ist die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsgewalt unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten, um die Sache entweder ihrer Substanz nach oder ihrem Sachwert nach dem eigenen ➞ Vermögen einzuverleiben, wobei bezüglich der Aneignungskomponente ➞ Dolus directus und bezüglich der Enteignungskomponente mindestens ➞ Dolus eventualis vorliegen muss. Dieses schwierige subjektive Tatbestandsmerkmal des ➞ Diebstahls in § 242 StGB bekommen Sie dann am besten in den Griff, wenn Sie es in seine zwei Bestandteile

1.       „Zueignung“ und

2.      Absicht“ zerlegen

und diese einer jeweils isolierten Betrachtung unterziehen.

 

  1. Zueignung:

Als erstes müssen Sie sich klar machen, dass Zueignung nichts mit Eigentumserlangung i.S. einer zivilrechtlichen Denkungsweise zu tun hat. Der Dieb wird natürlich niemals Eigentümer der weggenommenen Sache. Im Begriff der Zueignung steckt also immer nur die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsgewalt über die Sache, ein So-tun-als-ob, ein Sich-gerieren als Eigentümer.

Sodann ist wichtig zu wissen, dass sich jede Zueignung aus zwei Komponenten zusammensetzt:

Formel: Aneignung + Enteignung = Zueignung!

 

 

Zueignung ist also per definitionem zunächst einmal die zumindest vorübergehende Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsgewalt (Aneignung) unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten (Enteignung).

 

Beide Komponenten können problematisch werden:

 

Beispiel: Emma hat sich von Jupp entlobt. Jupp schleicht sich in Emmas Schlafzimmer, entwendet, um sie zu ärgern, ihr teures Parfum Marke „Paragraphia blue“ und kippt das Parfum in die Mülltonne

 

Es liegt keine Aneignung, mithin keine Zueignung, mithin kein Diebstahl vor; vielmehr handelt es sich um einen „Vernichtungsdiebstahl“, der als Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zu ahnden ist. An einer Aneignung fehlt es, wenn der Täter die Sache nicht wirtschaftlich nutzen, sondern zerstören will (oder entziehen will: Jupp lässt den geliebten Kanarienvogel der Emma fliegen). Zwar steht nur dem Eigentümer gem. § 903 BGB die Zerstörung der Sache zu. Die Aneignungsformel meint aber nur Fälle, in denen der Täter die Sache wirtschaftlich gebraucht und sie nicht vernichtet.

Beispiel: Jupp entwendet das Parfum, um es seiner neuen Geliebten zu schenken.

 

Hier maßt sich Jupp die Herrschaft als Eigentümer an, es liegt Diebstahl vor.

 

Beispiel: Jupp nimmt das Parfum weg und verspritzt es in seinem Zimmer; er freut sich, dass er Emma mit dem Entzug ärgern konnte, schwelgt aber aufgrund des geschnüffelten Duftes auch in alten Erinnerungen.

 

Hier kommt es auf den Willen des Jupp an: Da die Vernichtung des Parfums fast identisch ist mit dem wirtschaftlichen, duftenden Gebrauch der Sache, liegt Aneignung vor, wenn es Jupp primär um den Duft ging – dagegen Sachbeschädigung, wenn der Duft nur Nebenfolge der primär gewollten Vernichtung war. In dubio pro reo also § 303 StGB.

 

 

Beispiel: Student S1 nimmt heimlich seinem Zimmerkollegen S2 dessen brillantbesetzten Ohrring weg, um auf einer Party den gleichen Erfolg bei Frauen zu haben wie S2, da er meint, sein Misserfolg beruhe weniger auf seinem etwas spröden Charme als auf fehlendem Ohrgehänge. Am nächsten Morgen legt er den Ohrring an die alte Stelle zurück, was er von Anfang an vorhatte.

 

Der sog. Gebrauchsdiebstahl (lat.: furtum usus, Diebstahl zum Gebrauch), der gar kein Diebstahl ist, ist nur in Ausnahmefällen im Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt: in den §§ 248b und 290 StGB. In allen anderen Fällen ist er grundsätzlich straflos. Es fehlt eben an der gewollten dauernden Enteignung.

Allerdings kann die Abgrenzung im Einzelnen schwierig werden, wenn nämlich der Täter durch den Gebrauch der weggenommenen Sache dieser den wirtschaftlichen Wert entzieht. Dann ist die Problematik der Sachwerttheorie erreicht, wozu gleich nähere Ausführungen folgen.

 

Beispiele:

 

Nach der sog. ➞ Substanztheorie liegt Zueignung vor, wenn der Täter die Sache selbst – der Substanz nach – seinem eigenen Vermögen einverleibt. Nach dieser Theorie werden alle Diebstahlsfälle gelöst, in denen es dem Täter um den Besitz, Verzehr, Verkauf oder Gebrauch geht, wobei der Gebrauch kein spezifischer, der Sache eigentümlicher Gebrauch zu sein braucht. Diese Theorie definiert somit die Zueignung als „Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsgewalt unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten, um die Sache der Substanz nach dem eigenen Vermögen einzuverleiben.“

Damit glaubte man lange Zeit, eine Formel für alle denkbaren Diebstahlsvarianten gefunden zu haben. Bis der Enkel Donald auftauchte!

Beispiel 1: Enkel Donald angelte im Sparstrumpf seiner Oma, fand ihr Sparbuch, hob (damals) 1.000 DM ab und legte, wie geplant, das Sparbuch in den Sparstrumpf zurück.

 

Dieser Donald stürzte die Rechtsprechung mit ihrer entwickelten Substanztheorie nun in große Schwierigkeiten, da er nicht das Sparbuch – also die Substanz – seinem eigenen Vermögen einverleiben wollte, sondern es ihm ausschließlich um den darin verkörperten Sachwert – nämlich die darin verbriefte Tausend-Mark-Forderung – ging. Hier wird der weggenommenen Sache ihr wirtschaftlicher Wert entzogen und es wird die mehr oder weniger wertlose Sachhülse zurückgegeben.

 

Beispiel 2: Auf einem Betriebsfest entwendet ein Angestellter einem Kollegen mehrere vom Chef an jeden Mitarbeiter ausgegebene Biermarken, um sie einzulösen und „zu Bier zu machen“.

 

Sowohl der „Sparbuchfall“ als auch der „Biermarkenfall“ zwangen die Rechtsprechung zu einer neuen Zueignungsdefinition. Nach der ➞ Sachwerttheorie liegt Zueignung vor, wenn der Täter – ohne Rücksicht auf den endgültigen Verbleib der Sache (Sparbuch) – den in der Sache verkörperten wirtschaftlichen Wert (Forderung) seinem Vermögen einverleibt. Nimmt der Täter allerdings eine alte, vergilbte Fotografie, entwertete Brotmarken, eine der Geliebten abgeschnittene Locke oder sonstige Gegenstände weg, deren wirtschaftlicher Wert gleich Null ist und die lediglich Affektionsinteresse haben, so muss auch die Sachwerttheorie sich wieder der Substanztheorie erinnern.

Eine ➞ Vereinigung von Substanz- und Sachwerttheorie stellt nunmehr die letzte und endgültige Definition dar, die bis heute Gültigkeit besitzt (bis ein neuer Donald kommt). Sie lautet:

Zueignung ist die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsgewalt (Aneignung) unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten (Enteignung), um entweder die Sache ihrer Substanz nach oder ihrem wirtschaftlichen Wert nach dem eigenen Vermögen einzuverleiben.

 

Der Täter muss entweder sich oder einem Dritten die Sache zueignen wollen. Einen fremdnützigen Diebstahl kennt das Gesetz inzwischen ebenso wie einen fremdnützigen Betrug (vgl. §§ 242, 263 StGB: „sich oder einem Dritten“). Wer ausschließlich für einen Dritten handelt, bleibt nicht straflos (Pönalisierung der Drittzueignung in §§ 242, 246, 249, 292 StGB).

 

Beispiele:

 

  1. (Zueignungs-)Absicht

 

Der Täter muss mit einem auf die Zueignung gerichteten Willen gehandelt haben. Dabei genügt es für dieses zielgerichtete Wollen, dass hinsichtlich der Enteignungskomponente ➞ Dolus eventualis vorliegt; ➞ Dolus directus braucht nur für die Aneignungskomponente gegeben zu sein. Diese Differenzierung des Begriffs „Absicht“ resultiert aus der Überlegung, dass es dem Dieb ja typischerweise nur auf die Erlangung der Sache oder zumindest ihres Wertes direkt ankommt (Dolus directus), er die Enteignung des Berechtigten dagegen regelmäßig nur billigend in Kauf nimmt (Dolus eventualis).

 

Beispiel: T nimmt seinem Nachbarn dessen Rennrad weg, um damit ein Touristikrennen zu bestreiten. Er will das Rad nach Gebrauch wieder zurückstellen.

 

T fehlt es bezüglich der Enteignungskomponente am Minimalerfordernis des bedingten Vorsatzes und damit insgesamt an der Zueignungsabsicht. Es liegt nur eine Gebrauchsanmaßung vor, er kann nur wegen § 248b StGB bestraft werden.

 

Beispiel: Der entflohene Strafgefangene S nimmt ein vor der Anstalt abgestelltes Fahrrad weg, um damit zum 20 km entfernt liegenden Bahnhof zu fahren, wo er es zurücklassen will.

 

Der auf dauernde Enteignung des Eigentümers gerichtete Vorsatz ist in Form des Dolus eventualis zu bejahen, da nach dem Täterwillen das Rad nach Gebrauch dem Zugriff eines jeden Dritten ausgesetzt ist und es dem Zufall überlassen bleibt, ob der Eigentümer es jemals wiedererlangt. Das ist aber gerade die typische Konstellation für den Dolus eventualis, weil der Täter die Enteignung billigend in Kauf nimmt und sich sagt: „Na, wenn schon!“. Auf die Aneignung des Rades, die in seinem Gebrauch liegt, kam es dem S dagegen direkt an (dolus directus).

 

Fasst man nun „Zueignung“ und „Absicht“ zusammen, so ergibt sich die Definition:

Zueignungsabsicht ist die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsgewalt (An-eignung) unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten (Enteignung), um die Sache entweder ihrer Substanz nach (Substanztheorie) oder ihrem Sachwert nach (Sachwerttheorie) dem eigenen Vermögen (oder dem eines Dritten) einzuverleiben, wobei bezüglich der Aneignung Dolus directus und bezüglich der Enteignung mindestens Dolus eventualis vorliegen muss.

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