Verstummt ist mittlerweile die früher von Professoren weit verbreitete pauschale Kritik in Hörsälen gegen die Aufbauschemata. Im Gegenteil: Heute zeigt sich eine geradezu überschwängliche Tendenz, vorhandene Schemata durch immer mehr und immer neue Unterpunkte so zu überfrachten, dass sie ihren Sinn verlieren: das einprägsame Modell. Statt dessen verleiten solche „Hilfen“ zu meist überflüssigen Erwägungen, die häufig mit Randbemerkungen wie „abwegig“ bestraft werden. Schemata sind Grundmuster, systematische Raster, die wie Schablonen wirken. Gute Schemata sind durch so viele Fälle durchgelaufen, dass sie keine Bindungen mehr zum Einzelfall haben. Sie sind entstanden durch das „Ausfällen“ von Gemeinsamkeiten aus dem Gemisch der Einzelfälle. Nur diese Gemeinsamkeiten werden in die Schemata eingestellt – das macht sie zu sturmerprobten Hilfen. Allerdings brauchen die Schemata immer ihr Gegenüber: den Fall. Sie sind kein Selbstzweck, lediglich ständiger Fallbegleiter. Die Verschiedenheit der Fälle hebt die Einheit der Schemata nicht auf, sondern ihre Einheit behauptet sich in der Verschiedenheit der Fälle. Über die Notwendigkeit und Brauchbarkeit von Prüfungsschemata oder Aufbaupaketen zu streiten, erscheint müßig. Entscheidend ist, dass der Klausurand den Fall an der Elle seines Schemas messen kann. Wendet man kein Schema an, besteht die viel größere Gefahr, Wichtiges zu vergessen und Unwesentliches auszuwalzen. Dieser Gefahr versuchen die Schemata gerade vorzubeugen. Es kann nur dringend empfohlen werden, sich solche Grundstrukturen einzuprägen, und sei es auch nur dazu, im Ernstfall der Klausur festzustellen, dass sie nicht passen. Sie können aber darauf vertrauen, dass sie passen, Sie sich in der weitaus überwiegenden Zahl der Klausuren eng an von alters her aufgestellte und sturmerprobte Hilfen anlehnen können. Ausnahmefälle vermag man dann umso besser zu erkennen. Denken Sie nur daran, dass sich der Aufbau immer am jeweiligen Sachverhalt zu orientieren hat.
Einige Tipps zur Anwendung von Schemata am Fall:
- Spielen Sie gedanklich die Rolle des Anspruchstellers oder des Täters, der die Rechtsfolge für sich begehrt oder erleiden muss. Überlegen Sie, warum er diese Rechtsfolge und keine andere für sich verlangt oder gegen sich ablehnt. Versetzen Sie sich in ihre Interessenlagen, in die Welt der anspruchsbegründenden oder strafbegründenden Tatsachen.
- Spielen Sie nunmehr gedanklich die Rolle des Anspruchsgegners oder Anklägers, der die gegenteilige Rechtsfolge erstrebt. Überlegen Sie, warum er die andere Rechtsfolge ablehnt. Versetzen Sie sich in ihre Interessenlagen. Bauen Sie um der Klarheit willen die Argumente der Gegenseite auf.
- Spielen Sie gedanklich die Rolle des Anspruchsstellers oder Täters weiter, um eventuelles Gegen-Argumentationsmaterial zu entdecken.
Der Gebrauch von Schemata schließt in der konkreten Klausurensituation nicht aus, einen abweichenden Aufbau und divergierende Gewichtungen vorzunehmen. Wenn man in Zweifel gerät über die Frage, ob und, wenn ja, welches Schema gerade für diesen Sachverhalt am zweckmäßigsten gewählt oder verworfen werden sollte, dann wende man sich an die einzige Instanz, vor der sich alle Gliederungen, Schemata, Standardstrukturierungen, Sachverhaltsinterpretationen oder Klausurenmodelle zu verantworten haben: Ihre Logik! Es gibt – jedenfalls im Klausurensaal – keine Instanz über Ihrer Vernunft!