ist ein menschliches Verhalten, das in einem Tun (Handeln) oder Unterlassen (Nichthandeln) des Einzelnen gegenüber einem Anderen besteht und so eine strafrechtsrelevante Situation auslösen kann. 

Egal ob Mörder, Totschläger, Dieb, Hehler, Betrüger oder Körperverletzer – strafrechtliche Wertungen knüpfen immer nur an menschliches Verhalten an. Denn Gebote und Verbote des Rechts richten sich immer nur an Menschen. Dass der Tatbestand nur durch menschliches Verhalten erfüllt werden kann, bringt der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck, dass die meisten Tatbestände des besonderen Teils des StGB mit „Wer“ beginnen: Also ist Adressat ein Mensch als Subjekt einer Strafrechtsnorm. Dieser Mensch muss, um strafbar zu sein, zunächst eine Handlung vollzogen haben. 

 

Beispiel 1: Die in ihr Baby vernarrte Emma Schmitz nimmt den drei Monate alten Säugling mit in ihr Bett; im Schlaf erwälzt sie das Kind.

 

Beispiel 2: Frau Meier schlägt in der Narkose um sich. Die Krankenschwester Inge wird getroffen und im Gesicht verletzt.

 

Beispiel 3: Anton, Bert und Chris stehen am Abgrund. A gibt B einen Stoß, dieser fällt auf C, der abstürzt.

 

Beispiel 4: Anton, der mit Chris verfeindet ist, veranlasst den Bert durch Drohung mit erheblichen Schlägen, den Chris zu verprügeln.

 

 

Vordringliches Ziel des strafrechtlichen Handlungsbegriffs ist es, einen Oberbegriff für alle Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens zu liefern: für vorsätzliche Taten wie für fahrlässige Taten, für Begehungs- wie Unterlassungstaten – und gleichzeitig alle diejenigen Verhaltensweisen auszuschließen, die von vornherein strafrechtlich irrelevant sind. Aufgabe des Handlungsbegriffs sei es:

Mehr wolle er nicht.

 

Unter Handlung versteht die kausale Handlungslehre (überwiegend von der Rechtsprechung vertreten) folglich jede durch menschliches willengetragenes Verhalten bewirkte Veränderung in der Außenwelt.

Dieses Verhalten kann bestehen

 

Erste Komponente der Handlung, um welche jeder Tatbestand des besonderen Teils des StGB in Gedanken ergänzt werden muss (deshalb ungeschriebene Tatbestandsmerkmale), ist das menschliche Verhalten.

 

Nicht-Handlungen sind demzufolge:

 

Zweite Komponente der Handlung ist das willengetragene Verhalten.

 

Nicht-Handlungen sind also:

 

Nach der kausalen Handlungslehre sind die subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen ( Vorsatz Fahrlässigkeit im Strafrecht) nicht bei der Prüfung des Tatbestandes, sondern erst als Voraussetzung der Schuld von Bedeutung.

Im Beispiel 1 der ihr Baby im Schlaf erwälzenden Emma Schmitz liegt also im Erdrücken des Kindes keine Handlung im strafrechtlichen Sinne vor. Es ist aber darauf zu achten, dass Emmas vorausgegangenes Verhalten eine Handlung darstellen kann. In dem Moment, als sie sich mit dem Säugling gemeinsam ins Bett legte, lag ein willen-getragenes menschliches Verhalten vor. An dieses Verhalten knüpft jetzt der strafrechtliche Vorwurf an, so dass – je nach ihrer Willensrichtung – eine vorsätzliche oder fahrlässige Tötungshandlung (§§ 211, 212 oder 222 StGB) in Betracht kommt. 

 

In den Beispielen 2 und 3 fehlt es eindeutig an einem willengetragenen Verhalten.

Im Beispiel 4 liegt dagegen eine Handlung vor. Auch die unter dem Druck einer Drohung aus Angst vorgenommene Handlung ist willengetragenes menschliches Verhalten. Die Drohung führt zwar zu einer Willensbeugung (vis compulsiva), ändert aber nichts daran, dass die von B begangene Körperverletzung von seinem Willen gesteuert wurde. B hat daher den Tatbestand des § 223 StGB rechtswidrig erfüllt. Allerdings entfällt seine Schuld aufgrund eines Entschuldigungsgrundes (vgl. § 35 StGB).

In strafrechtlichen Arbeiten ist grundsätzlich kein Wort über eine Handlung zu verlieren, da in nahezu allen Fällen völlig unzweifelhaft ein vom Willen beherrschtes menschliches Verhalten – also eine Handlung – vorliegt.

 

Eine einzige Abgrenzungsschwierigkeit gibt es bei den sog. programmierten oder automatischen Handlungen:

Beispiel 5: Autofahrer F bremst völlig unsachgemäß auf der Autobahn, um einem plötzlich auftauchenden Wild auszuweichen. Er gerät auf die Gegenfahrbahn und tötet O.

 

Beispiel 6: Dem Autofahrer F1 fliegt eine Mücke ins Auge. Vor Schreck verreißt er das Lenkrad und fährt ein Kind auf dem Bürgersteig zu Tode.

 

Beispiel 7: Arbeiter F2 am Fließband einer automatisierten Produktionsanlage betätigt seit Jahren alle zwei Sekunden eine Bohrmaschine. Als sein Kollege K sich mit einer Frage an ihn wendet und sich dabei auf die Anlage aufstützt, drückt F2 auch jetzt den Bedienungsknopf; die Hand des K wird durchbohrt.

 

Fraglich ist, ob solchen „eingefahrenen“, „programmierten“, „automatisierten“ Verhaltensweisen Handlungsqualität zukommt, ob sie also vom Willen getragen sind, oder ob sie den Reflexbewegungen gleichzustellen sind, folglich keine Handlungen darstellen. Die Grenze ist äußerst schwierig zu ziehen und in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Sicherlich liegen die beschriebenen Verhaltensmuster unterhalb der Schwelle des Bewusstseins, was für eine Gleichstellung mit den Reflexen spricht. Andererseits liegt auch ihnen ein Willensbildungsprozess zugrunde, der allerdings ins Unbewusste abgeglitten, mechanisiert ist. Das schließt aber nicht aus, dass sie nach wie vor dem Willen unterliegen und nicht nur vegetativ (lat.: dem Willen nicht unterliegend) bedingt sind. 

Völlig unstreitig ist dagegen, dass Affekthandlungen oder Kurzschlusshandlungen (typische Einlassung: „Ich bin durchgedreht“) zu den Handlungen zählen. Bei ihnen wird lediglich die Tathemmschwelle, nicht aber die Bewusstseinsschwelle unterschritten (vgl. dazu den immer mehr an Bedeutung zunehmenden § 213 StGB).

 

  1. Finale Handlungslehre:

 

Der Themenstreit über die kausale oder finale Handlungslehre dreht sich darum, ob der Vorsatz zur Schuld gehört oder ob die Schuld ein Vorwurf ist, der dem Täter unabhängig vom Vorsatz gemacht werden muss, der Vorsatz vielmehr denknotwendig zur Handlung gehört.

 

Vornehmlichstes Ziel des strafrechtlichen Handlungsbegriffs ist es nach dieser Auffassung, das Handeln eines Menschen als sinnhaft gestaltenden Faktor der sozialen Wirklichkeit mit all seinen personalen (den Menschen betreffenden), finalen (den Zweck betreffenden), kausalen (die Ursache betreffenden) und normativen (die Werte betreffenden) Implikationen zu erfassen. 

 

Notwendige Konsequenz: Der Vorsatz ist bereits bei der Tatbestandserfüllung der Handlung zu prüfen.

Studenten neigen nicht zuletzt deshalb eher zu den Finalisten, weil die beiden Delikts-stufen der Rechtswidrigkeit und der Schuld bei Verneinung des Vorsatzes nicht mehr geprüft werden müssen. Und das kommt so: Die sog. finale Handlungslehre sieht menschliche Handlungen immer als Ausübung von Zwecktätigkeit (Finalität). Da der Mensch aufgrund seines Kausalwissens die möglichen Folgen seines Handelns in bestimmtem Umfang voraussehen kann (wenn ich das tue – passiert jenes), kann er sich darum verschiedenartige Ziele setzen und sein Handeln auf diese Zielerreichung planvoll – mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich – lenken. Handeln ist nicht, wie bei der kausalen Handlungslehre, blind-kausales Verhalten, sondern immer sehendes – finales Handeln, also bewusst vom Ziel her das Kausalgeschehen lenkendes Wirken.

 

Trotz dieses Streits zwischen den Finalisten und den Kausalisten kommen beide fast immer zum gleichen Ergebnis (was Sie noch öfter bei juristischen Streitereien feststellen werden).

Da die verschiedenen Lehren im Ergebnis trotz ihrer unterschiedlichen Begründungsansätze fast immer übereinstimmen, ist in Klausuren kein Wort über die Handlungsbegriffe zu verlieren. Entscheidend ist, welchen Aufbau Sie wählen. ( Schemata für die Klausuren) Den halten Sie bei der Etablierung des Vorsatzes und damit später bei den „Irrtümern“ konsequent durch, ohne ihn zu begründen. Der Aufbau bedarf nie einer Begründung – er begründet sich aus sich selbst!