Zunächst sollten Sie immer der Tatsache eingedenk sein, dass es den „Juristen“ als Beruf bis auf die drei Klassiker: Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt gar nicht gibt. Das Berufsbild ist unscharf und diffus. Der streng einheitlichen Ausbildung folgt eine völlig uneinheitliche, aber juristisch vielfältige Berufswelt. Die Palette ist weit bunter als die ziemlich eindeutig eingefärbter Berufe, wie Arzt, Lehrer, Pfarrer oder auch Betriebswirt. Mit diesen Berufsbezeichnungen verbindet sich eine fest umrissene Vorstellung. Ganz anders bei dem Beruf „Jurist“. Dieser kann verschiedenen Professionen nachgehen. 

 

Da liest und hört man in Zeitungen und Fernsehsendungen von Rechtsanwälten in einer deutschen, gar ausländischen Großkanzlei oder eben in einer kleineren, auf Vielfältigkeit ausgerichteten „Anwalts-Boutique“, von Verfassungsrichtern, Zivil- und Strafrichtern, Staatsanwälten, von weittragenden Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsentscheidungen, die ja immer von Richtern fabriziert worden sein müssen, von Wirtschafts- und Versicherungsjuristen, von Bankern, Unternehmensberatern und Vorständlern, von Schwurgerichten und Wirtschaftsstrafkammern, von Verbandsjuristen, Verlagslektoren, Mediatoren, von Mitarbeitern bei supranationalen Organisationen, Verbraucherschutzverbänden. Sie arbeiten in der einen und anderen NGO, in einem internationalen, führenden Großkonzern, sind Personalchefs, EU-Beamte und Ministerialbeamte. Nun – gerade diese Starparade, die uns über die Medien erreicht, reizt heute viele Abiturienten zur Nachahmung. Bei dieser Aufzählung sollten Sie immer vor Augen haben: Das Recht ist nur so gut und stabil, wie diejenigen es sind, die es ausüben und anwenden. Da wollen Sie hin!

 

Knapp zweihunderttausend Juristen in Deutschland aus den unterschiedlichsten Disziplinen (Verwaltungsrecht, Strafrecht, Zivilrecht, Steuerrecht, Medienrecht, Freiwillige Gerichtsbarkeit …), in den unterschiedlichsten Professionen (Richter, Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Rechtspfleger, Amtsanwalt, Finanzbeamter, Syndikus, Vorstand …), auf den verschiedensten Tätigkeitsfeldern arbeitend (streitentscheidend, streitschlichtend, streitvermeidend), sind zusammengefasst unter der Benennung „Jurist“. 

 

Was verbindet sie alle? 

 

Zum einen, dass sie sämtlich eine gemeinsame Juristensprache sprechen, die abstraktesten Abstrakta beherrschen, die Rechtssprache als ihre Waffe benutzen, eine einheitliche Ausbildung  zum sog. Einheitsjuristen durchlaufen, dadurch einen gewissen Korpsgeist entwickelt haben und gemeinsame zeremonielle und prozessuale Rituale in Behörden, Gerichten und Verwaltungen betreiben. Das Leitbild zum Einheitsjuristen, der eine externe staatliche Prüfung ablegt, ist ein deutsches Markenzeichen und „fest gemauert“ im Deutschen Richtergesetz (DRiG).

 

Zum anderen, dass sie beeindruckt und beherrscht sind von Methodiken und Ordnungssystemen, von einer ganz speziellen, nur ihnen eigenen gutachtlichen Arbeitsweise und ihren geheimnisvollen „subsumierenden“ Denkstrategien. Sie lieben das „Klein-Klein“, das Trennende, das haargenaue Unterscheiden nach ihrem Motto: „Jeder Fall ist anders!“ Die Gesetze werden zerlegt, zerdacht, es wird interpretiert und definiert, und alles auch wieder im Schlusssatz ihres „heiligen“ Gutachtens zusammengefügt. Dies alles werfen sie wie Netze über unsere Gesetze, das ständig neue juristische Sachverhalte produzierende Leben, ihr Arbeiten, ihr Denken, Sprechen und Schreiben und fangen darin alle, aber auch alle Fälle. 

Die bestaunenswerte Fähigkeit aller guten Juristen ist es, 

Diese Fähigkeit ist das wahrhaft Bewunderungswerte an den „Juristen“. Ihr Denken und Sprechen, ihre verflochtenen Systeme und ihre alles steuernden Methoden verehren sie wie Götter in ihren „Gerichtstempeln“, Geschäftsstellen, Büros, Verwaltungsetagen und Kanzleien. Sie halten sie am Leben, um mit ihnen die Möglichkeit zu haben, auf den Willen Anderer Einfluss zu nehmen, was man herkömmlich als „Macht“ bezeichnet. Die Juristen achten in ihren geheimen Zirkeln wie Gurus peinlich darauf, dass kein Fremder ihre Systeme und ihre Methoden so schnell durchschaut, denn sie wissen: Wissen ist Macht. 

 

Zum Dritten, dass sie dank ihrer wirklich schweren Examina durch eine Grenzerfahrung miteinander verbunden sind, die durch Unsicherheit, ein Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertsein und der Unterlegenheit gekennzeichnet ist. Die traumatisierenden gemeinsamen Examenserfahrungen schmieden die professionelle Einheit zusammen, stiften Identität und ermöglichen eine recht wirksame soziale Grenzziehung von Zugehörigen und Nichtzugehörigen zu der Profession. Was diese juristischen Examina von anderen unterscheidet ist die Länge der Prüfungen, eine fehlende Abstufung und Abschichtung der Fächer, das Wissen der gesamten Ausbildung punktgenau in einer Woche (schriftlich) und an einem Tag (mündlich) abrufbereit zur Verfügung haben zu müssen, dadurch bedingt ständige Selbstzweifel und die Verkümmerung sozialer Kontakte während der intensiven und langen, ca. einjährigen  Vorbereitungsphase allein für das 1. Examen. Die Examina sind prägende Lebensepisoden aller Juristen. Dadurch erfolgt die bedingungslose Identifikation mit der neuen Gruppe der Juristen und dem durchlittenen Ritual. Mitglieder der eben verlassenen Studenten- bzw. Referendargruppe sollen gleichfalls durch diese harte Schule gehen müssen, die rückblickend als „lehr- und erfahrungsreich“ betrachtet und als prägendes Erlebnis verbucht wird. „Die sollen am Abstraktionsprinzip genauso kauen, wie wir es auch mussten!“

 

Im öffentlichen Ansehen ist das Berufsbild der Juristen nicht einheitlich. 

Einerseits gelten die Juristen als

 

Andererseits sagt man ihnen genau das Gegenteil nach, sie seien

 

Wie man ein solcher Jurist wird? – Ganz einfach! Als Jurastudent durch ein Jurastudium an einer Universität oder einer Fachhochschule für Rechtspflege. 

 

Klingt so banal und ist doch so schwierig! Um Jurist zu werden, bedarf es eines langen Atems. Die meisten Jurastudenten wissen, warum sie die Juristerei gewählt haben. Meist deshalb, weil die breit angelegte Juraausbildung zum „Einheitsjuristen“ formal den Zugang zu allen volljuristischen Berufen in dem geschilderten weiten Berufsfeld eröffnet. Was sie nicht wissen, ist, dass für die meisten Absolventen die Examensurkunde eine Marke ohne Wert ist, wenn man nicht zu den Besten gehört. Von 100 Examinierten fallen 30 durch! Von den restlichen 70 geht einer nur zur Justiz als Richter oder Staatsanwalt, sechs zur staatlichen Verwaltung, elf in die Wirtschaft. Zweiundfünfzig werden Anwalt. Für 75 % der Absolventen bleibt der Weg in die Rechtsanwaltschaft als einzige Chance zum Aufbau einer beruflichen Existenz. Hier ist eine dramatische Steigerung festzustellen. In Deutschland sind mehr als 160.000 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zugelassen, weit mehr als doppelt so viele wie im Jahr 1999.

 

Wenn Sie noch kein konkretes Berufsziel vor Augen haben, ist es hilfreich, sich die Juristenberufe einmal anzusehen. Ein „Traumberuf“ motiviert und lässt den begonnenen Weg unerschrocken weitergehen. 

 

Und das ist sie nun, die bunte Schar unserer Juristen, die die Fahne des Rechts in die täglichen „Rechtsschlachten“ tragen. Juristen arbeiten meistens:

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur Aufmunterung: Juristische Berufe sind „globalisierungssicher“. Deutsches Recht lässt sich nicht nach China auslagern, und indische Juristen können kein deutsches Recht.