Gehen Sie mal hin zum Gericht und schauen Sie sich einen Strafprozess an! Die praktische Anschauung trägt Sie durch das ganze Studium. Die strafrechtliche Hauptverhandlung ist das Kernstück des Strafverfahrens und des gesamten Strafprozesses. Während in den vorangegangenen Verfahrensabschnitten Ermittlungs- und Zwischenverfahren festgestellt wird, ob die Durchführung einer Hauptverhandlung wegen hinreichenden Tatverdachts geboten ist und für diesen Fall die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, ergeht erst in der Hauptverhandlung der Spruch über Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Unabhängig von den vorangegangenen Ermittlungen werden hier noch einmal sämtliche Beweise erhoben. Das Urteil wird allein aufgrund der in der Hauptverhandlung gewonnenen Ergebnisse aufgrund freier richterlicher Beweiswürdigung gefunden (§ 261 StPO). Die Hauptverhandlung ist gem. § 169 S. 1 GVG in der Regel öffentlich. Sie stellt ein spezifisches juristisches Berufsmilieu dar, da sollte man als Jurastudent mal reinschauen. Sie bildet nicht selten eine mehrere Verhandlungstage umfassende Sitzung. Eine Hauptverhandlung muss dem klar strukturierten äußeren Ablauf des § 243 StPO entsprechen. Danach gliedert sich das Verfahren wie folgt:

 

Der Aufruf hat keinerlei Rechtswirkung. Er ist lediglich als nach außen hin erkennbares Zeichen zu verstehen, dass nunmehr die Hauptverhandlung beginnt. Unterbleibt aus Versehen ein derartiger Aufruf, so gilt die erste Handlung des Vorsitzenden als Beginn der Verhandlung, durch welche nach außen erkennbar gemacht ist, dass die anstehende Sache nunmehr verhandelt wird.

Die Feststellung der anwesenden Verfahrensbeteiligten stellt ebenfalls keine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung dar, sie ist vielmehr Voraussetzung für die Entscheidung, ob problemlos mit der Verhandlung begonnen werden kann.

Nach § 243 Abs. 1 S. 2 ist lediglich die Feststellung vorgesehen, ob der Angeklagte, der Verteidiger und die geladenen Beweismittel präsent sind. Natürlich wird sich das Gericht auch vergewissern, ob der Staatsanwalt bereits anwesend ist.

  An die Feststellung der Präsenz schließt chronologisch die Belehrung an.

Die bereits erschienenen Zeugen (§ 57 StPO)  müssen anschließend den Sitzungssaal verlassen, § 243 Abs. 2 S. 1 StPO.

Zweck dieser – ersten – Vernehmung des Angeklagten durch das Gericht ist allein die Feststellung der Identität und soweit möglich auch der Verhandlungsfähigkeit. Mit dem ersten Eindruck des Gerichts vom Angeklagten kann auch grob beurteilt werden, ob dieser aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Obwohl dies dem Gesetz so nicht zu entnehmen ist, wird die eigentliche Vernehmung des Angeklagten zu seiner Person (nämlich zu seinem persönlichen Werdegang, etwaigen Vorstrafen etc.) der Vernehmung zur Sache i.S.d. § 243 Abs. 4 S. 2 StPO zugeschlagen und erfolgt daher an späterer Stelle.

Die Verlesung des Anklagesatzes muss im Ganzen geschehen. Sollten sich hierbei Unklarheiten herausstellen, so müssen diese durch zusätzliche Erklärungen des Staatsanwaltes – die protokolliert werden sollten – ausgeräumt werden. Da die Verlesung des Anklagesatzes zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung gehört, muss sie entsprechend § 273 Abs. 1 StPO im Sitzungsprotokoll vermerkt werden. Ziel der Verlesung ist letztlich die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Dem Angeklagten soll nochmals vor Augen geführt werden, was ausschließlich Gegenstand der nun beginnenden Verhandlung sein wird.

Die Hinweispflicht entspricht dem Fairnessgebot, wonach das Gericht insbesondere einen rechtsunkundigen oder anwaltlich nicht vertretenen Angeklagten nicht zu einer ungewollten Selbstbelastung verleiten darf. Es gilt der römische Grundsatz: nemo tenetur se ipsum accusare, d.h.: Niemand muss sich selbst belasten.

Diese Vernehmung gliedert sich in zwei Teile, nämlich:

Dabei hat der Angeklagte sich grundsätzlich, sofern er überhaupt zu Angaben bereit ist,  mündlich zu äußern. Die bloße Verlesung einer vom Verteidiger abgefassten Schrift ist nicht zulässig. Naturgemäß entspricht es der gerichtlichen Fürsorgepflicht, den Angeklagten bei seinen Einlassungen möglichst wenig zu unterbrechen.

Der Rechtsstaat urteilt nicht über die Wahrheit, sondern über das, was beweisbar ist. Deshalb ist die Beweisaufnahme das eigentliche Kernstück der gerichtlichen Hauptverhandlung. Maßgebliche Person ist hier der Vorsitzende des Spruchkörpers, welchem gem. § 238 Abs. 1 StPO die Leitung der Verhandlung obliegt. Selbstverständlich haben auch die anderen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, in die Verhandlung einzugreifen (§ 240 StPO), wobei jedoch die Grenze auch hier wieder vom Vorsitzenden vorgegeben wird, § 241 StPO. Als Beweismittel kommen im Strafverfahren in Betracht:

Nach jedem Beweisschritt im Rahmen der Beweisaufnahme ist den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, § 257 Abs. 1 und 2 StPO. Die Reihenfolge der Beweismittel wird allein nach Zweckmäßigkeitserwägungen durch das Gericht bestimmt. Wenn alle in Betracht kommenden Beweismittel ausgeschöpft sind, wird die Beweisaufnahme geschlossen und es kommt zu den Schlussvorträgen.

Diese haben jedenfalls bei erstinstanzlichen Verhandlungen folgende Reihenfolge:

Der Angeklagte soll als letzter Verfahrensbeteiligter nochmals seine Sicht der Dinge darlegen können, bevor das Gericht sich zur Beratung zurückzieht. Dies soll ihm insbesondere in Grenzfällen die Möglichkeit eröffnen, das Gericht für sich einzunehmen.

Dieser Teil des Verfahrens gehört streng genommen nicht zur Hauptverhandlung, da er sich nicht in der Öffentlichkeit abspielt. Gleichwohl gehört er zur Chronologie der Verhandlung. Das Gericht zieht sich in das Beratungszimmer zurück, wobei an der Entscheidungsfindung gem. § 192 Abs. 1 GVG grundsätzlich nur die entscheidenden Richter (wozu natürlich auch die Schöffen gehören) mitwirken dürfen. Lesen Sie zu den Einzelheiten die §§ 192 bis 197 GVG. Für das weitere Schicksal des Angeklagten ist von besonderer Bedeutung, mit welchen Mehrheitsverhältnissen die Abstimmung im Falle von Meinungsverschiedenheiten unter den Richtern zu erfolgen hat. Nach § 196 Abs. 1 GVG ist mit absoluter Mehrheit zu entscheiden. Dies ist durch § 263 Abs. 1 StPO dahingehend präzisiert, dass für jede dem Angeklagten nachteilige Entscheidung über die Schuldfrage und die Rechtsfolgen der Tat eine 2/3-Mehrheit erforderlich ist. Das hat zur Konsequenz, dass theoretisch – beim Schöffengericht oder einer Kleinen Strafkammer – die Berufsrichter von den beiden Schöffen überstimmt werden können.

Schließlich muss die Urteilsformel, also der Tenor der Entscheidung, schriftlich fixiert werden, da diese nach Abschluss der Beratung und Wiedereintritt in die öffentliche Verhandlung verlesen werden muss.

Anders als im Zivilverfahren soll das Strafurteil im unmittelbaren Anschluss an die Beratung verkündet werden, § 268 Abs. 3 StPO. Dabei ist die Urteilsverkündung wie folgt untergliedert:

Letztere erfolgt in der Regel in freier Rede. Sie ist jedoch kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Deshalb ist ein Urteil auch dann ordnungsgemäß verkündet, wenn der Angeklagte nach Verlesung des Tenors „türmt“, weil er mit einem Freispruch gerechnet hatte. Es gibt zwei Arten des Urteils: das Prozessurteil bei Verfahrenshindernissen, § 260 Abs. 3 StPO (Einstellung) und das Sachurteil bei Freispruch oder Verurteilung.

Gegenstand des Urteils ist die in der Anklage bezeichnete prozessuale Tat (in der Fassung des Eröffnungsbeschlusses) nach der Verhandlung, § 264 StPO.

  Die Rechtsmittelbelehrung, § 35 a StPO:

Dem Fairnessgebot entspricht es, den Angeklagten über die Möglichkeiten der Anfechtung des Urteils zu unterrichten. Insbesondere der anwaltlich nicht vertretene Angeklagte wird in der Regel nicht wissen, welche Formen und Fristen ggf. eingehalten werden müssen. Ist der Angeklagte mit der Entscheidung zufrieden, so kann er bereits an dieser Stelle auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichten, vgl. § 302 Abs. 1 S. 1 StPO. Dies trägt im Falle des Verzichts auch durch die übrigen Anfechtungsberechtigten zu einer wesentlichen Erleichterung für das Gericht bei, da in diesem Fall ein abgekürztes Urteil verfasst werden kann, § 267 Abs. 4 und Abs. 5 S. 2 StPO.