Was ist das Hauptprogramm der Vorlesungen im öffentlichen Recht?

Das dritte Herzstück hat zwei Kammern: das Staats- und Verfassungsrecht und das Verwaltungsrecht.

1.  Das Staats- und Verfassungsrecht

Man unterscheidet das allgemeine und das besondere Staatsrecht


Das allgemeine Staatsrecht

Es behandelt ganz generell den Begriff, die Entstehung, die Formen und den Untergang von Staaten. Das besondere Staatsrecht behandelt demgegenüber die speziellen Rechtsnormen eines bestimmten Staates. Das besondere Staatsrecht ist Verfassungsrecht, bei uns „Grundgesetzrecht“, weil unsere Verfassung nun einmal Grundgesetz und nicht Verfassung genannt wird. Die Verfassung ist die rechtliche Ordnung unseres Staates und enthält die für einen modernen Staat notwendigen Essenzialien, nämlich den Grundsatz der Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, den Grundsatz, dass sich alles staatliche Handeln auf Gesetze stützen muss und die Anerkennung von Freiheits- und Menschenrechten, vorrangig Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (Solidarität). Die Verfassung ist aber nicht nur der Rahmen für die Grundrechte, die Organisation des Staates und seine materiellen Voraussetzungen, sondern bestimmt auch, wohin die Reise in unserem Land politisch, ökonomisch, sozial, ökologisch, im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht geht. Für jeden Jurastudenten sollte dieses Fach von höchstem Interesse sein!


Das besondere Staatsrecht teilt sich grob in vier Bereiche

Staatsrecht I: Grundrechte

Das Fach Staatsrecht I beinhaltet die Artikel 1-19 des Grundgesetzes, die sogenannten Grundrechte. In der Klausur wird es meist um die Prüfung einer Verfassungsbeschwerde gehen. Daher werden die Grundrechte und auch andere grundrechtsgleiche Rechte anhand des Prüfungsschemas der Verfassungsbeschwerde besprochen und in Fällen verdeutlicht. Dabei gehen die Dozenten sowohl auf den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Grundrechte als auch auf ihre Einschränkungen und Grenzen ein. Die Grundrechte sind von zentraler Bedeutung, da sie die Grundlage für alle Rechte des Bürgers vor dem Staat darstellen. Sie sind außerdem notwendig für das Verständnis des gesamten Jurastudiums, insbesondere des öffentlichen Rechts. In der Veranstaltung werden elementare Denkweisen für das Studium vermittelt, so zum Beispiel, wie die Einschränkung eines Grundrechts durch den Staat über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerechtfertigt werden kann. Die Studenten machen sich mit den allgemeinen Grundrechtslehren vertraut und bekommen dadurch ein größeres Verständnis für die eigene Stellung in der Verfassungsordnung. Dabei wird auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegt. Insgesamt bieten die Grundrechte viel Raum für kritische Betrachtung und Diskussion. Das macht die Veranstaltung so wichtig und interessant, vor allem für Studenten des ersten Semesters, die sich in das Jurastudium zunächst einmal einfinden müssen.


Staatsrecht II: Staatsorganisationsrecht

In Staatsrecht II lernen Sie den Aufbau und die Funktion des deutschen Staates und seiner Staatsorgane kennen. Das Staatsorganisationsrecht regelt die Verteilung politischer Macht. Hier sind vor allem die Strukturbestimmungen des Art. 20 GG, wie Demokratieprinzip, Förderalismus oder Rechts- oder Sozialstaatsprinzip, von wesentlicher Bedeutung und begleiten die Studenten durch die gesamte Vorlesung. Den Studierenden wird ein Überblick darüber gegeben, welches Organ welche Aufgaben und Funktionen im Staat übernimmt. So wird ihnen jedes Staatsorgan einzeln vorgestellt und dabei erläutert, welche Rechte und Pflichten es im Staat hat. Außerdem wird unter Anderem das Bundesgesetzgebungsverfahren durchgesprochen und es werden die einzelnen Verfahrensarten vor dem Bundesverfassungsgericht dargestellt.


Verfassungsprozessrecht

Mit den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht werden Sie sich genauer in der Vorlesung Verfassungsprozessrecht beschäftigen. Dies betrifft zunächst die in Art. 93 GG aufgezählten Verfahrensarten und dort speziell die Verfassungsbeschwerde, mit der vor dem Bundesverfassungsgericht Grundrechtsverletzungen gerügt werden können und die in der Praxis mit Abstand das bedeutendste Verfahren darstellt. In der VorlesungGrundrechte“ haben Sie hauptsächlich die materielle Seite der Grundrechte kennen gelernt, also ob eine Grundrechtsverletzung vorliegt. In der Vorlesung Verfassungsprozessrecht geht es nun um prozessuale Fragen. Daneben lernen Sie noch einige weitere Verfahren kennen, so unter anderen das Organstreitverfahren, das abstrakte Normenkontrollverfahren und den Bund-Länder-Streit, in welchen sich oberste Bundesorgane bzw. ein Bundesland mit dem Bund über die Kompetenz und Reichweiten ihrer grundrechtlichen Rechte und Pflichten streiten. Darüber hinaus wird es um die in der Praxis ebenfalls bedeutsame konkrete Normenkontrolle gehen, mit welcher ein Richter eine Norm auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüfen lassen kann. In der Klausur können alle in Art. 93 Abs. 1 GG genannten Verfahren abgeprüft werden, am wichtigsten sind aber meist das Organstreitverfahren und die abstrakte Normenkontrolle. Anhand dieser Verfahren kann dann in der Klausur eine inzidente Prüfung des Gesetzgebungsverfahrens oder Ähnliches vorkommen. Zusammenfassend bietet auch diese Vorlesung ausreichend, vor allem politischen, Diskussionsstoff und ist für das Verständnis des deutschen Staates essenziell.


Staatsrecht mit Europarecht und Bezügen zum Völkerrecht

Die Vorlesung behandelt die Bezüge des Grundgesetzes zum Völker- und Europarecht sowie die Grundstrukturen des Europarechts (insb. Rechtsquellen, Institutionen, Grundfreiheiten), deren Kenntnis zum Pflichtstoff der Ersten Juristischen Prüfung gehört. Dargestellt werden insbesondere die völker- und europarechtlichen Integrationsnormen des Grundgesetzes, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft und Mitarbeit Deutschlands in internationalen Organisationen (z.B. Vereinte Nationen) und die Europäische Union. Am Ende des Semesters wird eine Abschlussklausur angeboten.


2. Das Verwaltungsrecht

Verwaltungsrecht ist nicht nur das Recht der Verwaltung, also das Regelwerk der bürokratischen Administration, sondern mehr noch das Recht des Bürgers gegen die Verwaltung. Also ob, wie und wo er gegen ihre Maßnahmen, die man Verwaltungsakte nennt, mit einer Anfechtungsklage klagen kann, und ob, wie und wo er die Verwaltung zu einer Maßnahme mit einer Verpflichtungsklage zwingen kann. Die Verwaltung greift meist mit Ordnungsbehörden ordnend und regelnd in das gesellschaftliche Leben und die Rechte der Bürger ein. Man nennt das Eingriffsverwaltung.

Die Verwaltung wird aber nicht nur negativ tätig, sondern leistet auch – durchaus positiv – etwas: Man nennt das Leistungsverwaltung, die Verwaltung handelt mithin als Leistungsträger. Sie haben alle schon an dieser Daseinsvorsorge teilgenommen: Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Gesundheitsfürsorge, Krankenhäuser, Friedhöfe, Schwimmbäder, Straßen, Verkehrsmittel, Ausbildungsförderung, Sozialhilfe u.s.w. Der Staat ist auch für die technischen Grundbedürfnisse der Bürger, also die Versorgung mit Energie, Wasser, Müllabfuhr, Post und Flug- und Bahnverkehr verantwortlich, deren Versorgung er allerdings immer mehr privatisiert (Politisches Credo: Mehr oder weniger Staat?). Das Verwaltungsrecht garantiert, dass der Bürger vor den Verwaltungsgerichten klagen kann, wenn ihm die „Leistungsverwaltung“ eine Leistung auf diesem Gebiet der Daseinsvorsorge verweigert.

Das Verwaltungsrecht gibt also einen umfassenden Rechtsschutz für den Bürger gegen die Verwaltung bei Eingriffen in seine Rechte und bei Ablehnung ihm zustehender Leistungen.

 


Die Vorlesungen im Verwaltungsrecht teilen sich in drei Teile:

Allgemeines Verwaltungsrecht

Die Veranstaltung behandelt systematisch die Grundbegriffe, Prinzipien und alle „vor die Klammer gezogenen“ Vorschriften und Grundsätze des Verwaltungsrechts. Dabei geht es vor allem um die Handlungsformen der Verwaltung, zum Beispiel durch den Verwaltungsakt. Auch die Staatshaftung ist Teil der Vorlesung Verwaltungsrecht AT. Dabei wird in dieser Veranstaltung auch das öffentliche Recht der Länder zum ersten Mal relevant. Obwohl sich die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder kaum unterscheiden, müssen die Studenten in der Klausur doch teilweise darauf achten, auf die richtige Norm zu verweisen. Natürlich kommt es aber vornehmlich auf die allgemein geltenden Verwaltungsvorschriften des Bundes an, die alle Grundsätze des Verwaltungsrechts AT beinhalten.

Der größte Teil der Vorlesung wird sich meist um den Verwaltungsakt, die häufigste Handlungsform der Verwaltung, drehen. Es werden die Voraussetzungen für den Erlass, die Rechtsbehelfe des Bürgers gegen ihn und die Aufhebung des Verwaltungsakts erläutert und anhand von praxisnahen Fällen veranschaulicht. Für die Vorlesung werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen vorausgesetzt und teilweise nochmals vertieft.


Besonderes Verwaltungsrecht

Die VorlesungVerwaltungsrecht BT“ deckt die drei examensrelevanten Rechtsgebiete aus dem besonderen Verwaltungsrecht ab: Kommunalrecht, Baurecht sowie Polizei- und Ordnungsrecht. Als Besonderheit gegenüber dem übrigen Grundstudium bestehen diese überwiegend aus Landesrecht.

Das Kommunalrecht befasst sich mit der Organisation und den Kompetenzen der Gemeinden, sowie den Rechtsverhältnissen der Bürger zur Gemeinde. Themen sind hier beispielsweise die Rechtmäßigkeit eines Ratsbeschlusses oder die Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren. Dieser Teil besitzt mittlere Examensrelevanz.

Das Baurecht unterfällt in einen zivilrechtlichen und einen öffentlich-rechtlichen Teil. Während der zivilrechtliche Teil auf dem Werkvertragsrecht des BGB fußt, gründet sich das Öffentliche Baurecht auf das bundesrechtliche BauGB mit der BauNVO und die landesrechtliche BauO NRW. Das BauGB enthält das Bauplanungsrecht. Dieses beantwortet die Frage, welche Gebäude in welchen Baugebieten gebaut werden dürfen und welche Baugebiete es eigentlich gibt. Ein Wohnhaus gehört nicht in ein Industriegebiet, ein Bordell nicht ins Wohngebiet.

Das Bauordnungsrecht regelt die Beschaffenheit, die ein Gebäude haben muss. Anforderungen an die Standsicherheit etc. sind zu beachten. Besonders prüfungsrelevant ist dabei die Regelung über die Abstandsflächen. Außerdem wacht das Bauamt über die Einhaltung der genannten Regeln. So benötigt man für manche bauliche Anlagen eine Baugenehmigung. Fehlt diese oder liegt sonst ein baurechtswidriger Zustand vor, kann die Behörde mit verschiedenen Verfügungen reagieren, deren Rechtmäßigkeit des Öfteren in Examensklausuren zu prüfen ist.

Das Polizei- und Ordnungsrecht schließlich regelt die Voraussetzungen polizeilichen Handelns bei der Gefahrenabwehr. Das ist abzugrenzen vom repressiven (also strafverfolgenden) Handeln der Polizei. Dieses geschieht auf Grundlage der StPO. Ermittelt die Polizei also einen Sachverhalt, um einen Straftäter aufzuspüren, so hat das nichts mit Polizeirecht zu tun. Erteilt sie hingegen einem stark alkoholisierten Randalierer einen Platzverweis, dann ist das am Maßstab des PolG NRW zu messen. Der Platzverweis ist als Standardmaßnahme in § 34 PolG NRW spezialgesetzlich geregelt. Sonstige Maßnahmen richten sich nach § 8 PolG NRW, der Generalklausel. Die Ordnungsbehörden handeln auf Grundlage des OBG NRW, welches analog dem Polizeigesetz gestaltet ist. Das Polizei und Ordnungsrecht ist einer der examensrelevantesten Teile des Öffentlichen Rechts. Die Veranstaltung deckt somit einige der wichtigsten Bereiche des Examensstoffes ab.


Verwaltungsprozessrecht

Das Verwaltungsprozessrecht regelt das Recht des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten, die Vollstreckung von Urteilen und auch das Vorverfahren für Verwaltungsakte. Das Verwaltungsrecht ist das zweite große Rechtsgebiet im Bereich des Öffentlichen Rechts und beschäftigt sich mit der Handlung der Staatsverwaltung, also der Gesetzesexekutive durch die Behörden des Bundes, der Länder und Gemeinden und der sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. In der Vorlesung werden die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sowie die verschiedenen Klagearten der Verwaltungsgerichtsordnung behandelt. Im Einzelnen sind dies die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, das Widerspruchsverfahren, die allgemeine Leistungs- und Feststellungsklage, sowie die Fortsetzungsfeststellungsklage, das Normenkontrollverfahren und der einstweilige Rechtsschutz. Für alle Verfahren werden ihre allgemeinen und besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen, als auch Inhalte und Wirkungen dargestellt, womit die Grundkenntnisse zum Verfassen jeder öffentlich-rechtlichen Examensklausur vermittelt werden.

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