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Wiederholung als Lernhilfe

Ein richtig gutes Gegengift gegen das Gift des ➞ Vergessens gelernten  juristischen Wissens ist das Wiederholen. Es gibt kein besseres! Wiederholen heißt hier nichts anderes als etwas „wieder“ hervor„holen“, sich etwas wieder zurückholen. Dazu muss allerdings etwas da sein, was hervor- bzw. zurückgeholt werden kann.

Am besten lernen die Studenten, die sich mit der Einsamkeit des Wiederholens schnell und problemlos abfinden. Letztlich führt am Wiederholen nämlich kein Weg vorbei. Nur so bleibt Jura dauerhaft im Gedächtnis! Ein einmaliges Verstehen und Können bei der Neudurchnahme juristischen Stoffes, auch bei den besten didaktischen Lehrmeistern, selbst mit den besten Lernmethoden der Assoziationsketten und Wissensbrücken, gelingt nur Genies. Lernen ist im Wesentlichen ein Behaltensphänomen; immer ein Bewahren, ein „Aufheben“, ein Speichern – kurz: ein Nichtvergessenwollen ist beabsichtigt.

 

Das entscheidende Mittel für die Verhinderung jedweden Lernerfolges ist es, den Stoff nur einmal aufzunehmen. Es hilft allen Studenten nur eines zum nachhaltigen Erfolg: Lernen – Wiederholen – Üben! Lernen – Wiederholen – Üben! Besser werden!

 

Wer richtig wiederholt, verbessert die Disposition und Schnelligkeit für die nächste Wiederholung. Das schafft Kondition für die lange Wegstrecke bis hin zum Examen. Beim Wiederholen kommt Ihnen eine wichtige Tatsache zu Hilfe: Die rasant in den Keller rasende Vergessenskurve bezieht sich nämlich ausschließlich auf all die tausend wuselnden Einzelheiten, nicht auf das Ganze. Der ➞ Vertrag mit den sechs Säulen: Angebot, Zugang, Annahme, Zugang, inhaltliche und zeitliche Deckungsgleichheit – das Ganze also, ob im ➞ Baumdiagramm oder in der assoziativen Vernetzung (➞ assoziatives Lernen) abgespeichert und eingeprägt, wird so schnell nicht vergessen. Dass Angebot und ➞ Annahme nur wirksam werden durch ➞ Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB), sitzt; die unterschiedlichen Detail-Zugänge bei ➞ Abwesenden und ➞ Anwesenden, verkörperter und nichtverkörperter Art, geschweige denn das Schicksal einer solchen bei ➞ Widerruf oder zwischenzeitlichem Tod des Erklärenden (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB), sind verschüttet. Aber es ist nicht unbedingt ein Trost, dass das Sechs-Säulen-System des Vertrages als Gesamtwerk haftet, denn in der Klausur muss man das Gelernte meist genauer, eben auch in seinen Winzigkeiten wiedergeben. Und doch! Wenn Sie sich an den lernmethodisch so effektiven ➞ Baumdiagrammen und Assoziationsketten entlanghangeln, die richtig beschrifteten Schubladen aufziehen (➞ Lernen des juristischen Lernens assoziatives Lernen), können Sie sich viel schneller die Einzelheiten „wieder-holen“, sie „wieder hervorholen“. Ihnen fällt das Einzelne anhand Ihrer Abrufreize und Schubladenbeschriftungen viel schneller wieder ein. Unsere Erinnerung ist so angelegt: Ein Teil der Erinnerung reaktiviert die ganze Erinnerung. Denn: Weg ist der Stoff nicht. Erinnerungen sind zwar nicht statisch, sie sind dynamisch, werden ständig redaktionell überarbeitet und überlagert, sind aber da und abrufbar durch Reize.

 

Einige Tipps zum Wiederholen:

  1. Da das Vergessen innerhalb der ersten 12 Stunden nach dem Lernen am stärksten ist, sollte die erste Wiederholung möglichst früh stattfinden.

 

  • Wiederholen Sie am Abend den Tagesstoff in einer übergreifenden Zusammenfassung!
  • Wiederholen Sie an den reservierten Wochenendvierteln (Min.: 1/4) den Wochenstoff! (➞ Studienalltag)
  • Wiederholen Sie nach einem Monat an einem ganzen Wochenendtag den Monatsstoff!
  • Wiederholen Sie in den Semesterferien den Semesterstoff!

 

Ihre Abwehr nehme ich vorweg: „Da komme ich ja aus dem Wiederholen nie heraus!“ Dem ist eben nicht so! Eine hoffnungsfrohe Lernerfahrung besagt, dass die für das Wiederholen benötigte Zeit im Verlaufe der Wiederholungen immer mehr abnimmt. Sehr bald genügt z.B. ein einzelnes Stichwort über das Zustandekommen eines Vertrages, und alles ist wieder präsent. Ein Teil evoziert dann das Ganze!

  1. Man muss nicht alles wiederholen. Sie bemerken sehr schnell, was für Sie persönlich schwierig und schwer merkbar ist und was recht flott von der Hand geht.

 

Zum Beispiel die ➞ Anfechtung oder das ➞ Abstraktionsprinzip oder der § 812 ff. BGB sitzen bei Ihnen überhaupt nicht? Dann müssen Sie hier eben öfter ran. Dagegen können Sie das Zustandekommen eines Vertrages zwischenzeitlich im Schlaf? Also weglassen!

 

  1. Zum Wiederholungslernen eignet sich die Lernkartei sehr gut.

 

Der Lernstoff, die Kommoden mit ihren Schubladen, die Puzzlesteine werden in Frage-Antwort-Form auf Karteikarten übertragen – auf die Vorderseite kommt die Frage, auf die Rückseite die Antwort.

Der Wanderweg der Lernkärtchen kann beginnen. Am Anfang sollten Sie möglichst schriftlich antworten – denken Sie an Ihre verschiedenen Lernkanäle.

Glauben Sie nicht, dass das Beschriften der Karten eine sinnlose Tätigkeit sei: Sie müssen sich nämlich durch die stringente Formulierung der juristischen Frage mit dem Lernstoff auseinandersetzen – und dabei lernen Sie.

Sehr gut bewährt hat sich bei vielen auch ein sog. Flipchart. Auf den großen Blättern dieses Mediums kann man wichtige, für das weitere Lernen notwendige, memorierungswürdige Grundschemata, Pakete, Puzzlesteine, Baumdiagramme, Schubladen – farbig markiert – auftragen, die man dann bei der Wiederholung zu jedwedem Anlass aufblättern kann. Ein Flipchart, das ist so etwas wie ein ewiges Gedächtnis.

 

 

Mit der Lernkartei und dem Flipchart schlagen Sie drei Fliegen mit einer Klappe:

Fliege 1:      Sie lernen bereits beim klaren, übersichtlichen, präzisen, vollständigen und einfachen Auftragen der Frage- und Antwort-Strukturierungen (schreiben).

Fliege 2     Sie gewinnen einen treuen Begleiter, der Fixiertes fix, zuverlässig und insbesondere einprägsam aus der Erinnerung hervorholt (Wiederholung).

Fliege 3:      Sie können ein Ihnen nur schwer zugängliches Paket eine Zeit lang vor Ihrem Auge stehen lassen. Steter Tropfen höhlt den Stein.

 

Flipchart und Lernkarten sind kein unnützer und zu teurer Aufwand, sondern ein Aufwand von hohem Lernertrag. Denken Sie nun nicht, das Wiederholungslernen sei nur mit der Lernkartei  und dem Flipchart möglich. Wenn Sie alten Lehrstoff aus Ihren Aufzeichnungen, Skripten oder Lehrbüchern lesend wiederholen, erzielen Sie dieselbe Wirkung. Wichtig ist nur, dass Sie es tun!

 

  1. Auch die Partnerarbeit eignet sich gut zu juristischen Wiederholungen – und beugt so ganz nebenbei der Isolation beim Lernen vor. Lernen vereinsamt nun einmal!

 

Gegen die Einsamkeit des Lernens gründet man eine gesellige Lern-AG. Eine solche Partnerarbeit kommt nicht für neuen Wissenserwerb und auch nicht als Dauerform in Betracht, sondern lediglich als willkommene Abwechslung und Zwischenstufe des Lernens. Sie und Ihr Freund sprechen sich ab: „10 Minuten Zeit! Erlöschen durch Erfüllung! §§ 362 Abs. 1, 2, 364 Abs. 1 BGB, Abgrenzung zu § 364 Abs. 2 BGB.“ Gesetz raus, und Sie schreiben stichwortartig untereinander, was Ihnen beiden dazu einfällt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es entsteht ein gewisser Wettbewerb, es gestaltet sich alles mehr als ein Spiel (Spaß!), zweien fällt mehr ein als einem; im dialogischen Gespräch tauchen neue (alte) Erinnerungen auf.

Als weitere Möglichkeiten für die Partnerarbeit seien erwähnt:

  • das wechselseitige Vorlesen kleiner, in sich geschlossener Kapitel (langsam lesen!);
  • das gemeinsame Lösen von Fällen als Denksportaufgaben;
  • das gegenseitige Erklären (wichtig!) von Problemen;
  • das freie Vortragen der Falllösungen;
  • das „Ich-unterrichte-dich – du-unterrichtest-mich-Spiel“ frei nach dem römischen Motto: Docendo discimus: beim Lehren lernen wir;
  • Formulierungsübungen;
  • das wechselseitige Abrufen gespeicherten Wissens;
  • Jura-Quiz.

 

Partnerarbeit macht einfach mehr Spaß als das isolierte Brüten, birgt aber auch die große Gefahr oberflächlichen Zeitvertreibs und blödelnder Ablenkung.

  1. Der beste Lernerfolg ist keineswegs dadurch zu erzielen, dass man die zur Verfügung stehende tägliche oder wöchentliche Gesamtwiederholungszeit nur einseitig durch reine Wiederholung in Form erneuten „Durcharbeitens“ nutzt.

 

Die „stumpfe“ Wiederholung führt nicht zur bestmöglichen, längerfristigen Einprägung und ist auf Dauer langweilig. Besser ist es, wenn Sie die Gesamtwiederholungszeit im fliegenden Wechsel in die angeführten alternativen „Vergissmeinnicht-Möglichkeiten“ aufteilen:

  • Karteikarten
  • Partnerarbeit
  • Ich-unterrichte-dich–du-unterrichtest-mich-Spiel
  • Quiz
  • Flipchart-Arbeit
  • Erneutes Durcharbeiten

 

  • Selbstprüfung im Selbstgespräch

 

Dadurch verhindern Sie am wirkungsvollsten, dass sich Lernhemmungen aufbauen und dass Sie dem ewigen Vergessen hilflos ausgeliefert sind. Durch abwechslungsreiche Wiederholungen sind Sie es eben gerade nicht!

 

  1. Wiederholungen haben nicht nur den unbestreitbaren Sinn, Sie im Abwehrkampf gegen das Vergessen zu unterstützen, vielmehr auch den, Sie sowohl in Ihrem Wissen zu bestätigen (Belohnungseffekt), Sie aber auch mit Ihrem Nichtwissen zu konfrontieren (Bestrafungseffekt) und Sie dadurch zu einem lernstrategischen Umdenken und vielleicht neuen Lernansatz zu animieren.

 

  1. Ein vorletzter Tipp zum Wiederholen: Teilen Sie das Wiederholungsprogramm so ein und grenzen Sie es zeitlich so ab, dass es nicht zu stark mit den anderen Phasen des Lernens in Konflikt gerät.

 

Wichtig ist die Wiederholung, wichtiger die Eroberung neuen Stoffes, noch wichtiger, dass man das, was man wiederholt, verstanden hat, am wichtigsten ist aber das Training am Fall! Jura ohne Fall, Gesetz ohne Sachverhalt darf es in Ihrem Lernen eigentlich nicht geben! Man kann nämlich nur wiederholen, wieder hervorholen, was man sich angeeignet und bewahrt hat. Aber trennen Sie die Phasen scharf voneinander ab, damit nicht alles zerfließt.

  • Ohne neue Begegnung mit Jura (Aneignungsphase) – kein Aufheben des Erlernten (Bewahrungsphase).
  • Ohne Aneignung und Bewahren – kein Wiederhervorholen (Wiederholungsphase).
  • Ohne gezielte Wiederholung – kein kompetenter Einsatz der erworbenen Lernpotentiale „am Fall“ in der ➞ Klausur (Reproduktionsphase).
  1. Der wichtigste Tipp: Am wichtigsten ist das Training am wiederholenden Fall! Jura ohne Fall, Gesetz ohne prägenden Sachverhalt darf es in Ihrem Wiederholungs-Lernen eigentlich nicht geben! Sie wissen schon: Zunächst am einfachen Normalfall, dann erst am komplexen Exoten!

 

Eine kleine, hoffentlich hilfreiche Lebensweisheit zum ewigen Wiederholen für Sie: Begehre nicht nur das, was du nicht weißt! Genieße öfter das, was du schon weißt! Das ist Balsam für die geschundene Juraanfängerseele. Also wiederholen Sie öfter das Alte!

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