Die wirksame ➞ Stellvertretung setzt immer voraus, dass der Vertreter Vertretungsmacht besitzt. Diese Befugnis zur Vertretung eines anderen liegt vor, wenn
- der Erklärende kraft Gesetzes als gesetzlicher Vertreter zur Vornahme des Rechtsgeschäftes befugt ist,
- als Organ einer juristischen Person die Willenserklärung abgegeben hat
- oder der Vertretene ihm durch Rechtsgeschäft eine entsprechende ➞ Vollmacht erteilt hat.
Danach gibt es also drei Spielarten der Vertretungsmacht:
- Die gesetzliche Vertretungsmacht, die durch Gesetz oder kraft Staatsaktes begründet ist, um einer Person – z.B. einem Minderjährigen –, die im rechtsgeschäftlichen Bereich nicht handlungsfähig ist, Schutz und Fürsorge zukommen zu lassen und die Möglichkeit einzuräumen, Rechtsgeschäfte abzuschließen. Bedeutsame Beispiele sind die §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB, nach denen es zur elterlichen Sorge gehört, das minderjährige Kind gesetzlich zu vertreten, und § 1793 BGB, nach dem der Vormund gesetzlicher Vertreter seines Mündels ist.
- Die organschaftliche Vertretungsmacht, die bei juristischen Personen des Privatrechts (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, rechtsfähiger Verein) und des öffentlichen Rechts (Bund, Länder und Gemeinden, öffentlich-rechtliche Anstalten usw.) gilt. Alle diese juristischen Personen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne Vorhandensein einer natürlichen Person im rechtsgeschäftlichen Bereich überhaupt nicht handlungsfähig sind. Sie haben daher durch gezielte gesetzliche Bestimmungen Organe erhalten, die sie wie ein gesetzlicher Vertreter nach außen hin repräsentieren und rechtlich handlungsfähig machen. Diese Vertreter und Organe einer juristischen Person (Vorstände, Geschäftsführer) können dann wiederum im Rahmen ihrer Vertretungsmacht einem anderen Vollmacht erteilen, also eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht begründen.
- Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, die für den Vertretenen die Erweiterung seines rechtsgeschäftlichen Wirkungskreises bedeutet und die dem Vertreter die Vertretungsmacht aufgrund einer ihm erteilten ➞ Vollmacht einräumt (Legaldefinition in § 166 Abs. 2 BGB). Um das von dem Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft gegenüber dem Vertretenen wirksam werden zu lassen, muss hier die Vollmacht rechtsgeschäftlich wirksam erteilt sein und darf noch nicht wieder erloschen sein. Da aus dem vom Vertreter geschlossenen Vertrag nur der Vertretene verpflichtet wird, stellt die Vertretung für den Vertreter ein neutrales Geschäft dar, das im Sinne von § 107 BGB als lediglich rechtlich vorteilhaft gilt, so dass der Vertreter beschränkt geschäftsfähig sein kann, § 165 BGB.