Gesetzliches Verbot

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Der Gesetzgeber hat in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Regelung eines geordneten Zusammenlebens Verbote aufgestellt. Beispiele hierfür sind: Strafrechtliche Verbote nach dem Strafgesetzbuch, Verbote im Straßenverkehr nach dem Straßenverkehrsgesetz und der Straßenverkehrsordnung, baupolizeiliche Verbote nach der Landesbauordnung, lebensmittelrechtliche Verbote, Einfuhr- und Erwerbsverbote nach dem Betäubungsmittelgesetz usw. usw. ... Diese Verbote könnten ihre beabsichtigte Wirkung nicht entfalten, wenn es den Beteiligten im Rechtsverkehr uneingeschränkt möglich wäre, auf dem Gebiet des Privatrechtes wirksame Rechtsgeschäfte abzuschließen, die auf die Vornahme von verbotenen Handlungen gerichtet sind. Es würden sonst nämlich rechtsgeschäftliche Verpflichtungen des Einzelnen begründet, deren Erfüllung gegen gesetzliche Verbote verstieße. Daraus folgt die Regel, dass solchen Erfüllungsansprüchen die Wirksamkeit zu versagen ist, anderenfalls ein unerträglicher Selbstwiderspruch der Rechtsordnung einträte. Die Privatautonomie wird deshalb eingeschränkt.

Beispiel 1: Vereinbarte der rauschgiftabhängige A mit dem Dealer D, dass dieser ihm aus Amsterdam 100 Gramm Heroin mitbringen solle, so wäre – wenn diese Vereinbarung wirksam wäre –D dem A verpflichtet, eine Handlung vorzunehmen, durch die er sich strafbar machen würde. Die Einfuhr und Veräußerung von Betäubungsmitteln ist gem. § 29 BtMG (Betäubungsmittelgesetz) strafbewehrt. A müsste konsequenterweise sogar berechtigt sein, zur Durchsetzung seiner Rechte aus § 433 Abs. 1 BGB gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, durch die D dann mit Hilfe der Gerichte zur Vornahme strafbarer Handlungen gezwungen würde. Klage, Urteil und dann Zwangsvollstreckung mit staatlicher Hilfe – absurd!

Aus diesen Gründen bestimmt § 134 BGB, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, grundsätzlich nichtig ist. Die Vorschrift enthält allerdings die wichtige Einschränkung: „... wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“ Damit ist gemeint, dass das Rechtsgeschäft entgegen dem eben entwickelten Gedanken trotz Verstoßes gegen ein Verbot doch wirksam ist, wenn sich dies aus dem Verbots-gesetz ergibt. Die Entscheidung über die Nichtigkeit fällt also nicht in § 134 BGB, sondern in dem Verbotsgesetz. Durch dessen Auslegung ist zu entscheiden, ob neben der angeordneten Sanktion: Buße oder Strafe auch die privatrechtliche Nichtigkeit eintreten soll. Ob diese Rechtsfolge – also die Wirksamkeit der Vereinbarung trotz Verstoßes gegen das Verbot – von dem das Verbot enthaltenden Gesetz gewollt ist, ergibt sich allerdings in den seltensten Fällen ausdrücklich aus dessen Wortlaut. Es muss vielmehr für die einzelnen gesetzlichen Verbote jeweils ermittelt werden, ob deren Sinn und Zweck eine Nichtigkeit von privatrechtlichen Vereinbarungen erfordert, die gegen das Verbot gerichtet sind. Diese Abgrenzung kann sehr schwierig sein und hat für die verschiedenen, zumeist schon sehr lange bestehenden gesetzlichen Verbote in der Rechtsprechung zu einer umfangreichen Kasuistik, d.h. einer nach vielen Einzelfällen ausgerichteten Anzahl von Entscheidungen geführt. Dabei haben sich folgende Grundsätze als gefestigte Rechtsprechung herausgebildet: Handelt es sich bei dem Verbot lediglich um eine sogenannte Ordnungsvorschrift, so ist das gegen diese Bestimmung gerichtete Rechtsgeschäft regelmäßig wirksam. Unter einer Ordnungsvorschrift ist in diesem Zusammenhang ein Verbot zu verstehen, das sich nicht gegen den Inhalt des Geschäftes, sondern gegen die Umstände seines Zustandekommens richtet.

Beispiel 2: An einem Montag ruft der Kunde K den Phonohändler H um 23.30 Uhr in dessen Geschäft an und einigt sich mit ihm über den Erwerb eines bestimmten Fernsehgerätes. Kann K später die Lieferung des Gerätes verlangen?

Hier liegt ein Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz vor, das – jedenfalls derzeit noch – den Abschluss von Ladengeschäften nachts regelmäßig verbietet. Dieses Gesetz will nicht den Rechtserfolg, nämlich den Verkauf von Sachen an sich verbieten, sondern lediglich – und zwar zum Schutze der Mitarbeiter des Händlers – verhindern, dass dieser außerhalb der Ladenöffnungszeiten geschieht. Es liegt mithin eine bloße Ordnungsvorschrift vor, weswegen ein Verstoß nicht zur Nichtigkeit des Vertrags führt. K kann daher die Lieferung des Gerätes aus § 433 Abs. 1 BGB verlangen. Handelt es sich demgegenüber um ein Verbot, das sich gegen den Inhalt des Geschäftes richtet – soll also der Rechtserfolg verhindert werden –, so ist weiter zu unterscheiden: Ist das Verbot gegen beide Geschäftspartner gerichtet, so tritt regelmäßig Nichtigkeit ein. Ist das Verbot lediglich gegen einen der Vertragspartner gerichtet, so ist das Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam. Im Beispiel 1 verstößt die Vereinbarung gegen § 29 BtMG. Diese Bestimmung verbietet u.a. die Veräußerung und den Erwerb von Betäubungsmitteln wie Heroin. Es liegt damit ein Verbot vor, das sich gegen den Inhalt des Geschäftes richtet. Weiter betrifft es sowohl den Verkäufer als auch den Käufer. Aus diesem Grunde ist das Geschäft gem. § 134 BGB nichtig, so dass A kein Anspruch auf Lieferung des Heroins aus § 433 Abs. 1 BGB zusteht.

Beispiel 3: Bei den Verkaufsverhandlungen behauptet der Verkäufer V wahrheitswidrig, das angebotene Bild sei ein echter, handsignierter Farbdruck von Chagall. Tatsächlich handelt es sich – was V auch weiß – um eine Fälschung. K kauft das Bild. Ist ein Vertrag wirksam zustande gekommen?

Hier liegt in dem Verkauf des Bildes von V an K ein Betrug (§ 263 StGB) vor. Es handelt sich dabei um ein Verbotsgesetz, das gegen den Inhalt des Geschäftes (Verkauf unter Täuschung des Käufers) gerichtet ist. Dennoch ist das Geschäft nicht nichtig, weil sich das Verbot nur gegen den Verkäufer und nicht auch gegen den Käufer richtet. Dass das Ergebnis so richtig ist, beweisen auch die §§ 123, 142 BGB: Der Käufer hat die Möglichkeit, sich von dem zunächst wirksamen Vertrag durch Anfechtung wieder zu lösen – was er tun kann, aber nicht tun muss. Ergibt die Auslegung des Verbotsgesetzes, dass das Rechtsgeschäft gem. § 134 BGB nichtig ist, so erfasst diese Nichtigkeit aufgrund des Abstraktionsprinzips regelmäßig nur das Verpflichtungs- und nicht auch das Verfügungsgeschäft. Dies bedeutet, dass eine Verfügung, die aufgrund eines gesetzwidrigen und damit nichtigen Rechtsgeschäftes vorgenommen worden ist, wirksam ist. Der Verfügende hat jedoch regelmäßig aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB einen Bereicherungsanspruch, weil die Verfügung ohne Rechtsgrund vorgenommen worden ist. (Bereicherungsrecht)