Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts

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Soweit das Gesetz an Stelle des Begriffs „Unwirksamkeit“ den Begriff „Nichtigkeit“ verwendet, sind hiermit rechtliche Unterschiede nicht verbunden.

1. Endgültige Unwirksamkeit Es gibt eine Reihe von Vorschriften, die anordnen, dass Willenserklärungen bzw. Rechtsgeschäfte nichtig sind; das heißt „nicht existent“: Der Anwendungsbereich des § 105 BGB erfasst in seinem Absatz 1 die Abgabe einer Willenserklärung durch einen Geschäftsunfähigen i.S. des § 104 BGB. § 105 Abs. 2 BGB beschreibt die Rechtsfolgen der Abgabe einer Willenserklärung durch einen Bewusstlosen oder vorübergehend geistig Gestörten. Beachten Sie, dass § 105 Abs. 2 BGB nur die Nichtigkeit der Willenserklärung, nicht die Geschäftsunfähigkeit der dort genannten Personen anordnet. Folglich ist ein wirksamer Zugang einer verkörperten Willenserklärung durch die in § 105 Abs. 2 BGB genannten Personen möglich, gem. § 131 Abs. 1 BGB aber nicht durch Geschäftsunfähige i.S. des § 104 BGB. § 105 BGB ordnet die endgültige Nichtigkeit der näher bezeichneten Willenserklärungen an. Erfasst werden alle Willenserklärungen. Auch rechtlich lediglich vorteilhafte oder objektiv vernünftige Willenserklärungen sind, wenn sie von den in § 105 Abs. 1, Abs. 2 BGB genannten Personen abgegeben werden, nichtig. Nach § 134 BGB sind gesetzlich verbotene Rechtsgeschäfte nicht immer, sondern nur dann endgültig nichtig, wenn sich nicht aus dem Verbotsgesetz ein anderes ergibt. Dabei sind Verbotsgesetze i.S. des § 134 BGB solche Vorschriften, die eine nach unserer Rechtsordnung im Grundsatz mögliche rechtsgeschäftliche Regelung wegen ihres Inhalts oder wegen der Art und Weise ihres Zustandekommens untersagen. Das Verbot muss sich gerade gegen die Vornahme des Rechtsgeschäfts richten. Beispielsweise ist ein Kaufvertrag nicht deshalb gem. § 134 BGB nichtig, weil der Verkäufer bei der Warenbeschaffung gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat. Von den Verbotsgesetzen i.S. des § 134 BGB sind die Gesetze zu unterscheiden, die die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht einschränken. Im Kern betreffen Verbotsgesetze solche Rechtsgeschäfte, die der Handelnde vornehmen kann, aber nicht vornehmen darf. (Gesetzliches Verbot) Weiterhin ist ein Rechtsgeschäft, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, nach § 138 Abs. 1 BGB endgültig nichtig. (Sittenwidrigkeit) Hat das Rechtsgeschäft einen wucherischen Inhalt, ist es nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Der Absatz 2 des § 138 BGB konkretisiert den allgemeinen Tatbestand des Absatzes 1. Bei §§ 116 S. 2, 118, 117 Abs. 1 BGB ist die endgültige Unwirksamkeit einer Willenserklärung bestimmt, bei der Wille und Erklärung bewusst auseinander fallen. § 125 BGB normiert schließlich die Unwirksamkeit bei Formmängeln.

2. Schwebende Unwirksamkeit Hauptfälle sind § 108 Abs. 1 BGB und § 177 Abs. 1 BGB. In beiden Fällen liegt ein zunächst unwirksames Rechtsgeschäft deshalb vor, weil es unvollendet ist. Es wird erst bei Nachholung der fehlenden Wirksamkeitsvoraussetzungen, also bei Erteilung der Genehmigung (§§ 184, 182 BGB) durch den Mitwirkungsberechtigten (Eltern oder Vertretener) wirksam. Die Wirksamkeit tritt rückwirkend, somit ex-tunc ein. Bis zur Klärung der Frage, ob die Genehmigung erteilt wird oder nicht, besteht ein Schwebezustand. Steht fest, dass die Genehmigung nicht erteilt werden wird, so ist das Rechtsgeschäft endgültig unwirksam. Zur Abgrenzung: Ein aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft (Bedingung) ist natürlich nicht schwebend unwirksam. Das Rechtsgeschäft ist nämlich vollendet, nur der Eintritt der Wirkungen ist hinausgeschoben worden.

3. Hinausgeschobene Unwirksamkeit Von einer hinausgeschobenen Unwirksamkeit spricht man z.B. im Falle des § 161 BGB. Unter anderem soll diese Vorschrift den vereinbarten Rechtserwerb bei Bedingungseintritt sichern. Hinausgeschoben ist die Unwirksamkeit nach § 161 BGB deshalb, weil Zwischenverfügungen des noch Berechtigten erst mit Bedingungseintritt unwirksam werden, und zwar auch nur insoweit, als sie das Recht des Erwerbers vereiteln oder beeinträchtigen. Diese Unwirksamkeit besteht gegenüber jedermann. Es liegt somit ein Fall der hinausgeschobenen absoluten Unwirksamkeit vor. (Bedingung)

4. Rückwirkende Unwirksamkeit infolge Anfechtung Die Rechtsfolge der gültigen Anfechtung ist, dass die abgegebene Willenserklärung gem. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend nichtig ist. Der Anfechtende muss unter den Voraussetzungen des § 122 BGB Schadenersatz leisten. Soweit aufgrund des anfechtbaren Rechtsgeschäftes bereits Leistungen ausgetauscht worden sind, müssen diese nach § 812 ff. BGB zurückgewährt werden.

5. Heilbare Unwirksamkeit Bei bestimmten Formmängeln (Formen des Rechtsgeschäfts) sieht das Gesetz die Möglichkeit der Heilung der Nichtigkeit vor. In diesem Zusammenhang seien beispielsweise erwähnt: §§ 311 b Abs. 1 S. 2, 518 Abs. 2, 766 S. 2 BGB. Der Vorschrift des § 311 b Abs. 1 BGB kommt in der Praxis besondere Bedeutung zu. Danach ist jede bedingte oder unbedingte rechtsgeschäftliche Verpflichtung zum Erwerb oder zur Übertragung eines Grundstückes durch Kauf, Tausch oder Schenkung formbedürftig. Auch der Schenkungs- oder Tauschvertrag über ein Grundstück bedarf der notariellen Beurkundung nach § 311 b Abs. 1 BGB. Es genügt nicht die Form des § 518 BGB, wonach nur das Schenkungsversprechen der Schriftform bedarf. Nach § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB wird ein entsprechender formungültiger Vertrag seinem ganzen Inhalte nach aber gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen (§§ 873 Abs. 1, 925 BGB). Der Mangel der Form bei einem Schenkungsversprechen i.S. des § 518 BGB wird nach Abs. 2 dieser Vorschrift durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt (Handschenkung). (Schenkung) Der Formmangel bei einem Bürgschaftsvertrag wird nach § 766 S. 2 BGB dadurch geheilt, dass der Bürge die Hauptverbindlichkeit erfüllt.

6. Teil- und Gesamtnichtigkeit Ist ein Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts nichtig, so ist nach § 139 BGB das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. § 139 BGB findet Anwendung auf alle Formen der Nichtigkeit. Voraussetzung des § 139 BGB ist die teilweise Nichtigkeit eines einheitlichen, aber teilbaren Rechtsgeschäfts. Zunächst muss ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegen. Abzustellen ist dabei darauf, ob die handelnden Personen bei Vertragsschluss einen sog. „Einheitlichkeitswillen“ haben. Dieser Einheitlichkeitswille kann ggf. auch bei Abschluss von mehreren Rechtsgeschäften gegeben sein. Sogar mehrere Rechtsgeschäfte unterschiedlicher Art können eine Einheit bilden, wenn die Auslegung ergibt, dass die Vertragschließenden den Willen haben, dass die u.U. äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander „stehen oder fallen“ sollen. Kein Hindernis für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ist es, dass mehrere Rechtsgeschäfte unterschiedlichen Typs – z.B. Pachtvertrag und Einräumung eines Vorkaufsrechts – bestehen, die die Beteiligung von zum Teil verschiedenen Personen aufweisen.

Beispiel: In einem privaten Schriftstück sind eine unwiderrufliche Vollmacht zum Verkauf eines Grundstücks und eine Vollmacht zur Übereignung desselben Grundstücks enthalten. Hier liegt ein einheitliches Rechtsgeschäft vor.

Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 139 BGB ist es, dass das einheitliche Rechtsgeschäft teilbar sein muss. Zu fordern ist, dass der nicht vom Nichtigkeitsgrund betroffene Teil als selbständiges Geschäft Bestand haben kann. Die eine Abrede muss also ohne die andere überhaupt möglich sein. Zu verlangen ist somit die Trennbarkeit des nichtigen Teils und die Selbständigkeit des anderen gültigen Teils. Dies kann bei Einzelbestimmungen des Inhalts, der Beteiligten und auch bei der Vertragsdauer der Fall sein.

Beispiel: Ein für 30 Jahre geschlossener Bierlieferungsvertrag zwischen einer Brauerei und einem Gastwirt, der wegen seiner langen Dauer eine sittenwidrige Einengung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gastwirts darstellt und damit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist zerlegbar in Teile von 20 und 10 Jahren. Der Sittenverstoß bezieht sich auf den überlangen und damit abtrennbaren Teil. Wenn im Übrigen gegen Inhalt und Zustandekommen des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB keine Bedenken bestehen, kann der Bierlieferungsvertrag daher mit 20-jähriger Laufzeit aufrecht erhalten werden.

Die Rechtsfolge der Teilnichtigkeit ist nach § 139 BGB im Zweifel Gesamtnichtigkeit. Dies kann nur dann widerlegt werden, wenn festgestellt wird, dass nach dem Parteiwillen der nicht von der Nichtigkeit betroffene Teil des Rechtsgeschäfts dennoch wirksam sein sollte. Es ist zu fragen, was die handelnden Personen unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens vereinbart hätten, wenn sie bei Abschluss des Vertrages hätten entscheiden können, ob sie das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil gelten lassen wollten. Einfacher ausgedrückt: Was hätten die Beteiligten vernünftigerweise getan, wenn sie die Teilnichtigkeit gekannt hätten?

Beispiel mit Lösung zu § 139 BGB: Josef Schmitz möchte mit geringen Ersparnissen ein Reihenhäuschen bauen. Er wird mit dem Grundstückseigentümer Manfred Hei-mann schnell handelseinig. Der Kaufpreis i.H. von 300.000 € soll nach Leistung einer Anzahlung in Höhe von 60.000 € in monatlichen Raten in Höhe von 1.000 € bezahlt werden. Zwar wird in der Folge der Grundstückskaufvertrag notariell beurkundet. Versehentlich unterbleibt aber die Beurkundung der Ratenzahlungsvereinbarung. Kann Heimann von Schmitz Zahlung von 240.000 € verlangen?

Lösung: Heimann könnte die Zahlung aus § 433 Abs. 2 BGB verlangen, wenn zwischen ihm und Schmitz ein wirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden wäre. Der abgeschlossene Kaufvertrag ist nach § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB formbedürftig. Vorliegend ist er zwar notariell beurkundet worden, die Beurkundung der Ratenzahlungsvereinbarung ist aber unterblieben. Die Ratenzahlungsvereinbarung ist somit nach § 125 BGB nichtig. Die Gültigkeit des formgemäßen Kaufvertrages richtet sich nach § 139 BGB. § 139 BGB ist auch bei Teilnichtigkeit wegen Formmangels nach §§ 311 b Abs. 1 S. 1, 125 BGB anwendbar und wird durch die Heilungsmöglichkeit nach § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB nicht ausgeschlossen. § 139 BGB verlangt zunächst ein einheitliches Rechtsgeschäft. Hier fragt es sich, ob der Verkauf des Grundstücks und die Ratenzahlungsvereinbarung vom Zweck her derart miteinander verbunden sind, dass in tatsächlicher Hinsicht ein Rechtsgeschäft vorliegt. Abzustellen ist in erster Linie auf den Parteiwillen. Für den Einheitlichkeitswillen lässt sich hier anführen, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden Abreden besteht. Schmitz hätte den Kaufvertrag ohne die Ratenzahlungsvereinbarung nicht abgeschlossen. Er verfügt gar nicht über die Geldmittel, um den gesamten Kaufpreis in einer Summe zu bezahlen. Somit ist die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts gegeben. § 139 BGB setzt weiter die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts voraus. Dies bedeutet, dass neben dem nichtigen Teil des Rechtsgeschäfts noch ein Rest bleibt, der rechtlich selbständige Bedeutung hat und daher aus sich heraus existieren kann. Vorliegend ist der nicht vom Nichtigkeitsgrund der fehlenden Beurkundung ergriffene Rest des Rechtsgeschäfts ein vollständiger Kaufvertrag über ein Grundstück. Somit bestehen hinsichtlich der Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts keine Bedenken. Nach § 139 BGB ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Hierbei kommt es darauf an, ob eine objektive Interessenbewertung ergibt, dass die handelnden Personen das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen hätten. Es genügt dabei, dass nur eine Partei das Rechtsgeschäft ohne den nichtigen Teil nicht abgeschlossen hätte, um es bei der Rechtsfolge des § 139 BGB zu belassen. Schmitz hätte den Kaufvertrag über das Grundstück ohne Ratenzahlungsvereinbarung nie abgeschlossen. Folglich ist das gesamte schuldrechtliche Rechtsgeschäft nichtig. Heimann hat also keinen Anspruch gegen Schmitz aus § 433 Abs. 2 BGB.