Das Bürgerliche Recht ist ein Teilbereich des Privatrechts. Es ist das Recht, das für die Privatrechtsbeziehung aller Bürger gilt. Geregelt ist das Bürgerliche Recht in erster Linie im BGB. 

 

BGB  ist die Abkürzung für Bürgerliches Gesetzbuch. Sein Inhalt beschäftigt sich mit dem Recht der Bürger (lat.: civis) zueinander, miteinander und untereinander, um ein ständiges Durch- und Gegeneinander zu vermeiden. Bürgerliches Recht, Zivilrecht, Privatrecht: Das alles bedeutet dasselbe. 

 

Der erste Blick in das BGB wirft die Frage auf: Kann man das alles in einem einzigen Menschenleben begreifen? Man kann! Und Tausende haben es schon mit Bravour begriffen. Es ist die Welt der Verträge und ihrer Leistungsstörungen durch Nicht-, Zuspät- oder Schlechterfüllung, des Eigentums an beweglichen und unbeweglichen Sachen (Grundstücke) und ihren möglichen Belastungen, des Rechts auf Schadenersatz bei der Verletzung von Verträgen, des Eigentums oder des Körpers, die Welt der Familie, der Kinder und der Ehe, der Betreuung und Vormundschaft sowie der Rechte nach dem Tod einer Person, des Erbrechts. Es gilt als eines der besten Gesetze der Welt. Seine Paragraphenwelt ist eine Zauberwelt der Logik, Systematik, Dogmatik und Methodik. Deshalb haben es viele Länder der Welt übernommen. 

 

Es diente z.B. als Vorbild für die Schweiz, die Türkei, Japan und Brasilien. Leider wird es nicht für den Rechtsraum Europa Modell sein können – dafür ist es zu kompliziert und abstrakt. Das Leitbild des BGB, und das ist für Auslegungsfragen ganz wichtig, ist der vernünftige, aufgeklärte, selbstverantwortliche, mündige und urteilsfähige Bürger, der seine Lebensverhältnisse in freier Selbstbestimmung ordnet und seine Interessen nachdrücklich und geschickt selbst wahrnimmt. Allerdings:

 

Das Privatrecht stellt sich wie folgt dar:

Die Geschichte des BGB ist schnell erzählt. Die Deutschen sind nicht als nationale Einheit in die Geschichte eingetreten. Ihr Recht war daher von Anfang an kein einheitliches Recht. Die verschiedenen deutschen Stämme hatten verschiedenes Recht, nur Grundzüge waren gemeinsam. Diese Rechtszersplitterung der alten Germanen, die sich in den deutschen Staaten wie Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden, Mecklenburg fortsetzte, ließ den Ruf nach der Schaffung eines einheitlichen Gesetzeswerkes im Bereich des Privatrechts immer lauter werden. Erst nach Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 war es möglich, aus dem französischen, römischen und germanischen Rechtsgut ein einheitliches für ganz Deutschland geltendes Privatrecht zu schaffen.

Das BGB ist uralt und hat am 1. Januar 2010 seinen hundertzehnten Geburtstag seit seinem In-Kraft-Treten am 1. Januar 1900 (s. Art. 1 EGBGB) gefeiert. Es war von seinen Verfassern als eine gewaltige systematische Erfassung aller Normen auf diesem unendlich weiten Feld gedacht. So etwas nennt man eine Kodifikation (lat.: codex, Verzeichnis), also gewissermaßen eine Auflistung vieler Gesetze. Dieser Plan der Väter des BGB – Mütter gab es damals noch nicht in der Juristerei – konnte allerdings nicht eingehalten werden; in den nachfolgenden Jahren seit seinem In-Kraft-Treten sind zahlreiche Einzelmaterien als Ableger dieses Urbaums aus dem BGB herausgenommen worden oder außerhalb des BGB völlig neu angelegt worden (z.B. Beurkundungsgesetz; Lebenspartnerschaftsgesetz; Straßenverkehrsgesetz; Wohnungseigentumsgesetz; Verschollenheitsgesetz). Auch innerhalb des BGB hat es gewaltige Veränderungen gegeben, so im allgemeinen Schuldrecht, im Miet- und Kaufrecht, besonders aber im Familienrecht und im Arbeitsrecht. Das verwundert auch nicht, wenn man bedenkt, dass in diese Zeit zwei Weltkriege fielen und insgesamt vier politische grundlegende Umwälzungen: 1918, 1933, 1945, 1989. An die Stelle des obrigkeitsstaatlichen Kaiserreichs ist die demokratische und sozialstaatliche Bundesrepublik getreten. Die bürgerliche Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat sich zunächst zur industriellen Massengesellschaft weiterentwickelt, dann allmählich zur Dienstleistungsgesellschaft. An die Stelle der patriarchalisch gestalteten Familie trat die auf Gleichberechtigung und Partnerschaft aufbauende Verbindung von Eheleuten und Partnern und ihren Kindern. Der im Ursprungs-BGB versäumte Schutz des wirtschaftlich Schwächeren (Käufer, Arbeitnehmer, Mieter, Verbraucher) wurde durch Käuferschutz-, Mieterschutz-, Verbraucherschutz- und Arbeitnehmerschutzgesetze nachgeholt. Das liberalistische Vertragsrecht wurde zu einem sozialstaatlichen Vertragsrecht umgebaut.

Inhaltlich hat sich das bürgerliche Recht seit dem In-Kraft-Treten des BGB unter den mehr als 160 Änderungen und Ergänzungen (sog. Novellierungen) erheblich verändert, seine Stellung als Gesamtkodifikation des bürgerlichen Rechts aber gerade auch in jüngster Zeit durch Integration vieler Nebengesetze und des Ehegesetzes immer behauptet. 

 

Die erste Konfrontation mit dem BGB ist für den Studenten deshalb so hart, weil das BGB mit seiner abstrahierend-generalisierenden Gesetzessprache, seiner begrifflichen Gliederung des Gesetzesstoffes (seinem Abstraktionsprinzip) und seinen gedanklichen  Trennungen zwischen allgemeinen und besonderen Teilen dem Anfänger häufig die frustrierende Erkenntnis vermittelt, in dem Paragraphendschungel ständig die Orientierung zu verlieren. Hinzu kommt die pädagogisch-didaktisch leidvolle Erfahrung, dass der allgemeine Teil des BGB nicht ohne die ihm nachfolgenden vier besonderen Teile und diese Vier wiederum nicht ohne ihn gedacht und erfahren werden können. Der Eindruck entsteht, dass für die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes (Fall) Paragraphenketten geknüpft werden müssen, deren Glieder scheinbar kunterbunt über das BGB verstreut zu sein scheinen. Es ist deshalb unverzichtbar, sich zunächst einen groben Überblick über das BGB zu verschaffen, um seine systematischen Strukturen, seine Gesetz gewordenen Denkschemata, wichtige Zusammenhänge und vor allem seine zu regelnden Rechtsinstitute zu erkennen.

Den besten Zugang zur Gliederung des BGB verschafft man sich, indem man zunächst einmal in der Fundgrube des Inhaltsverzeichnisses stöbert: Sie sehen, dass das BGB äußerlich in fünf große Hauptgebiete gegliedert ist, die vom Gesetzgeber – wie die Abschnitte in der Bibel – „Bücher“ genannt werden. Die äußere Gliederung des BGB war das Ergebnis folgender inhaltlicher Überlegung: Welche Gebiete im zwischenmenschlichen Zusammenleben muss ich als Gesetzgeber unbedingt regelnd ordnen, damit ein gedeihliches, menschliches Miteinander und Zueinander möglich wird und welche nicht? 

 

Der BGB-Gesetzgeber machte sich also auf die Suche nach den für die Bürger notwendigen inhaltlichen Regelungsgegenständen für das Privatrecht und stieß bei seinen Überlegungen auf folgende Gebiete, die er in fünf Bücher einstellte: