Gute Juristen verfügen über eine Freude an den eigenen juristischen Fertigkeiten. In den USA herrschte bis 1870 ein erbitterter Kampf um die Fragen: „Wie und wo werden Juristen am besten ausgebildet?“ Bis zu diesem Zeitpunkt galt Jura in Amerika als ein Handwerk – „Law is a craft“ – und also in Universitäten „theoretisch“ schlicht nicht erlernbar und folglich nicht lehrbar, vielmehr ausschließlich „praktisch“ vermittelbar in einer Lehre bei einem Rechtsanwalt. Erst allmählich setzte sich in der Eliteuniversität Harvard der kontinentaleuropäische Gedanke durch (Exportschlager war zu dieser Zeit die deutsche Universitätsverfassung), dass Jura eine Wissenschaft sei und von den praktischen Lehrwerkstätten der Kanzleien in die wissenschaftlichen Lehrwerkstätten der Universitäten verlegt werden müsse. Aber egal, ob Lehre oder Studium, immer bleibt das wesentliche Werk der Juristen der zu lösende „Fall“, und der muss auch handwerklich bearbeitet werden mit den Werkzeugen der Gesetze, der Methoden und der Sprache. 

 

Das Zusammenspiel von Gesetz und Fall löst der Jurist, indem er aus einer endlichen Menge von Gesetzen (juristisches Material) mit Hilfe weniger handwerklicher Methoden (juristische Kopfwerkzeuge) eine unendliche Menge von Sachverhalten (lebendiges Material) mit seiner Juristensprache (Diktion) bewältigt. 

 

Die Lösung des Falles ist dann das juristische Werk, geschaffen aus Wissen und mit handwerklich-methodischen Werkzeugen. Der Jurist ist einerseits ein „Sprachwerker“, andererseits ein „Methodenwerker“. Sprache und Methode sind nichts weiter als „Werkzeuge“ zur „Bearbeitung“ von Gesetzen und Lebenssachverhalten. So wie es für die unterschiedlichen handwerklichen Gewerke „Handwerkszeuge“ gibt, so gibt es für die juristischen Gewerke „Kopfwerkzeuge“ zur Anwendung und Auslegung von Gesetzen und zur Fallbearbeitung. Hier nennt die Wissenschaft sie nur Methoden. Man muss als Jurist folglich eine Liebe zum Handwerklichen, zur Konstruktion, zur Genauigkeit und zum Tüfteln mitbringen. 

 

Die handwerkliche Aufbereitung des abstrakten Gegenstandes „Gesetz“ und des konkreten „Falles“ auf der einen Seite und ihre konkrete methodische Gegenüberstellung im Gutachten durch die handwerkliche Operation der Subsumtion auf der anderen Seite sind eine juristisch-handwerkliche Kunstfertigkeit. 

Das muss man mögen! In der juristischen Ausbildung geht es immer und immer wieder um Falllösungen, also um die Anwendung, Auslegung, Erklärung von Gesetzen und die Unterordnung unter Gesetze, schlicht – den Umgang mit Gesetzen einerseits und Sachverhalten andererseits. Dieses ewige Spiegeln des Lebensausschnitts im Gesetz, dieses wunderbare Spiel mit der Subsumtion bewältigt man nur mit dem gekonnten Handwerk der Fallbearbeitung. Alles globale juristische Wissen im Kopf nützt letztendlich nichts, wenn es nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt umgesetzt und handwerklich sauber lokal angewendet werden kann ( Klausur). Es ist nicht nur wichtig, dass man von Jura etwas weiß, sondern es ist manchmal wichtiger, dass andere wissen, dass man etwas weiß! Alle „Klausuren- und Hausarbeitsteufelei“ finden ein jähes Ende, wenn man das Handwerk des Klausuren- und Hausarbeitenschreibens gelernt und verinnerlicht hat.