Willenskraft hier ins Feld führt, zeigt nur seine Unkenntnis über unsere tiefsten Triebe und Ängste. Es hilft nichts: Man muss diesen Stress anerkennen und nicht verniedlichen oder gar verstecken – sich seiner bewusst werden und im Klausuren-Training gegen ihn angehen. Man muss die Angst vor der Klausur durch Übung, intensives Auseinandersetzen mit den Stressoren und mit Hilfe optimaler Klausurvorbereitung bekämpfen. 

 

Sie müssen zum Souverän der Klausurensituation werden, nicht diese über Sie! Dazu einige Tipps. Denn: Es gibt kein Geheimnis des Klausurenschreibens. Es gibt nur Studenten, die sich nicht zielstrebig darum bemühen.

 

  1. Sie müssen sich zunächst klar machen, dass Sie nicht der Einzige sind, der in der misslichen Lage ist.

Sie polen die Versagensangst in einen aktiven Spannungszustand um, der Sie beflügelt und nicht paralysiert. Sie durchbrechen den Teufelskreis der „Klausurenteufelei“! „Jetzt geht es los!“ „Ich kann zeigen, was ich kann!“

  1. Sie vermeiden das Lampenfieber! 

Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass Lampenfieber in der Regel mit Vermeidungsstrategien gekoppelt ist. Jemand, der Angst vor der Klausur hat, wird die Arbeit daran bis zur letzten Minute hinauszögern. Je näher der Zeitpunkt rückt, an dem eine Verschiebung nicht mehr möglich ist, desto größer werden die Panik und das Vermeidungsverhalten. Der beste Weg, um Lampenfieber zu vermeiden, ist, sich jetzt sofort an die Arbeit zu machen und sich in seinem selbstaufgestellten Klausurentrainings- und juristischen Lernprogramm das notwendige Können und Wissen anzueignen. ( Studienalltag)

  1. Lernen Sie vom Sport!

Spitzensportler können sich auf den Punkt konzentrieren, bekommen den „Tunnelblick“ und lassen die Angst des Schützen beim Elfmeter oder des Tennisspielers vor dem Matchball gar nicht erst aufsteigen. Den Sportlern wird beigebracht, sich den Verlauf eines Elfmeters, einer Bergetappe bei der Tour de France oder eines Matchballs ganz genau vorzustellen – die Situation vorab (mental!) Punkt für Punkt, Sekunde für Sekunde, Meter um Meter durchzugehen. Tennis- und Golfspielern, Skifahrern, Reitern, Turnern, aber auch Solisten in der Musik – also Einzelkämpfern – ist diese Technik überaus hilfreich. Ein Einzelkämpfer sind auch Sie in einer Klausur. Auch Sie müssen die Klausur antizipieren! Spielen Sie den Klausurenablauf in Ihrem mentalen Kino mehrfach durch! Ein „Hirnkino“ antizipiert Schwierigkeiten und ermöglicht durch das innere Ansehen des Films „Klausur“ konkrete Planungen. Vor allem hilft es dabei, die Emotionen in dieser kritischen Situation der Klausur zu kontrollieren. Denn jede detaillierte Imagination eines Ereignisses weckt auch die damit verbundenen Gefühle. Wenn Sie diese aber schon mehrmals „in Gedanken“ erlebt haben, können Sie sie später in der realen Situation besser steuern. Die Klausur überrascht und überwältigt Sie nicht mehr. Suchen Sie den Klausurenraum vorher schon mal auf und setzen Sie sich fünf Minuten auf einen Stuhl! Das hilft!

 

  1. Rufen Sie sich dann und wann in Erinnerung, wie viel Sie schon erreicht haben und nicht immer das, was Sie noch nicht können.

Denken Sie daran, wie viele hinter Ihnen gehen, wenn Sie hinschauen, wie viele Ihnen voran gehen. Denken Sie auch daran, wie viele Sie schon überflügelt haben. Denken Sie nicht: „Ist eh‘ nicht so wichtig, Spitze zu sein.“ Sie verkennen dabei, dass das Bewusstsein, im Studium besser zu sein als der Durchschnitt, eine der wichtigsten Quellen für Ihre Selbstachtung und Ihr Studentenglück ist. ( Motivation)

  1. Ganz wichtig: Profitieren Sie vom richtigen Umgang mit „Altklausuren“! Klausuren-Schreiben lernt man durch Klausuren-Schreiben, Klausuren-Lösen lernt man durch Klausuren-Lösen.

Das „Lernen am Fall“ ist wesentlich erfolgreicher als das „Lehrbuchlernen“. Schließlich hat sich die Simulation bewährt, d.h. Bedingungen und Verhältnisse herzustellen, die denen in der Realität entsprechen. 

 

Schreiben Sie Klausuren unter Prüfungsbedingungen! Besorgen Sie sich alte Klausuren und bearbeiten Sie diese in der vorgegebenen Zeit, wenn möglich zigfach. Klausuren schreiben heißt, sich eine Konfrontationstechnik für Situationen anzueignen, in denen es darauf ankommt, dem Schrecken zu trotzen. Altklausuren zu schreiben, ist eine Zeitinvestition mit hoher und weitreichender Erfolgsrendite. Klausurentechnik lernt man durch Klausurenpraxis! Sie können erst dann eine Klausur richtig handhaben und die Stressoren des Klausurenschreibens bekämpfen, wenn Sie einmal „erfahren“, was eine „Klausur schreiben“ heißt – dann „wissen“ Sie es erst. 

 

Nun kann der Student auf verschiedene Weisen mit „Altklausuren“ umgehen:

  1. Üben Sie sich in gängigen juristischen Formulierungen und Ausdrücken!

Legen Sie sich ein „Formulierungsheft“ an, welchem Sie geläufige juristische Redewendungen anvertrauen, so dass sie Ihnen irgendwann in Fleisch und Blut übergehen. ( Klausurensprache Klausurenformulierungshilfen)