Juristisches Lernen ist immer auch Transferlernen (lat.: transferre, hinübertragen). Ein stumpfes Lernen, das auf genaue Reproduktion beschränkt ist, sollte es nicht geben. Ein Lernkonzept, das davon ausgeht, dass ständiges dressierendes ➞ Wiederholen allein schon irgendwann zum juristischen Erfolg führen wird, ist falsch. Der gute Jurastudent muss lernen, selbst Beziehungen zwischen den Paragraphen herzustellen sowie Gelerntes immer wieder in unbekanntem Zusammenhang anzuwenden. Er muss eben stets mehr lernen als er lernt: Durch die Übertragung von Wissen, den Lerntransfer, muss er Systemverständnis entwickeln. Dieses erfordert, das vorhandene Wissen ständig neu für sich arbeiten zu lassen. Die Erkenntnis, dass etwas Gelerntes übertragen werden kann, ist sicher nicht neu. Neu ist Ihnen aber vielleicht, dass in der juristischen Ausbildung fast alles nur Transfer ist. Die primäre Lernsituation zielt immer auf die sekundäre Anwendungssituation im Fall. – Und jeder Fall ist eben anders! Deshalb müssen Sie sehr früh erkennen, dass jede Ihrer singulären ➞ Lerneinheiten immer über sich hinausweisen muss und auf Anwendung mittels einer Transferleistung für einen anderen Zusammenhang in einem anderen Fall harrt. Derjenige, der nur Wissen ohne Anwendungsbezug speichert oder der nur nachahmend den gleichen Fall in gleicher Weise lösen kann, wird im Examen durchfallen. (➞ Lernen des juristischen Lernens)
Der einfältige Student wartet auf die gepaukten Fälle A, B und C. Und wenn die Fälle A1, B1 und C1 geprüft werden, muss er passen. Der gute Student lernt nicht ziellos vor sich hin, sondern dafür, an einem bestimmten Prüfungstag das gelernte und an Fällen erprobte Wissen in den ➞ Klausuren auf andere, mehr oder weniger ähnliche Fälle übertragen (transferieren) zu können.