Die Suchstrategie für die wissenschaftlichen Hausarbeiten 

 

Es sollte Ihnen bewusst sein, dass nicht sofort alle Entscheidungen und alle Literatur gesammelt werden können, und dass auch nicht alles im Detail gelesen und ausgeschlachtet werden kann. Vielmehr bezieht sich die Sichtung auf das Stadium der Vorarbeiten, die eigentliche Sammlung und Auswertung erfolgen erst beim Exposé der Arbeit. Es sind oft zahlreiche Urteile, Monographien, Kommentare und Aufsätze zu lesen. Eine vollständige Sammlung wäre am Anfang unökonomisch, weil Sie noch gar nicht abschätzen können, was für Sie wichtig ist und Sie damit unweigerlich den Überblick verlören. Sie sollten sich deshalb in einem ersten Arbeitsschritt darauf beschränken, nur die grundlegende Kommentar-Literatur zu lesen und danach erst Ihren weiteren Sammlungsgang zu ordnen.

Bevor die eigentliche Materialsuche beginnt, liegen sicher bereits einige  „heiße“ Problem-Quellen aus der ersten und zweiten Arbeitsphase der Sachverhalts- und Aufgabenfixierung sowie der klausurenmäßigen Konfrontation mit dem Fall vor Ihnen. Sobald Klarheit über die eigentlichen Probleme der Arbeit besteht („Was wollen die von mir?“), kann mit der intensiven Sammlung von geeignetem Literaturmaterial und wichtigen Informationsquellen aus der Rechtsprechung begonnen werden. Bei dieser Materialsuche sind hauptsächlich drei Fragen wichtig. Es sind die drei Fragen Ihrer Neugier:

Auf die Frage nach dem „Wie-wird-wo-was-gesucht-Prozess“ kann man ein Verfahren em-pfehlen, das den Namen Schneeballsystem trägt. Sie beginnen mit dem Kurzkommentar „Palandt“ bzw. „Schönke-Schröder“ für den oder die „Problem-Paragraphen“ Ihrer Arbeit, die sich bei der Klausurskizze als „schwierig“ herausgestellt haben. Dort finden sich dann weitere Großkommentarangaben, die wiederum Ausgangspunkt für den Fortgang des Suchprozesses in Rechtsprechung und Rechtsliteratur sind. 

 

Im Zusammenhang mit der Suchstrategie bei Hausarbeiten stellt sich die Frage nach der Auswahl wichtiger Bücher, Aufsätze und Entscheidungen aus dem Berg unterschiedlich bedeutender Literatur. Damit ist ein wichtiges Problem der Materialsuche angesprochen: Was kommt in Frage? Richten Sie Ihre Suche nach der Wichtigkeit und Bedeutsamkeit der Rechtsquellen aus. Unbedingt erforderlich ist als erstes die Arbeit mit den aktuellsten Gesetzestexten als Primärliteratur. Die Lektüre höchstrichterlicher Rechtsprechung ist im Zweifel wichtiger als die der Rechtsprechung unterer Gerichte. Die Rechtsprechung erschließt sich durch die Kurz- und Großkommentare. Dieses Problem taucht in ähnlicher Form gleich bei der Auswertung des gesammelten Materials auf. Hier geht es zunächst aber um eine Vorauswahl. Um eine Antwort auf die gestellte(n) Frage(n) Ihrer Arbeit geben zu können, ist ein Überblick über möglichst viele Informationsquellen erforderlich. Für die Auswahl der relevanten Literatur lassen sich nur in sehr begrenztem Maße Hinweise geben. Bei der vorläufigen Bewertung der Quellen wird man sich zwangsläufig von dem Namen eines Autors, seiner wissenschaftlichen Reputation  und vielleicht auch davon beeinflussen lassen, dass ein Werk  in einem mehr oder weniger renommierten Verlag erschienen ist. Das erfordert einige Routine, die sich erst im Laufe der Zeit einstellen wird. Wegen der Informationslawine werden Sie nicht alle Fundstellen verwerten können, sondern sich auf die wesentlichen Werke zu beschränken haben. Achten Sie dabei bitte immer auf Folgendes:

 

In jeder Art von Literatur finden sich wieder Hinweise auf weitere Literatur (Schneeballsystem). Schon nach wenigen „Runden“ lässt sich ein guter Überblick über die relevante Literatur gewinnen. 

Die Sichtung und Sammlung von Lehrbüchern, Kommentaren und Rechtsprechung und die mehrmalige Lektüre anspruchsvoller Textstellen sollten in einem möglichst frühen Stadium nach der ersten „Klausurfassung“ erfolgen, um bald das „Exposé“ erstellen zu können. ( Hausarbeit) Die Literatursammlung fällt nur bei kurzen Referatsthemen mit der Literatursichtung in einem Arbeitsschritt zusammen. Ansonsten sollte sie zeitlich später erfolgen, um der Gefahr zu entgehen, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Der sogenannte „kleine und große Kopierschein“ sind absolut unabdingbar, um ein Exposé und die Rohfassung der Arbeit zu erstellen. Nur anhand einer möglichst lückenlosen Literatur kann sich der Student ein Bild verschaffen, was schon geschrieben wurde und ob die Thematik noch etwas Neues hergibt. Vielmehr noch als der Dozent ist nämlich inzwischen der Student der Spezialist auf dem zu untersuchenden Arbeitsgebiet. Werden von Anfang an Literatur und Rechtsprechung vollständig gesammelt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden, dass Sie in einem späteren Stadium auf wichtige Literatur stoßen, die Sie dann nur noch mit großem Aufwand einarbeiten und berücksichtigen können. (Der GAU ist das Finden nach der Abgabe.) Sie werden ohnehin bald feststellen, dass viele Autoren von anderen Autoren abschreiben und sich Ideen und Argumente schon nach erstaunlich kurzer Zeit ständig wiederholen.

Oft müssen bestimmte Stellen mehrmals gelesen werden, bevor man sie richtig versteht. Das geht nicht nur Ihnen so, sondern jedem! Dann ist es hilfreich, wenn Sie den Text unmittelbar jederzeit vorliegen haben und mit ihm arbeiten können. Deshalb ist es eben unabdingbar, sich eine gewisse Anzahl von Kopien zuzulegen. Auf der anderen Seite sollte man aber kostbare Zeit nicht vor dem Kopierapparat verlieren. Mit dem Kopieren allein ist es nämlich nicht getan. Liest man die Kopien, die man angefertigt hat, nicht, ist es schade um die Zeit.

Die Materialsammlung hat im Regelfall zu einem quantitativ sehr hohen Ertrag geführt. Der Student verfügt sehr schnell über lange Listen von Büchern, Karteien von Rechtsprechung, Daten zu Zeitschriftenartikeln und Ordnern zu Literaturangaben. Und doch ist es gerade diese Situation, in der der Studierende vielfach am unglücklichsten ist. Die Bücherberge und Rechtsprechungsdateien, die Kopienordner und Zettelkästen flößen Angst ein; man weiß, dass man doch nie alles lesen kann. Das anzustreben, wäre allerdings auch völlig verfehlt. Erfahrene wissenschaftliche Arbeiter verfügen über effektive Techniken der Informationsgewinnung bzw. Literaturauswertung. Das muss man lernen! In vielen Fällen wird man sich zunächst auf einen ersten Überblick über die Textstelle beschränken und auf eine tiefere Beschäftigung mit dem Aufsatz, dem Buch oder der Rechtsprechung zunächst erst mal können. Sie stellen z.B. beim Studium der Textstelle fest, dass sich der Verfasser oder das Gericht im Gegensatz zu Ihrer bisherigen Vermutung gar nicht mit der engeren Problematik Ihres eigentlichen Themas befasst. Oder es stellt sich heraus, dass eine intensivere Lektüre nichts Neues für Sie bringen würde oder andere Literaturquellen für Sie besser geeignet sind. 

 

Die beschriebene Vorgehensweise bei der Suche nach Literatur kann man als das Prinzip der konzentrischen Kreise bezeichnen, das sich etwa wie folgt zusammenfassen lässt:

Vieles flüchtig durchsehen! (Rund-umblick)

Weniger genau durchsehen! (Zeigefingerlesen)

Noch weniger genau durcharbeiten! (Exzerpieren)

 

Trotz des  Prinzips der konzentrischen Kreise bleibt das Problem der technischen Bewältigung der als übermächtig empfundenen Literatur und Rechtsprechung. Sie können sich nun mal nicht alles merken. Deshalb werden verschiedene Techniken der Aufbereitung und Ordnung des Materials angewendet. Materialordnung bedeutet ein Zusammenstellen des durchgearbeiteten Materials nach bestimmten Gesichtspunkten. Im Zusammenhang mit der Materialordnung müssen Sie zwei Fragen beantworten:

Wie finde ich Gedanken wieder, wenn ich sie benötige?

Wie belege ich korrekt die Quellen, sofern fremde Gedanken in die eigene Arbeit übernommen werden?

 

Sie sollten sich vom ersten Tag der Bearbeitung Ihres Themas mehrere Ordner  oder besser noch eine Sammlung von Karteikarten anlegen! Beide Hilfsmittel haben den Vorteil, flexibel zu sein. Ordner und Karteikarten können jederzeit in neue Ordnungen gebracht und fast beliebig ausgedehnt werden. Und vor allem: Sie können nicht abstürzen! Bei weniger umfangreichen Arbeiten reicht in der Regel auch ein Aktenordner aus. Die Kartei oder der Ordner sind „not“-wendige Hilfsmittel zur Speicherung und zum Wiederauffinden von Informationen, die für Ihre wissenschaftliche Arbeiten unerlässlich sind. Sie sind kein juristischer Gedächtnisakrobat!

Der Aufwand, den Sie für die Materialordnung betreiben, soll den daraus resultierenden Nutzen allerdings nicht übersteigen; vor allem darf das Ordnungssystem nicht zum spielerischen Selbstzweck auf Kosten schöpferischer Tätigkeit werden. Sie müssen darauf achten, dass sich die Literaturwerke nicht türmen. Auch hier gilt deshalb das Motto: Überblick behalten! Zu diesem Zweck sollten Sie sich ja auch vor der eigentlichen Lektüre mittels einer Klausurenskizze schon klar werden, nach welchen Strukturen und Problemen Sie suchen müssen. Deswegen sind ja die Themenklarstellung und –begrenzung sowie die Falllösungsskizze so wichtig! Dies alles wird Ihnen gelingen, wenn Sie sich in der Klausurlösung und im Exposé einen Überblick über die einzelnen Rechtsprobleme verschafft haben und deshalb wissen, welche Thesen, Leitsätze, Urteile und Aufsätze zueinander passen. ( Hausarbeit)

  1. Eine Rechtsliteraturkartei (PC-Ordner), analog dem alphabetischen Bibliothekskatalog
  2. Eine Schlagwortkartei (PC-Ordner), analog dem Schlagwortkatalog der Bibliothek
  3. Eine Personenkartei (PC-Ordner), analog dem Autorenverzeichnis der Bibliothek
  4. Ein Rechtsprechungsverzeichnis (PC-Ordner) mit Stichworten und Fundstellen

 

Zu 1.  Jede Karte in dieser Kartei enthält die bibliographischen Angaben zu einem Titel so, wie Sie ihn später auch in das Literaturverzeichnis aufnehmen. Das Buch muss eindeutig identifizierbar und auffindbar sein! Also auch die Standortsignatur aus dem Bibliothekskatalog gleich mitnotieren! Vermerken Sie auch ein Schlagwort, das Sie als Abrufreiz dem thematischen Gehalt des Textes zuordnen. In der Literaturkartei sollten Sie auch folgende „Beilagen“ aufnehmen: kurze Inhaltsangabe, selbst geschrieben; Querverweise auf Stellen in anderen Büchern; Querverweise auf Personenkartei; Querverweise auf Schlagwortkartei; zuordbare Kopien.

Zu 2.   Für die Schlagwörter legen Sie eine eigene Kartei an. Auf jede Karte kommt ein Schlagwort. Dazu müssen Sie Ihre Rechtsliteratur und Rechtsprechung „verschlag-worten“, d.h. Sie ordnen Ihren dokumentierten Rechtsliteraturtiteln und ihren inhaltlichen Problemen Schlagwörter zu. Erst eine solche Kartei ermöglicht es Ihnen, Ihre Rechtsliteratur- und Rechtsprechungskartei richtig auszuwerten. Bilden Sie lieber zu viele als zu wenig solcher Schlagwörter und wählen Sie sie mit Bedacht: Wählen Sie nur solche Wörter als Schlagwörter, von denen Sie sicher sind, dass Ihr Langzeitgedächtnis sich später darunter auch eine ganz bestimmte Thematik vorstellen kann. Unter das jeweilige Schlagwort notieren Sie dann als Querverweise Titel und Fundstelle der Rechtsliteratur und Rechtsprechung von der Sie meinen, dass sie etwas zu diesem Schlagwort bringen.

Zu 3.   Ob Sie sich zusätzlich eine Personenkartei anlegen, ist Ihnen überlassen. Manche finden es gut, Informationen über die wissenschaftlichen Autoren und ihre verschiedenen Werke zu sammeln.

Zu 4. Auch wichtige Entscheidungen, die man für seine Arbeit verwenden will, fasst man am Besten möglichst bald problembezogen in einer eigenen Kartei oder in einem eigenen Ordner zusammen. Das Lesen der Leitsätze ist nie ausreichend, sind diese doch oft missverständlich oder sogar falsch. Beachten sollte man auch, dass Gerichte wie auch juristische Zeitschriften veröffentlichte Sachverhalte und Entscheidungsgründe so stark kürzen, dass eine stringente Subsumtion unter ein Tatbestandsmerkmal kaum mehr möglich ist. Auch die Rechtsprechung sollten Sie „verschlagworten“ und in der Kartei Querverweise zu Ihrer Schlagwortkartei und Literaturkartei vermerken. Auch Hinweise auf Besprechungen und Urteilsanmerkungen dürfen hier nicht fehlen.

Die Aktualisierung Ihrer Karteien und Ordner ist ein ständiger Prozess, der dann am Ende letztlich in Ihre Zitate und Ihr Literaturverzeichnis mündet; also keine Arbeit für den Papierkorb. Ob Sie sich für die Karteikarten und Ordner der herkömmlichen Papierform oder der elektronischen Form bedienen, ist Geschmacksache und bleibt jedem selbst überlassen.