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Betrug

ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung eines anderen in Bereicherungsabsicht. Geschütztes Rechtsgut ist das Vermögen als Ganzes (beim Diebstahl dagegen nur das Eigentum) gegen die zur Selbstschädigung des Opfers veranlassende Täuschung. Der Betrug ist geregelt in § 263 StGB. Der Betrüger veranlasst durch Täuschung einen anderen – das Opfer –, für ihn eine Handlung vorzunehmen, die dessen Vermögen – oder das eines Dritten – beeinträchtigt und das Vermögen des Täters – oder eines Dritten – vermehren soll, es also zu einer Vermögensverschiebung kommen soll. Diese Situation ist der mittelbaren Täterschaft insofern vergleichbar, als das Opfer Werkzeug gegen sich selbst wird. Der Betrug ist nach dem Diebstahl das am häufigsten begangene Delikt. Der angerichtete Schaden, der jährlich durch solche Handlungen entsteht, kann nicht einmal annähernd geschätzt werden. Im Gegensatz zum Diebstahl ist der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt; das Opfer wirkt, veranlasst durch die Täuschung, gegen sich selbst mit. Daraus erklärt sich die häufig festzustellende Wut des Geschädigten auf den Betrüger, da er sich gewissermaßen über sich selbst ärgert („ich könnte mich in den Hintern beißen“), weil er vom Betrüger als „Dummerjan“ vorgeführt worden ist. Gerade das Opferverschulden darf beim Betrug nicht übersehen werden. Nicht selten ist das Opfer dumm oder geldgierig oder selbst ein betrogener Betrüger. Das Opfer erleichtert infolge von Leichtgläubigkeit, Leichtfertigkeit und durch Verzicht auf Kontrollen oder Formalitäten den Betrügern ihre manchmal plumpen, oftmals aber sehr raffinierten Machenschaften. Die Ideen, die entwickelt werden, um an die Cents anderer zu kommen, sind unerschöpflich und äußerst kreativ. Auch darf heute nicht verkannt werden, dass die Grenzen zwischen strafbarem Betrug und strafloser Geschäftstüchtigkeit (Cleverness), die gerade als Wirtschaftsfaktor gewünscht wird, fließend und oft nur schwer zu ziehen sind.

Da der Wortlaut des § 263 StGB im Wesentlichen missglückt ist, muss man eine eigene Struktur entwickeln.

 

Beispiel 1:  Der nichtsesshafte Alfons Berber will in seinem durch Alkohol zerstörten Leben noch einmal ausgezeichnet speisen. Zu diesem Zweck leiht er sich einen schwarzen Smoking, begibt sich mittellos in das 4-Sterne-Restaurant „Auster“ und bestellt eine lukullische Speisen- und Getränkefolge. Als der Ober die Rechnung präsentiert, erklärt er, er könne die Summe von 356 Euro nicht zahlen, da er über kein Bargeld verfüge, man möge aber dem Küchenchef sein Kompliment übermitteln.

 

Beispiel 2: Der Kunststudent Siggi Pinsel verfügt über hervorragende malerische Fähigkeiten und Talente und kopiert einen Picasso täuschend echt. Das Bild veräußert er als echten Picasso an den reichen Amerikaner John Ross für 100.000 Euro.

 

In Betracht kommt jeweils eine Bestrafung nach § 263 StGB wegen Betruges.

 

Zu Beispiel 1:

Zunächst könnte sich Alfons Berber dadurch, dass er Speisen und Getränke bestellt hat, ohne über die nötige Barschaft zu verfügen, wegen Betruges gem. § 263 StGB strafbar gemacht haben.

Das setzt voraus:

  1. Täuschung: „… Durch Vorspiegeln falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen …“

Täuschung ist ein wahrheitswidriges Verhalten mit einem ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungswert, der auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen einwirkt.

Alfons Berber hat durch die Bestellung die wahrheitswidrige Tatsache konkludent vorgespiegelt, dass er über ausreichende Zahlungsmittel verfüge, mithin zahlungsfähig ist.

  1. Irrtum: „… einen Irrtum erregt oder unterhält …“

Irrtum ist das Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit.

Der Restaurantbesitzer hält Alfons irrig für einen liquiden Gast, seine Vorstellung und die Wirklichkeit decken sich nicht.

  1. Vermögensverfügung: „ . ?. . “

Eine diesbezügliche gesetzliche Formulierung sucht man in § 263 StGB vergebens. Die Vermögensverfügung ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das logische und kausale Bindeglied zwischen Irrtum und Schaden, da der Betrug eben ein durch Täuschung veranlasstes Selbstschädigungsdelikt ist. Die Selbstschädigung geschieht durch eine Vermögensverfügung. Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das unmittelbar eine Vermögensminderung beim Getäuschten selbst oder einem Dritten herbeiführt. (Dieser Begriff ist nicht identisch mit dem Verfügungsbegriff im Bürgerlichen Gesetzbuch.)

Da der Restaurantbesitzer die Speisen und Getränke gem. § 929 S. 1 BGB übereignet hat, liegt ein solches vermögensminderndes Handeln vor (auf den Eingehungsbetrug soll nicht eingegangen werden).

  1. Vermögensschaden: „… das Vermögen eines anderen … beschädigt …“

Vermögensschaden ist die Differenz des Vermögens vor und nach der Vermögensverfügung, wobei Vermögen als die Summe aller geldwerten Güter nach Abzug der Verbindlichkeiten definiert wird.

Vor der Übereignung standen die Speisen und Getränke im Eigentum des Wirtes; nach der Übereignung waren sie als Wirtschaftsgüter ausgeschieden, ohne dass ihnen als Gegenleistung ein durchsetzbarer äquivalenter Gegenstand in Form eines Kaufpreisanspruches gegenüberstand.

  1. Bereicherungsabsicht: „… in der Absicht, sich oder einem Dritten einen …Vermögensvorteil zu verschaffen …“

Die bisher genannten vier Tatbestandsmerkmale betreffen den objektiven Tatbestand. Darüber hinaus enthält der Tatbestand mit der „Absicht“ ein subjektives Tatbestandsmerkmal.

Bereicherungsabsicht liegt vor, wenn es dem Täter auf den erstrebten Vermögensvorteil ankommt (das Wollensmoment überwiegt), so dass Dolus eventualis ausscheidet. Der Täter muss den erstrebten Vermögensvorteil nicht etwa auch erlangt haben. Es liegt vergleichbar wie beim Diebstahl, wo auch die Zueignungsabsicht nicht realisiert zu sein braucht.

Alfons Berber kam es auf die Übereignung der Sachen gerade an, er handelte damit in Bereicherungsabsicht.

  1. Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung: „… Absicht, sich … einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen …“

Rechtswidrig ist die erstrebte Bereicherung, wenn dem Täter kein fälliger und durchsetzbarer Anspruch auf den erstrebten Vermögensvorteil zusteht, wenn die Bereicherung also der Rechtsordnung widerspricht (wie bei § 242 StGB auch).

Zwar hat Alfons einen Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB auf Übereignung der bestellten Speisen und Getränke; dieser Anspruch widerspricht aber der Rechtsordnung, wie die §§ 123, 826 BGB ausweisen.

  1. Stoffgleichheit: „.?..“

Dieses Merkmal, das ebenfalls keine Entsprechung im Text des § 263 StGB findet, ergibt sich daraus, dass der Betrug seinem Wesen nach auf eine Vermögensverschiebung zwischen Opfer und Täter ausgerichtet ist, wenn auch zur Vollendung des Tatbestandes bereits der erste Akt dieser Verschiebung, nämlich der Vermögensverlust („Schaden“) auf Seiten des Opfers genügt. Die Absicht des Täters muss aber darauf gerichtet sein, dass der erstrebte Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Opfers stammt. Der Vorteil des Täters muss die Kehrseite des Schadens beim Opfer sein.

Der von Alfons erstrebte Vermögensvorteil, nämlich die Übereignung der Speisen und Getränke ist das genaue Gegenstück (Passstück) des Vermögensschadens auf Seiten des Restaurantbesitzers.

Mithin hat Alfons Berber den Tatbestand des § 263 StGB rechtswidrig und schuldhaft erfüllt. Er ist wegen Betruges zu bestrafen.

 

Zu Beispiel 2:

Kunststudent Pinsel könnte sich durch den Verkauf des gefälschten Bildes ebenfalls wegen Betruges gem. § 263 StGB strafbar gemacht haben. 

Das setzt zunächst eine Täuschungshandlung über eine Tatsache voraus. Pinsel spiegelt hier die Echtheit des Picasso vor, täuscht mithin über die Echtheit des Bildes. 

Weiterhin müsste er einen Irrtum erregt haben. Irrtum ist das Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit. John Ross stellt sich vor, einen echten Picasso zu erwerben, während in Wahrheit eine wertlose Kopie Gegenstand des Handels ist. 

Darüber hinaus ist eine Vermögensverfügung des Getäuschten notwendig. Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das unmittelbar eine Vermögensminderung beim Getäuschten selbst oder einem Dritten herbeiführt. John Ross übereignet dem Täter 100.000 Euro, eine Handlung, die die Summe seiner geldwerten Güter (Vermögen) berührt. 

Schließlich müsste ein Vermögensschaden eingetreten sein. Vermögensschaden ist die Differenz des Vermögens vor und nach der Verfügung. Der Amerikaner hat 100.000 Euro aus seinem Vermögen ausgeschieden und als Äquivalent einen wertlosen „Schein-Picasso“ erstanden. 

Endlich hätte Pinsel in der Absicht handeln müssen, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Ihm kam es gerade auf die Erlangung des gezahlten Kaufpreises an, auf den er keinen von der Rechtsordnung gebilligten Anspruch hatte. 

Auch war dieser erstrebte Vermögensvorteil das genaue Gegenteil des Vermögensschadens, mithin stoffgleich.

Also hat Pinsel den Tatbestand des § 263 StGB rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht. ( Urkundenfälschung)

Betrug –  von Fall zu Fall 

Beispiel 1: Bettler B, der Geld für Alkohol benötigt, bindet sich eine Blindenbinde um, obwohl er sehen kann, setzt eine Sonnenbrille auf und hockt sich auf den Bürgersteig. Der gutgläubige K legt 2 Euro in den Hut.

 

Der Streit, der bei den sog. Spenden- oder Bettelbetrugsfällen aufflammt, dreht sich um die Frage, ob ein Vermögensschaden verneint werden muss, wenn dem Opfer der vermögensschädigende Charakter der Verfügung bewusst ist.

Nach h.M. kann Betrug auch bei bewusster Selbstschädigung vorliegen. Aber selbst dann, wenn man für den Betrug eine unbewusste Selbstschädigung für wesensimmanent hält, kommt man zu einem Betrug. Die unbewusste Selbstschädigung ist darin zu sehen, dass der mit der Spende oder dem Bettelgeld gewollte Zweck verfehlt wird (vgl. BGHSt 19, 45; RGSt 70, 256; BayObLG NJW 52, 798).

 

Beispiel 2:  T täuscht in einem eiskalten Winter eine Straftat vor, um in der U-Haft „Kost und Logis“ kostenfrei zu bekommen.

 

Ein Betrug zum Nachteil des Landesfiskus ist hier zu bejahen, da der Haftbefehl eine Vermögensverfügung darstellt, die einen Vermögensschaden, nämlich Unterkunft und Beköstigung zur Folge hat. Dieser Schaden war auch der von T erstrebte Vorteil (vgl. BGHSt 14, 170).

 

Beispiel 3: Der verarmte Playboy P spiegelt der begüterten alten Witwe B die Absicht einer Eheschließung vor und erhält aufgrund dieser „Verlobung“ 10.000 Euro in bar und einen Porsche.

 

Bei den Heiratsschwindlerfällen taucht die gleiche Problematik wie beim Bettelbetrug auf. Der Heiratsschwindler ist ein Betrüger.

 

Beispiel 4:  T, der bereits je zweimal wegen Diebstahls und Unterschlagung vorbestraft ist, erklärt bei der Bewerbung um einen Posten als Lagerverwalter wahrheitswidrig, er sei nicht vorbestraft. T erhält den Posten und füllt ihn zufriedenstellend aus.

 

Die Täuschungshandlung des T liegt in der wahrheitswidrigen Erklärung, nicht vorbestraft zu sein, die Vermögensverfügung in der Lohnzahlung. Das Problem liegt bei den Fällen des sog. Anstellungsbetruges im Schaden. Grundsätzlich erleidet der Arbeitgeber keinen Schaden, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich dem entspricht, was als Leistung der betreffenden Tätigkeit erwartet werden kann (wenn Lohn und effektive Arbeitsleistung entsprechend sind).

Anders verhält es sich aber dann, wenn besondere Anstellungsvoraussetzungen als Be-messungsgrundlage für die Höhe des Lohnes entscheidend sind, wenn also – wie hier – die Bezahlung gerade mit Rücksicht auf eine besondere Vertrauensstellung als Lagerverwalter sehr hoch festgesetzt wurde (vgl. RGSt 73, 269). BGHSt 17, 254 hat sogar in höchst bedenklicher Weise einen Anstellungsbetrug angenommen mit der Begründung, bei der Einstellung eines wegen Vermögensdelikten Vorbestraften liege generell eine Vermögensgefährdung des Arbeitgebers aufgrund der Anfälligkeit (!) des Angestellten zu Vermögensdelikten vor.

Bei der Erschleichung einer Beamtenstellung gelten wiederum andere Grundsätze, da hier schon dann ein Schaden vorliegt, wenn der eingestellte Beamte die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, auch wenn seine tatsächlich erbrachten Dienstleistungen durchaus ordnungsgemäß sind. Den Grund findet die Rechtsprechung letztlich im Alimentationsprinzip, wonach die Bezüge nicht nur die Gegenleistung für die erbrachte Leistung darstellen (vgl. BGHSt 5, 358).

 

Beispiel 5:  Der fanatische Wetter W besticht vier der acht startenden Jockeys im großen Union-Pokal, damit sie ihre Pferde zurückhalten und setzt selbst den höchsten Wetteinsatz auf die verbliebenen Pferde.

 

Im Verschweigen der Verminderung des Wettrisikos liegt eine Täuschung i.S. des § 263 StGB (vgl. BGHSt 29, 165). Dieser Fall wirft auch interessante Parallelen zu erkauften Bundesligaspielen auf.

 

Beispiel 6: T hebt vom Sparbuch seines mit ihm zusammenlebenden Freundes F unberechtigterweise 1.000 Euro ab und legt das Sparbuch danach an seinen angestammten Platz zurück.

 

Neben dem mit der Sachwerttheorie zu begründenden Diebstahl gem. § 242 StGB kommt ein Betrug gem. § 263 StGB durch Täuschung des Sparkassenangestellten zum Nachteil des Freundes F in Betracht (Dreiecksbetrug!). Lässt man den Tatbestand bei der Präsentation von qualifizierten Legitimationspapieren (Sparbuch) wegen § 808 BGB nicht bereits an der Täuschungshandlung scheitern (durchaus vertretbar), weil T nichts anderes erklärt, als dass an ihn mit befreiender Wirkung gezahlt werden kann (was richtig ist), dann mangelt es spätestens an einem Irrtum des Sparkassenangestellten. Dieser macht sich wegen der Legitimationswirkung des Papierbesitzes überhaupt keine Gedanken über die materielle Berechtigung des T (vgl. RGSt 26, 154; 39, 242).

 

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