Für den Bereich des Strafrechts begründet Art. 103 Abs. 2 GG, wörtlich übereinstimmend mit § 1 StGB, eine Verfassungsgarantie für eines der Hauptprinzipien des Strafgesetzbuches: Kein Verbrechen ohne Gesetz (lat.: nullum crimen sine lege). Eine Tat kann danach nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit tatbestandlich-gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Durch seine verfassungsrechtliche Verankerung ist dieses sog. Rückwirkungsverbot damit der Disposition des Gesetzgebers entzogen worden. (➞ Justizgrundrechte) Das Strafrecht ermöglicht der Staatsgewalt, dem einzelnen Bürger weitestgehende Beschränkungen bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe aufzuerlegen. Gegen einen Missbrauch dieser staatlichen Eingriffsmöglichkeiten müssen für die Bürger besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden, um dem Erfordernis der Rechtsstaatlichkeit zu genügen, wonach staatliche Willkür auszuschließen ist. Dieser Nullum-crimen-sine-lege-Grundsatz wird ergänzt durch den in § 2 Abs. 1-3 StGB niedergelegten Grundsatz: Keine Straffolge, ohne dass diese vorher gesetzlich bestimmt war, d.h., auch Art und Maß der Strafe müssen bereits bei der Tat gesetzlich bestimmt sein (lat.: nulla poena sine lege). Nach h.M. wird die Verfassungsgarantie des Art. 103 Abs. 2 GG auch auf dieses Prinzip bezogen, obgleich Art. 103 Abs. 2 GG dies nicht ausdrücklich normiert.

 

 

 

Sie erkennen sofort, dass beide Gesetze verfassungswidrig sind, da zum einen für die männliche Homosexualität rückwirkend ein neuer Straftatbestand geschaffen wird, zum anderen für einen schon bestehenden Straftatbestand rückwirkend die Straffolge verschärft wird. Ist die neue Strafandrohung allerdings milder (Abwandlung), so muss der Richter diese zur Anwendung bringen (vgl. § 2 Abs. 3 StGB).

Dieses allgemeine rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot gilt nicht in folgenden Fällen:

Sobald das neue Verfahrensrecht angewendet werden kann, muss dies geschehen. Das gilt ebenso für Verfahrensvoraussetzungen wie die rückwirkende Beseitigung des Antragserfordernisses (vgl. z.B. § 247 StGB) oder die Verlängerung laufender Verfolgungsverjährungsfristen (vgl. § 78 ff. StGB).

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