Bei Polizeibeamten taucht strafrechtlich die Frage auf, ob sich diese Hoheitsträger auf die Rechtfertigungsgründe: ➞ Notwehr und ➞ Notstand berufen können.

Beispiel 1 zur Notwehr: Bei einer Geiselnahme sieht der Einsatzleiter keine andere Möglichkeit, das Leben der Geiseln zu retten, als den gezielten Todesschuss auf den Geiselnehmer.

 

Der tatbestandliche Totschlag könnte durch § 32 StGB in Form der Nothilfe gerechtfertigt sein. Fraglich ist aber, ob sich Amtsträger auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen können.

 

  1. Meinung: Nein!

Der polizeiliche Schusswaffengebrauch sei immer hoheitliches Handeln. Hoheitliche Eingriffsbefugnisse könnten aber nicht durch das Strafrecht begründet werden, sondern richteten sich ausschließlich nach öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen. Die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe seien ausschließlich auf Privatpersonen zugeschnitten. Also: Kein § 32 StGB, vielmehr würden die jeweiligen Polizeigesetze der Länder eingreifen (die übrigens nur zum Teil den finalen Todesschuss rechtfertigen können).

  1. Meinung: Ja!

Aus § 32 StGB könnten sich weitergehende Befugnisse zum Schusswaffengebrauch ergeben als nach den polizeilichen Vorschriften, und der Polizeibeamte solle dieses Recht der Notwehr ebenso haben wie jedermann, und zwar sowohl im Falle der Selbstverteidigung als auch zum Zwecke der Nothilfe (h.M.).

Da dem Polizisten nicht verwehrt sein kann, was jedem Privatmann nach § 32 StGB erlaubt ist, ist der Einsatzleiter über § 32 StGB gerechtfertigt. Allerdings muss man aufpassen: Dem Polizisten stehen aufgrund seiner polizeilichen Ausbildung und praktischen Erfahrung oft Möglichkeiten zu Gebote, die der Privatmann nicht hat, so dass das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit problematisch sein könnte.

 

Beispiel 2 zum Notstand: Das Bundeskriminalamt (BKA) stellt einem ehemaligen Terroristen zum Schutz vor Racheakten falsche Papiere aus (§ 348 StGB).

 

Beispiel 3 zum Notstand: Die Polizei hört unzulässig heimlich ein Telefonat ab (§ 201 StGB) oder betritt heimlich eine Wohnung ohne das Vorliegen der strafprozessualen
Durchsuchungsvoraussetzungen (§ 123 StGB).

 

Während neben den öffentlich-rechtlichen Eingriffs- und Hoheitsnormen auf § 32 StGB (Notwehr) ergänzend zurückgegriffen werden kann, ist ein solcher Rückgriff bei § 34 StGB (Notstand) zur Rechtfertigung staatlichen Handelns unzulässig, und zwar sowohl bei staatlichen Eingriffen in Rechtsgüter der Allgemeinheit (Terrorist, § 348 StGB) als auch bei Eingriffen in individuelle Rechtsgüter (§§ 201, 123 StGB). Anderenfalls hätte der Staat eine „Superermächtigungsgrundlage“, die zur Umgehung der extra dafür geschaffenen hoheitlichen Gesetze führen würde (bestr.).

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