Potente juristische Studentengehirne stärken sich nicht nur durch Lesen und Hören, sondern mehr noch durch die Systematisierung des Gelesenen und Gehörten.

Als Eselsbrücke könnte der Merkspruch dienen: „Dem System Jura ist das System systemimmanent.“

Ein Betriebsgeheimnis der Juristerei vorweg: Die Fähigkeit des guten Juristen besteht darin, mit einer großen, aber doch endlichen Zahl von Gesetzen unter Zuhilfenahme weniger methodischer Regeln eine unendliche Zahl von Fällen systematisch zu lösen. Die einzelnen methodischen Teile („Puzzlesteine“) der Juristerei erhalten ihren Wert, ihre Bedeutung einzig und allein durch ihr systematisches Zusammenwirken im „System Jura“. Das Wort „System“ bedeutete ursprünglich etwas eher Konkretes: Ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes und gegliedertes Ganzes. Ein reales „Puzzle“. Auf den Hochschulen versteht man unter System heute eher etwas Abstraktes: Eine geordnete Verbindung zusammengehöriger Denkbestimmungen (z.B. juristische Inhalte) zu einem relativ geschlossenen Ganzen. Ein geistiges „Puzzle“.

Die Juristerei stellt sich als ein solches geschlossenes, parallel und hierarchisch gegliedertes Ganzes dar. Sie ist ein solches reales und geistiges Puzzle, ein Inbegriff von Begriffen, ein Ganzes von ➞ Gesetzen, Regeln, Prinzipien, Sätzen und ➞ Methoden, die durch eine gemeinsame Methodik innerlich verbunden sind. Sie erscheint als ein vereinigender Aufbau aus einfachen, sich nach oben fortgesetzt komplizierenden Elementen, wie Etagen und Stockwerke, die sich neben-

 

und übereinander lagern. Die Juristerei gliedert sich nach ihren parallelen Rechtsbereichen: Öffentliches Recht, StGB, BGB und dem „Rest“ immer von oben nach unten in einer hierarchisch abgestuften Begriffsfolge, der organischen Einheit des juristischen Rechtsbereichs entsprechend. Durchweg werden die Teilungen und Unterteilungen, Stockwerke und Etagen, Räume und Kammern dieses System-Gebäudes durch ➞ Definitionen abgegrenzt, festgelegt und durch juristische Methodik verbunden. Jede dieser Definitionen und Methoden ist mit Rücksicht auf die übrigen formuliert und entwickelt worden. In ihrer systematischen Gesamtheit sichern sie die Identität der zusammengesetzten Denkinhalte (Gesetze) und Methoden ihrer Anwendung mit nur einem einzigen Ziel: Gesetz und Sachverhalt für eine gerechte Falllösung zusammenzubringen.

Das riesige Gewimmel der für Sie neuen bürgerlich-rechtlichen, verfassungsrechtlichen oder strafrechtlichen Paragraphen können Sie nur sach-systematisch und systematisch-hierarchisch von oben nach unten und von links nach rechts, denken. Der Übergang vom schulischen zum juristischen Denken erfordert das Erfassen des „Systematisierens“ und die Erkenntnis, dass man Zusammenhänge nur dann begreifen kann, wenn erstens gewusste, juristische Dinge da sind, zwischen denen man dann zweitens einen systematischen Zusammenhang herstellen kann. (➞ Denkableitungen beim Jurastudium)

 

Das eigentliche „Juralernen“ erfasst nie einen singulären Fall oder ein vereinzeltes Problem, sondern immer auch den Grund für den Fall dieser Art und die Einbettung des Problems in den über-, neben- und untergeordneten Systemzusammenhang. Wofür steht dieser Fall, dieses Gesetz, dieses Problem Pate? Abstrahieren Sie die Essenz aus dem Fall, aus dem Gesetz, aus dem Problem! Suchen Sie die juristische Verallgemeinerung im Speziellen, das Systematische im Zusammenhanglosen, das Abstrakte im Konkreten. Fragen Sie sich immer: „Was will mir dieses Gesetz, dieses Problem, dieser Fall über sich selbst hinaus sagen?“ – „Wie ordne ich die Antworten auf diese Fragen in meine juristischen Gesamtzusammenhänge ein?“ Das Baumdiagramm legt diese verborgenen systematischen gesetzlichen Zusammenhänge frei!

 

Was ist ein Baumdiagramm?

 

Ein Baumdiagramm ist ein wichtiges Entkomplizierungsmittel und damit ein juristischer „Verständnis-Star“. Es ist ein Kunstgriff, der das intelligente, strukturierte, nach systematisierender Einfachheit strebende juristische ➞ Lernen entscheidend fördern kann.

Wissen reicht in der Juristerei nicht, man muss „verstehen“. „Verständnis“ bedeutet eine zumindest vorläufige stabile Deutung von Zusammenhängen. In der Juristerei heißt das das Erkennenlassen und Begreifen von Zusammenhängen zwischen juristischem Wissen und übergreifenden Methoden. Wie funktioniert „verstehen“? Unter anderen Phänomenen sicherlich durch Vereinfachung, Prägnanz, Sinnfälligkeit und Ordnung. Diese „Bäume“ sind die Instrumente, das juristische Verständnis zu lernen! Wird nun bei Ihnen diese Erkenntnis sehr früh geweckt und fest auf Ihrer Gedächtnisfestplatte verankert, dann wird auch die Gefahr, sich im „System Jura“ zu verlaufen, geringer. Bei der Suche nach „Verständnis“ wird mit Hilfe der Baumdiagramme aus leidender Passion des Anfängers bald passionierte Leidenschaft. Mit solchen Systemen lernen Sie allmählich das Recht „beherrschen“ in seinen Hierarchien, seinen Tiefen, Breiten und Höhen und mit seinen vielen Verästelungen. Mit solchen Systemen hat man anfangs noch grobmaschige, allmählich immer feinmaschigere juristische Landkarten im Kopf und kann sich immer besser orientieren. Egal was an juristischen Problemen, Paragraphen oder Instituten auf Sie zukommt, und das werden gerade am Anfang nicht wenige sein. Sie können sich selbst immer wieder mit Ihren Baumdiagramm-System-Wegweisern in die Gesetzessystematik hineinfinden. Sie können Ihre neue Erkenntnis an die alten Erkenntnisse besser ankoppeln und Neues wie Altes in die Systeme eintäfeln. (➞ Assoziatives Lernen)

 

In jedem Problem, Fall und Gesetz steckt mehr als das real Anwesende! Denken Sie das real abwesende, aber potentiell anwesende System immer mehr oder weniger mit. Das schult das juristische Verständnis. Das „Mehr oder Weniger“ gibt dabei den Ausschlag dafür, ob Sie ein guter oder schlechter Jurabeginner werden. Das System ist die Hintergrundstrahlung für jedes juristische Problem.

Signalisieren lässt sich diese Erkenntnis in den Merksprüchen:

 

Wie funktioniert nun so ein Baumdiagramm?

 

Seine Theorie heißt vor allem: Bäume pflanzen, Äste, Zweige und Blätter beschriften! Die Struktur eines Baumdiagramms kann mit der Ansicht eines Baumes aus der Froschperspektive verglichen werden. Während der „Stamm“ mit dem Thema bezeichnet wird, markieren die „Äste“ zugehörige Hauptpunkte, die „Zweige“ Unterpunkte und die „Blätter“ Feinpunkte. Die Technik können Sie schnell erlernen. Die nachfolgenden vier Schritte sollen Sie zu einem ersten Verständnis führen.

  1. Schritt: Nehmen Sie einen DIN-A4-Bogen im Querformat und etikettieren Sie oben in die Mitte des Blattes das zentrale Thema.
  2. Schritt: Von Ihrem Zentrum (dem „Stamm“ Ihres Baumes) gehen Hauptäste aus, die Ihr Thema in einzelne Bereiche – Hauptpunkte – aufsplitten. Sie gewinnen eine Grobstruktur. Die Hauptäste etikettieren Sie als Hauptpunkte mit prägnanten Stichwörtern.
  3. Schritt: An die Hauptäste können weitere Zweige und Blätter angefügt werden. Sie stellen einzelne Ideen oder Ideengruppen dar. Nun werden Sie es zu schätzen wissen, ein DIN-A-Blatt im Querformat gewählt zu haben. Einzelne Stichwörter als etikettierende Bezeichnungen der Zweige genügen als Assoziation für Ihr Gedächtnis und Gehirn. Doch sollten die Etiketten von Ihnen mit Pfiff individuell und vor allem merkfähig gewählt sein.
  4. Schritt: Nachdem Sie das Baumdiagramm erstellt haben, können Sie durch Nummerierungen Prioritäten setzen oder Bearbeitungsreihenfolgen festlegen.

Einige Grundregeln zu diesem „Baum der Erkenntnis“. Er ist ein zentraler Helfer im Kampf gegen das ➞ Vergessen!

Es gibt keinen (!) juristischen Lernbereich, in dem Sie das „Kreativitätswerkzeug Baumdiagramm“ nicht einsetzen können! Es gibt kein Problem oder Stoffgebiet, welches Sie nicht in der Systemdiagrammform strukturiert darstellen und sich einprägen können. Sie müssen sich nur darum bemühen und sich im Systemdiagrammdenken und Strukturieren trainieren! Jede juristische Information haftet ganz anders in Ihrem Langzeitgedächtnis, wenn sie von einem Baumdiagramm huckepack genommen worden ist. Dieser juristische Lern-und-Verständnis-Aufbereiter ist von allergrößter Bedeutung für Ihr juristisches Verstehen, Lernen und Behalten sowie Garant dafür zu verhindern, dass Informationen von Ihrem Kurzzeitgedächtnis bewusst oder unbewusst nicht ins Langzeitgedächtnis transportiert oder von diesem wieder vergessen werden.

 

Den Einsatz dieser Baum- oder Systemdiagramme beherrschen nur wenige Studenten. Und doch liegen diese System-Bäume wie Gitternetze aller juristischen Komplexität, allen juristischen Denkvorgängen und Tätigkeiten zugrunde. Sie müssen lernen, in Form solcher Systembäume den zu erarbeitenden Stoff, das Rechtsgebiet, das Rechtsinstitut, den Fall, das Gesetz, schlicht: alles Juristische zu systematisieren und so systematisch-horizontal und systematisch-vertikal durchdringbar zu machen.

Zunächst müssen Sie die juristischen Problemfelder überhaupt erkennen, klar. Dann müssen Sie das Problem analysieren, dann strukturieren und optisch in Bäumen darstellen! Denken Sie daran: Der Mensch ist ein Augentier. Über das Sehen ist es leichter, zu speichern und zu denken. Diese Aufnahmebereitschaft des Auges müssen Sie ausnutzen. Um sich Wissensgebiete begreiflich zu machen, sollten Sie mehr zum inneren Auge reden. Das Mittel: der juristische Baum der Erkenntnis! Wenn Sie das Problemfeld erkannt, analysiert und systematisiert haben, müssen Sie ein Viertes tun: Sie müssen Vorrangigkeiten und Nachrangigkeiten für Ihre Haupt-, Neben- und Unterpunkte im Baumdiagramm festlegen. Das nennt man priorisieren. Nicht alles ist gleich wichtig!

 

Diese „Bäume“ erlauben es, ursprungsverwandte Bereiche z.B. des BGB, seine Gesetze und Rechtsinstitute (z.B. Stellvertreter) trotz ihrer Abwandlungen in Sprache, Aufbau, Funktion und Stellung zu vernetzen. „Die Hierarchiesysteme“ bilden die Grundlagen der vergleichenden und aufbauenden juristischen Systematik und damit die Erkenntnis von Systemverwandtschaft und von methodischem Aufbau der Juristerei.

Einem solchen „System-Baum“ liegt immer ein „Ordnung-in-Ordnung-Prinzip“ zugrunde:

Jeden dieser Unterpunkte kann man jetzt fokussieren und weiter auffächern. Viel mehr steht nicht im Allgemeinen Teil des StGB. Egal, wo und wann ein Strafrichter in deutschen Gerichtssälen zu Gericht sitzt, er hat es materiell immer mit Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld, mit Täterschaft und Teilnahme, Versuch, Unterlassen oder Irrtum – jeweils kombiniert mit einem oder mehreren Tatbeständen des StGB-BT – zu tun, was er formell mit strafprozessualen Mitteln zu erhellen versucht.

Systemdenken in Baumdiagrammen ist ein methodischer Zaubertrank für das kreative juristische Verstehen. Die Rechtsordnung ist nämlich ein festgefügter Regelraum mit immanenten Hierarchien, Gliederungen und Strukturen, letztlich ein durch logisch erschließbare juristische Baumdiagramm-Systeme gebändigtes Gesetzeschaos.

Viele Dozenten, die meisten Lehrbücher und insbesondere die Kommentare favorisieren nicht die Baumdiagrammtechnik, sondern das punktuell-lineare Denken. Dabei werden Gesetz für Gesetz, Tatbestandsmerkmal für Tatbestandsmerkmal, Anspruchsvoraussetzung für Anspruchsvoraussetzung, Punkt für Punkt jeweils getrennt voneinander angegangen. Diese werden dann geradlinig-linear nach unten ohne systemknüpfende Seiten- oder Auf-Blicke abgehandelt, also ohne immer wieder (!) den Weg über die darüber oder daneben gelagerten Baumstrukturen zu nehmen. Der Student ahnt zwar, dass irgendeine höhere Systematik dahinterstecken muss, verbleibt aber bei seinem vereinsamten Einzelmerkmal mit sich allein gelassen in der meist unbegründeten Hoffnung, diese Systematik eines fernen Tages auch einmal zu durchschauen. Merkmal für Merkmal wird vom Dozenten oder Lehrbuch mit Mühe und Fleiß jeweils als Solitär gepflanzt, ohne dass sich diese isolierten und zusammenhanglosen Einzelstämme im Langzeitgedächtnis zu einem stattlichen Wald zusammenfügen. Hier passt das Sprichwort: Der Student sieht vor lauter Bäumen (Einzelheiten) den Wald (Gesamtwerk) nicht mehr.

Sie sehen, dass jeder beliebige Punkt innerhalb eines solchen systematischen Strukturbaums durch eine dreifache Blickrichtung seine Prägung erhält:

Begriffe

 

Schon sind Sie drin – im hierarchischen System! Es ist eine Matroschka-Technik wie bei den russischen Püppchen, orientiert am Enthaltensein von Etwas in Etwas, vom kleinen „In“-halt bis zur Vereinigung aller kleineren Behälter im Großbehälter der Rechtordnung.

 

Sie werden bald selbst erkennen,

 

 

 

 

 

 

Sie können einmal versuchen, auch den allgemeinen Teil des StGB im Hinblick auf die Straftat (ohne den Rechtsfolgenteil) zu strukturieren!