Eine entscheidende Frage für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Frage, wie lange ein wirksames Angebot wirksam bleibt. 

 

Beispiel 1: A schreibt B: „Du kannst meinen Porsche für 50.000 € kaufen.“ Nach einem halben Jahr schreibt B an A: „Ich kaufe.“ Ist der Vertrag zustande gekommen? – Wirksames Angebot? Ja. Wirksame Annahme? Ja. Also alles o.k.?

 

Beispiel 2: Bietet der Kunsthändler Bachmann dem Sammler Peter ein Gemälde für 1.000 € schriftlich an, so muss er in angemessener Zeit wissen, ob das Angebot nun angenommen wird oder nicht, um entscheiden zu können, ob er das Bild etwa einem anderen Interessenten anbieten soll. Wie lange muss er warten?

 

Im Beispiel 1 könnte das Angebot im Moment der Annahme erloschen sein, so dass die Annahme durch B ins Leere greift. Das heißt positiv: Zum Zeitpunkt der Annahme muss noch ein wirksames Angebot vorliegen. Man spricht insofern von „Annahmefähigkeit des Angebots“ oder „zeitlicher Deckungsgleichheit“ oder vom „Fortbestehen des Angebotes“ zum Zeitpunkt der Annahme.

 

Der dies regelnde § 146 ff. BGB lässt sich in Form eines Baumdiagramms strukturieren:

Hat der Anbietende sein Angebot wirksam abgegeben, so steht es allein in der Macht des Erklärungsempfängers, ob der Vertrag nun zustande kommt oder nicht. Das liegt an der Bindungswirkung, die den Anbietenden daran hindert, sein Angebot zu widerrufen. Diese Situation macht es notwendig, den Zeitraum zu begrenzen, innerhalb dessen das Angebot noch angenommen werden kann. Ansonsten müsste der Anbietende immer weiter damit rechnen, dass der andere durch die Annahme den Vertrag noch wirksam zustande kommen ließe. Er wäre so an jeder weiteren Disposition gehindert. (So der Porscheeigentümer oder der Kunsthändler in den Beispielen 1 und 2)

Für die weiteren Überlegungen ist es – wie aus dem Baumdiagramm ersichtlich – von Bedeutung, ob der Anbietende dem Erklärungsempfänger eine Frist zur Annahme gesetzt hat oder nicht. 

Nach dem System der gesetzlichen Regelung des § 146 ff. BGB ist in diesem Zusammenhang vorrangig eine von dem Anbietenden gesetzte Frist maßgeblich. 

 

Beispiel: Das Kaufvertragsangebot endet mit dem Satz: „An dieses Angebot halte ich mich bis zum 31.10. gebunden.“ In diesen Fällen kann das Angebot nur bis zum Ablauf der Frist 31.10., 24oo Uhr angenommen werden. Mit dem Ablauf der Frist erlischt es von selbst gem. § 148 BGB.

 

In vielen Fällen enthält das Angebot aber keine Fristbestimmung. Dann ist hinsichtlich der Annahmefähigkeit danach zu unterscheiden, ob das Angebot einem bei der Erklärung Anwesenden oder einem Abwesenden gegenüber gemacht wurde. 

Braucht er Bedenkzeit, so kommt es darauf an, ob der Anbietende bereit ist, ihm gem. § 148 BGB eine solche einzuräumen. Wegen der schon erwähnten technischen Überbrückung der Distanz gelten die vorstehenden Regelungen über die Annahmefrist auch dann, wenn das Angebot z.B. durch Fernsprecher, Chat oder Videokonferenz einem Abwesenden gegenüber gemacht worden ist, § 147 Abs. 1 S. 2 BGB.

 

Beispiel: Bietet der Briefmarkenhändler B in Köln dem ihm bekannten Sammler S in Potsdam schriftlich ein besonderes Exemplar des „Beethoven-Blockes“ aus dem Jahre 1959 für 600 € zum Kauf an, so ergibt sich eine Annahmefrist von 6 Tagen.

Postlaufzeit des Angebotes: 2 Tage

Entscheidungsfrist des Sammlers: 2 Tage

Postlaufzeit der Annahme: 2 Tage

 

Beiden Fallgruppen des § 146 BGB ist aber trotz der aufgezeigten Unterschiede Folgendes gemeinsam: Erklärt der Annehmende die Annahme verspätet, so spricht man davon, dass das Angebot nicht mehr annahmefähig sei. Die Annahme gilt dann gem. § 150 Abs. 1 BGB – genauso wie diejenige unter Erweiterungen und Änderungen bei § 150 Abs. 2 BGB – als erneutes Angebot.

 

Gem. § 149 S. 2 BGB gilt eine Annahme, die an sich verspätet wäre, nicht als verspätet, wenn gem. § 149 S. 1 BGB die Verspätung durch unregelmäßige Beförderung zustande gekommen ist, der Empfänger dies erkennen konnte und dem Annehmenden nicht unverzüglich angezeigt hat.

 

Ein besonderes Problem stellt die Annahmefähigkeit eines Angebotes dann dar, wenn der Anbietende zwischendurch stirbt oder geschäftsunfähig wird ( Geschäftsunfähigkeit). Gem. § 130 Abs. 2 BGB wird eine gegenüber einem Abwesenden abgegebene Willenserklärung, also ein Angebot, auch dann wirksam, wenn der Erklärende vor dem notwendigen Zugang (§ 130 Abs. 1 BGB) seiner Willenserklärung stirbt oder geschäftsunfähig wird. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob ein solches – durch Zugang wirksames – Angebot trotz dieser Umstände noch fortbesteht, also noch angenommen werden kann, der Vertrag also noch zustande gebracht werden kann oder ob dem Angebot eines Toten die Annahmefähigkeit fehlt. Das Gesetz bejaht diese Frage in § 153 BGB im Grundsatz im Sinne der ersten Alternative, also der bleibenden Annahmefähigkeit, und zwar ganz gleich, ob der Tod oder die Geschäftsunfähigkeit nun vor oder nach dem Wirksamwerden des Angebotes eintritt.

 

Beispiel: Trotz des Todes des Vermieters kann dessen Angebot noch angenommen werden, gleichgültig, ob der Vermieter nun schon gestorben ist, bevor sein Schreiben mit dem Angebot dem künftigen Mieter zuging, oder erst während der sich aus § 147 Abs. 2 BGB ergebenden Überlegungsfrist.

Gegenbeispiel: Nicht mehr annahmefähig ist das Angebot gem. § 153 BGB ausnahmsweise dann, wenn „ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist“. Das wäre z.B. dann zu bejahen, wenn eine Frau noch vor ihrem Tode ein bestimmtes Kleid nach ihrer Konfektionsgröße bei einem Versandkaufhaus bestellt hat oder der Liebhaber eine Ladung Sexartikel ordert und nach Eingang seiner Bestellung bei „Beate AG“ vor Aufregung verstirbt.