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Zugang einer Willenserklärung

ist der Zeitpunkt, in dem eine ➞ Willenserklärung, wie z.B. das ➞ Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages oder die ➞ Kündigung des Arbeitgebers, die mit ihr bezweckte Rechtsfolge herbeiführt, sie also rechtlich existent, d.h. auf Juristendeutsch „wirksam“ wird. Die Vorschrift, die darüber (leider nur sehr lückenhaft) Auskunft gibt, ist § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Gesetzgeber hat, wie man den folgenden fünf Punkten unschwer entnehmen kann, den Eintritt einer Willenserklärung in ihre juristische Welt geradezu mystisch normiert:

  • 130 Abs. 1 S. 1 BGB weist zwei Begriffe auf, nämlich „Abgabe“ und „Zugang“.
  • 130 Abs. 1 S. 1 BGB regelt nur den Fall, dass die Willenserklärung unter ➞ Abwesenden („… in dessen Abwesenheit …“) abgegeben wird; für ein Wirksamwerden durch Zugang unter ➞ Anwesenden enthält sie keine Regelung.
  • 130 Abs. 1 S. 1 BGB gilt nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen („…, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, …“), also für Willenserklärungen mit einem Erklärungsempfänger. Für nichtempfangsbedürftige Willenserklärungen, z.B. § 1937 BGB (Testament), also Willenserklärungen ohne einen Erklärungsempfänger, schweigt er.
  • 130 Abs. 1 S. 1 BGB trifft keine Aussage über unterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen bei verkörperten Willenserklärungen (der Erklärungsinhalt ist auf Dauer fixiert, d.h. schriftlich) und nicht verkörperten Willenserklärungen (der Erklärungsinhalt ist nicht fixiert, d.h. Wort, Handzeichen, Nicken).
  • 130 Abs. 1 S. 1 BGB lässt die entscheidende Frage, was denn nun eine „Abgabe“ und was ein „Zugang“ sein sollen, völlig ungeklärt.

 

Ein Baumdiagramm als Überblick:

Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn der rechtsgeschäftliche Wille so geäußert ist, dass an der Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit kein Zweifel besteht und die Erklärung mit Wille des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden ist.

 

Beim Wirksamwerden wird es schwieriger. Das Wirksamwerden einer Willenserklärung hängt von drei sehr wesentlichen Unterscheidungen ab, nämlich davon,

  • ob die Willenserklärung erstens empfangsbedürftig oder ausnahmsweise nicht empfangsbedürftig ist,
  • zweitens verkörpert, also schriftlich fixiert oder nicht verkörpert ist und
  • drittens, ob sie gegenüber Anwesenden oder Abwesenden erfolgt.

 

Die wichtigsten Willenserklärungen sind empfangsbedürftig. Das bedeutet, dass sie nicht schon mit der Abgabe, sondern erst dann wirksam werden, wenn der andere Teil sie empfängt. So sind die beiden „Renner“ unter den Willenserklärungen, nämlich die den Vertrag bildenden Bestandteile ➞ Angebot und ➞ Annahme, grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärungen. Dies ergibt sich für das Angebot ausdrücklich aus § 145 BGB („einem anderen“) und für die Annahme aus § 146 BGB („diesem gegenüber“).

Der Grund für dieses Erfordernis der „Empfängnis“ liegt in der Natur der Sache: Da die Willenserklärung als wesentlicher Bestandteil eines ➞ Rechtsgeschäftes regelmäßig eine bestimmte andere Person (wie z.B. eben den Vertragspartner) betrifft, soll sie erst wirksam werden, wenn dieser als Empfänger der gesendeten Willenserklärung von ihr Kenntnis nehmen kann. Das gilt auch dann, wenn die Willenserklärung nicht Bestandteil eines zweiseitigen, vielmehr Bestandteil eines einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäftes ist. Die Kündigung eines Mietvertrages durch den Vermieter oder die Kündigung eines Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber wird erst mit dem jeweiligen Empfang der Kündigungserklärung durch den Mieter oder Arbeitnehmer wirksam.

Die empfangsbedürftige Willenserklärung muss von dem anderen Teil empfangen worden sein. Damit ist derjenige gemeint, an den sich die Willenserklärung richtet, der sogenannte Adressat.

 

In seltenen Fällen ist die Willenserklärung nicht empfangsbedürftig. Dabei handelt es sich in aller Regel um Willenserklärungen, die Bestandteil einseitiger Rechtsgeschäfte sind und bei denen eine Bindungswirkung für den Erklärenden bestehen soll, auch ohne dass seine Erklärung einer bestimmten Person zugeht. Beispielsfälle sind etwa das Testament (§ 1937 BGB) und die Auslobung (§ 657 BGB). Solche Willenserklärungen werden schon dann wirksam, wenn der Erklärende sie – in aller Regel schriftlich – so artikuliert hat, dass ein objektiver Beobachter sie als abgegeben ansieht. Der Erblasser legt z.B. das unterschriebene Testament in seine Schublade oder der Auslobende setzt die Belohnung durch Bekanntmachung in der Presse, auf Litfasssäulen oder durch Postwurfsendungen aus.

 

  • Zugang gegenüber Abwesenden

Eine weitere wichtige Unterscheidung ergibt sich bei der Frage, ob die empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber einem „anwesenden“ oder einem „abwesenden“ Empfänger abgegeben wird. Dabei ist unter einem „anwesenden“ derjenige Empfänger zu verstehen, der sich unmittelbar bei dem Erklärenden am gleichen Ort zur gleichen Zeit, also in dessen Hör- oder Sichtweite, befindet. Demgegenüber ist ein abwesender Empfänger derjenige, der sich nicht am gleichen Ort zur gleichen Zeit befindet, zu dem also kein unmittelbarer Kontakt besteht, sondern der erst zusätzlich hergestellt werden muss, z.B. durch Absenden eines Briefes, eines Faxschreibens, einer E-Mail oder Entsendung eines Boten.

Juristisch am interessantesten ist dabei das Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden. Der Gesetzgeber hat dieses, und nur dieses Problem in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB geregelt. Nach dieser Vorschrift wird die einem Abwesenden gegenüber abzugebende – also „empfangsbedürftige“ – Willenserklärung wirksam, wenn sie ihm zugeht.  – Was heißt aber „zugeht“? Der Begriff des Zugangs ist von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft definiert worden. Diese Definition ist wichtig.

Sie lautet: Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Em-pfängers gelangt ist, dass unter Zugrundelegung normaler Umstände mit der Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

 

Es ist also zunächst einmal erforderlich, dass die Willenserklärung in den sogenannten Machtbereich des Empfängers gelangt. Wegen dieses schönen Wortes „Machtbereich“ nennt man diese Konstruktion auch ➞ Machtbereichstheorie. Der Brief wird also z.B. in den Briefkasten eingeworfen; der Bote erreicht das Haus des Empfängers; der Anrufbeantworter des Empfängers zeichnet die gesprochene Erklärung auf; E-Mails gehen im Empfangsbriefkasten des Providers ein; das Kündigungsschreiben wird  unter der Tür durchgeschoben. Das Gelangen in den Herrschaftsbereich des Empfängers muss weiterhin so geschehen, dass der Empfänger von der Willenserklärung Kenntnis nehmen kann, also die „Möglichkeit“ der Kenntnisnahme hat. Es mag zunächst überraschen, dass die Definition nicht die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger als Zugangsvoraussetzung aufstellt, weil doch nur dadurch gewährleistet ist, dass der Empfänger von der Willenserklärung wirklich Kenntnis genommen hat. Der Grund hierfür wird aber ohne weiteres ersichtlich, wenn Sie sich folgenden Fall klarmachen:

 

Beispiel: Vermieter V möchte seinem Mieter M kündigen. Laut Mietvertrag ist eine Kündigung des Mietvertrages mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende möglich. Am Abend des 30.11. – etwa gegen 19.00 Uhr – wirft V seinen Kündigungsbrief in den Briefkasten des M. Der Briefkasten wird wie üblich am nächsten Morgen geleert. Da M eine Geschäftsreise unternehmen muss, legt er die Post ungeöffnet auf seinen Schreibtisch. Nach seiner Rückkehr am 3.12. kommt er erst dazu, den Brief des V zu lesen. Ist die Kündigung zum 31.12. oder erst zum 31.3. des nächsten Jahres wirksam?

 

Gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung unter Abwesenden wirksam mit Zugang. Die Kündigungserklärung des V müsste dem M also spätestens am 30.11. zugegangen sein, um zum 31.12. wirksam zu werden. Es kommt mithin darauf an, welcher Zeitpunkt als Zugang der Willenserklärung anzusehen ist:

Der Zeitpunkt, zu dem M das Schreiben tatsächlich gelesen hat, also der 3.12.?

Der Zeitpunkt, zu dem M den Brief dem Briefkasten entnommen und ihn auf seinen Schreibtisch gelegt hat, also der 1.12.?

Der Zeitpunkt, zu dem V den Brief in den Briefkasten des M geworfen hat, also der 30.11. um 19.00 Uhr?

Das Gesetz schweigt! Also ist das Tatbestandsmerkmal Zugang durch  ➞ Auslegung zu ermitteln, hier mit der Auslegungsmethode der ➞ teleologischen Reduktion. Was würde passieren, wenn man für den „Zugang“ die tatsächliche Kenntnisnahme voraussetzen würde? Der Empfänger hätte es in der Hand, durch bloße Nichtkenntnisnahme (Liegenlassen, Zerreißen) das Wirksamwerden der Willenserklärung zu verhindern. Und was würde passieren, wenn man für den Zugang nur das tatsächliche Ankommen der Willenserklärung im Machtbereich des Empfängers ausreichen lassen würde? Dann hätte es der Erklärende in der Hand, dem Empfänger eine Willenserklärung wirksam zugehen zu lassen, ohne dass dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann. Am 30.11. gegen 19.00 Uhr leert ein normaler Mensch unter normalen Umständen eben keinen Briefkasten!! Mit der Machtbereichstheorie werden nun die Interessen des Empfängers und des Erklärenden angemessen gewichtet, abgewogen und gleichermaßen berücksichtigt, so dass jeder von beiden die Risiken innerhalb seiner Wirkungssphäre zu verantworten hat. Wann jeweils diese Definition des Zugangs erfüllt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

Beispiele: Wird der eine Willenserklärung enthaltende Brief von dem Postboten in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen, so ist sie dem Empfänger zugegangen, weil sie in seinen Machtbereich gelangt ist und er Gelegenheit hat, von dem Brief Kenntnis zu nehmen. Wird ein Brief von einem Boten der Ehefrau des Empfängers mit der Bitte übermittelt, diesen am Abend sofort dem Empfänger vorzulegen, so ist er mit der Übergabe an die Ehefrau zugegangen. Anders ist es, wenn der Bote den Brief im Laufe des Vormittags dem 5-jährigen Sohn des Empfängers mit der Bitte übergibt, ihn „abends dem Vati“ zu geben, weil bei einem 5-Jährigen nicht mit der zuverlässigen Befolgung dieser Bitte gerechnet werden kann. Wirft ein Vermieter abends gegen 22 Uhr die schriftliche Kündigung in den Briefkasten des Mieters, so geht diese erst am nächsten Tage zu, weil vorher unter normalen Umständen nicht damit gerechnet werden kann, dass der Mieter noch in seinen Briefkasten schaut.

 

  • Zugang gegenüber Anwesenden

Wann eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber einem Anwesenden abzugeben ist, wirksam wird, ist in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nicht direkt geregelt, aber doch dem im Gesetz geregelten Fall des Zugangs unter Abwesenden sehr ähnlich. Und das ist ein typischer Anwendungsfall für eine Gesetzesanalogie: Also somit gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB analog auch mit Hilfe der „Machtbereichstheorie“. (➞ Analogie) Man muss dabei allerdings unterscheiden zwischen dem Zugang einer verkörperten und dem Zugang einer nichtverkörperten Willenserklärung.

Verkörpert ist eine Willenserklärung, wenn sie auf einem greifbaren Material fixiert, also niedergelegt ist. Die Willenserklärung ist dann durch die Fixierung „verkörpert“. Die nichtverkörperte Willenserklärung ist demgegenüber der gesprochene Satz oder die konkludente Handlung (Nicken, Zwinkern oder andere Arten des nonverbalen Zeichengebens).

Die verkörperte Willenserklärung wird unter Anwesenden mit ihrer Übergabe an den Empfänger wirksam, also mit Besitzübergang gem. § 854 BGB. Von diesem Zeitpunkt an ist die Willenserklärung im „Machtbereich“ des Empfängers, und er hat die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Weigert sich der Empfänger eines Kündigungsschreibens unberechtigterweise, die Erklärung entgegenzunehmen, so ist sie trotzdem wirksam geworden – der Empfänger könnte sonst das Wirksamwerden von Willenserklärungen nach Belieben verhindern (Gedanke aus §§ 242, 162 BGB). Er hatte die Möglichkeit der Kenntnisnahme.

Die nichtverkörperte Willenserklärung wird wirksam mit der Möglichkeit der Wahrnehmung durch den Empfänger mit Auge oder Ohr. Das gilt auch dann, wenn dieser die Willenserklärung falsch aufgenommen, sich also z.B. verhört hat. Die Willenserklärung wird mit dem Inhalt wirksam, den ein verständiger Hörer, der sich nicht irrt, ihr beimessen musste. Das ist in aller Regel der Inhalt, den der Erklärende ihr gegeben hat. Wenn im Laden der Verkäufer den Preis von „17,40 €“ nennt, der Kunde „14,70 €“ versteht, dann lautet das Angebot des Verkäufers trotzdem auf „17,40 €“. Akzeptiert jetzt der Kunde das Angebot – z.B. durch Einpacken der Ware (schlüssiges Handeln) –, so muss er 17,40 € bezahlen, weil dann zu diesem Preis der Kaufvertrag zustande gekommen ist. Allerdings kann sich der Kunde von diesem Vertrag durch ➞ Anfechtung wieder lösen, weil er sich über die Höhe des Kaufpreises geirrt hat.

 

  • Zugang der durch eine technische Einrichtung von Person zu Person übermittelten Willenserklärung

Gibt jemand am Telefon oder in einer Videokonferenz oder im Chat eine Willenserklärung ab, so handelt es sich einerseits um eine Willenserklärung unter Abwesenden, weil sich Erklärender und Empfänger nicht zur gleichen Zeit am selben Ort befinden.

Da andererseits die Telefonleitung bzw. die technische Einrichtung die notwendige Verbindung für den Austausch mündlicher Erklärungen herstellt, ist die Situation für die hier interessierende Frage mit derjenigen gleichzusetzen, in der der Empfänger bei dem Erklärenden anwesend ist. Wie aus § 147 Abs. 1 S. 2 BGB entnommen werden kann, gelten für die mittels technischer Einrichtungen abgegebenen Willenserklärungen die Grundsätze über das Wirksamwerden einer unverkörperten Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden.

Mitteilungen über Fernschreiber, Fax oder E-Mails sind dagegen Erklärungen unter Abwesenden und gehen zu mit einem wirksamen Ausdruck beim Empfänger bzw. beim Erreichen des Providers.

 

  • Spezialfall 1: Zugang der Annahmeerklärung Da auch die Annahme einer Willenserklärung eine Willenserklärung ist, muss auch sie wiederum wirksam werden, d.h. rechtlich lebendig. Dies geschieht nach § 130 BGB. Die einem Abwesenden gegenüber erklärte Annahme wird, wie jede andere derartige Willenserklärung auch, gem. § 130 Abs. 1 BGB erst mit Zugang bei dem Erklärungsempfänger, also dem Anbietenden, wirksam. Angebot – Zugang – Annahme – Zugang! Hiervon macht nun § 151 S. 1 BGB unter engen Voraussetzungen für zwei Fälle eine Ausnahme. Der Zugang ist nach dieser Vorschrift entbehrlich, wenn der Anbietende auf ihn verzichtet hat oder wenn er nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist.

 

Beispiel: Am Tag vor Reiseantritt bestellt ein Geschäftsmann bei einem ihm bekannten Hotel schriftlich ein Zimmer.

 

Hier wäre es nicht sinnvoll und ist nach der Verkehrssitte auch nicht zu erwarten, dass der Hotelier das Angebot schriftlich annimmt und auf den postalischen Weg bringt, weil sein Schreiben den Gast nicht mehr rechtzeitig erreichen könnte. Der Vertrag kommt daher bereits mit der bloßen Abgabe der Annahmeerklärung zustande. Diese kann z.B. konkludent durch die Eintragung des Gastes in die Reservierungsliste geschehen. § 151 BGB stellt in diesen Fällen also sicher, dass der Vertrag bereits vor Erscheinen des Gastes in dem Hotel wirksam zustande gekommen ist, und nimmt ihm das Risiko ab, dort kein Zimmer zu finden, weil der Hotelier in der Zwischenzeit das Zimmer einem anderen Gast gegeben hat. Also: Es ist nicht etwa so (wie vielfach angenommen wird), dass in den Fällen des § 151 BGB der Vertrag durch Schweigen oder gar gänzlich ohne Annahme zustande käme. Vielmehr bleibt es dabei, dass der Annehmende seine Annahme-(Willens-)Erklärung abgeben muss. Verzichtet wird lediglich auf den Zugang dieser Erklärung, genauer auf ihr Wirksamwerden.

 

  • Spezialfall 2: Zugang trotz Todes des Erklärenden

Da zwischen Abgabe und Wirksamwerden der Willenserklärung ein gewisser Zeitraum verstreichen kann, sind Fälle denkbar, in denen der Erklärende in dieser Zwischenzeit stirbt. Es taucht dann die interessante Frage auf, ob seine Willenserklärung gleichwohl mit Zugang wirksam wird – oder nicht. Der Gesetzgeber musste diese Frage regeln und hat sie in § 130 Abs. 2 BGB entschieden. Diese gesetzliche Regelung liegt nahe angesichts der Tatsache, dass der Erklärende mit der Abgabe der Willenserklärung alles getan hatte, was er zu deren Wirksamkeit tun konnte. Die sich aus der Willenserklärung ergebende – berechtigende oder verpflichtende – Rechtsposition geht daher mit dem späteren Zugang der Willenserklärung gem. § 1922 BGB auf den oder die Erben des Erklärenden über.

Beispiel: Nimmt also der Sammler S schriftlich ein Kaufangebot über eine Serie Gedenkmünzen zur Wiedervereinigung Deutschlands an und stirbt er, bevor seine briefliche Annahmeerklärung den Verkäufer erreicht, so kommt mit dem Zugang des Schreibens der Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Erben des Sammlers S zustande.

 

Handelt es sich bei der Willenserklärung des nach Abgabe Versterbenden um ein Angebot, so trifft § 153 BGB zusätzlich eine spezielle Regelung über die Frage, ob dieses Angebot trotz des Todes noch angenommen werden kann. Das ist ein Problem der Annahmefähigkeit des Angebots. (➞ Vertrag)

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