Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch ➞ Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden, soweit kein Abtretungsverbot besteht: §§ 398, 399 BGB. Es handelt sich um ein ➞ Verfügungsgeschäft, dem als Rechtsgrund ein Forderungskauf oder eine Forderungsschenkung zugrunde liegen können.
Anhand der Abtretung soll einmal die Systematik des BGB demonstriert werden. Lesen Sie die §§ 398 bis 410 BGB und fragen sich, ob Sie das Institut verstanden haben. Jetzt lesen Sie bitte weiter.
01. Abtretungsvertrag
- Einigung gem. §§ 398 S. 2, 145 ff. zwischen Altgläubiger (Zedent) und Neugläubiger (Zessionar)
- Abstraktes Verfügungsgeschäft, dem ein Kaufvertrag, ein Sicherungsvertrag, eine Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2) oder eine Schenkung zugrunde liegen können.
- Einigung ist formfrei und mitteilungsfrei an S.
02. Berechtigung
- Zedent und Altgläubiger muss verfügungsbefugter Inhaber der Forderung sein.
- Forderung muss in der Hand des Altgläubigers entstanden sein und noch bestehen zum Zeitpunkt der Abtretung.
03. Kein Abtretungsverbot
- § 400
- § 399 1. Alt.: Inhaltsänderung droht, d.h. es kommt dem Schuldner auf die Person des Gläubigers an
- § 399 2. Alt.: Abtretungsverbotsvereinbarung
Stellung des Neugläubigers:
- Er wird gem. § 398 S. 2 neuer Forderungsinhaber.
- Er hat gem. § 402 einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch gegen Altgläubiger wegen § 371.
- Er hat gem. § 403 einen Anspruch auf Beurkundung der Abtretung wegen § 410.
- Er erwirbt die für die Forderung bestehenden Sicherungsrechte gem. § 401.
Dazu ein Beispiel zu dieser wichtigen Norm.
S schuldet G aus Kauf 5000 €. Zur Sicherheit hatte S dem G seine goldene „Rolex“ verpfändet gem. §§ 1204, 1205 BGB (Einigung, Übergabe, Einigsein, Berechtigung, Bestehen der Forderung).
G tritt seine Forderung an Gl1 ab, wobei er das Pfandrecht unerwähnt lässt. Gl1 verlangt von S Zahlung von 5000 €.
S erweist sich als zahlungsunfähig und verweist Gl1 auf die Uhr. Nunmehr wendet sich Gl1 an G und verlangt die goldene Uhr heraus. Dieser weigert sich mit der Begründung, diese sei niemals Gegenstand ihrer Vereinbarung gewesen. Gl1 verlangt die Herausgabe!
- Gl1 gegen Gl: § 985 entfällt, da Gl1 nicht Eigentümer
- Gl1 gegen Gl: §§ 1227, 985
- aa. Aus eigenem Recht nicht gem. §§ 1204, 1205
- bb. Er könnte aber aus abgeleitetem Recht gem. §§ 398 Abs. 1 S. 2, 433 Abs. 2, 401 Pfandgläubiger geworden sei.
- Forderungsübergang gem. § 398 (Einigung, Berechtigung, kein Abtretungsverbot)
- Pfandrecht geht kragt Gesetzes gem. § 401 mit über, wenn es wirksam entstanden ist und noch besteht.
Also ist das Pfandrecht gem. §§ 398, 433 Abs. 2, 401 auf Gl1 übergegangen.
Also ist Gl1 Pfandgläubiger.
- Weiterhin müsste eine Beeinträchtigung vorliegen. Due Vorenthaltung der Uhr durch G stellt eine solche Beeinträchtigung dar.
Also kann Gl1 von G gem. §§ 1227, 985 die Herausgabe der Uhr verlangen.
Stellung des Schuldners
Beispiel: S schuldet G aus Kauf 5000 €. S zahlt am 1.2. in voller Höhe zurück. Dennoch tritt G am 1.3. die Forderung an Gl1 ab. Gl1 verlangt von S Zahlung!
Die von Gl1 aus abgeleitetem Recht geltend gemachte Forderung gem. §§ 398, 433 Abs. 2 BGB scheitert an einer wirksamen Abtretung, da zum Zeitpunkt der Abtretung G die Berechtigung fehlte wegen wirksamer Erfüllung gem. § 302 Abs. 1 BGB.
Abwandlung:
Gl1 erklärt: „Ich war aber gutgläubig! Wenn es ein Auto gewesen wäre, hätte ich nach §§ 929, 932 erworben.“
- Grundsatz: Es gibt bei Forderungen keinen gutgläubigen Erwerb, da Rechts-scheinsanknüpfungstatsachen fehlen, die bei beweglichen Sachen gem. § 1006 und bei unbeweglichen Sachen gem. § 891 vorhanden sind.
- Ausnahme: S hatte G einen Schuldschein ausgestellt, mit G ein Abtretungsverbot vereinbart und G tritt an Gl1 unter Vorlage des Schuldscheins ab, § 405 BGB.
S kann sich weder auf Abtretungsverbot noch auf Scheingeschäft (§ 117 BGB) berufen.
Abwandlung: G tritt am 1.3. an Gl1 ab; S zahlt am 1.4. an G 5000 € gutgläubig zurück. Gl1 verlangt von S erneut Zahlung, da er an den falschen Gläubiger gezahlt habe. Wie ist die (berühmte) Rechtslage?
Schulmäßige Lösung:
- Gl1 gegen S: §§ 433 Abs. 2, 398 BGB
- Aus einem Recht nicht
- Gl1 könnte die Forderung aus abgeleitetem Recht von G gem. § 398 BGB erworben haben.
- Einigung erfolgt
- Berechtigung zum Zeitpunkt der Abtretung gegeben, da Abtretung erst nach Erfüllung durch S erfolgte
- Kein Abtretungsverbot liegt vor.
- S ist richtiger Schuldner
- Geld ist richtige Leistung
- G war aber nicht der richtige Gläubiger, sondern Gl1
- Über die fehlende Gläubigerstellung des G könnte § 407 BGB hinweghelfen
- aa. Die Geldleistung ist gem. § 929 BGB bewirkt worden
- bb. Nach Abtretung
- cc. S hatte keine positive Kenntnis von der Abtretung
Also ist die Kaufpreisforderung aus § 433 Abs. 2 BGB erloschen. Also hat Gl1 gegen S keinen Anspruch aus §§ 398, 433 Abs. 2 BGB.
- Gl1 gegen G: § 816 Abs. 2 BGB (Gegenspieler zu § 407 BGB)
- Leistung bewirkt: §§ 929, 433 Abs. 2 BGB
- An Nichtberechtigten G wegen § 398 BGB
- Gegenüber Berechtigtem wirksam gem. § 407 BGB
Also muss G an Gl1 5000 € gem. § 816 Abs. 2 BGB zahlen.
Abwandlung: G hatte S die Kaufpreisforderung bis zum 31.12. des Jahres gestundet. Gl1 macht die Forderung schon am 1.7. geltend. S beruft sich auf Stundung. Gl1 sagt: „Nicht mit mir vereinbart!“
Hier greift für S die Schuldnerschutzvorschrift des § 404 BGB ein für ➞ Einreden, die schon im Zeitpunkt der Abtretung bestanden haben. Hier die ➞ Stundung gem. §§ 311, 241 BGB. Also ist die Forderung am 1.7. nicht fällig. S kann sich auch dem Neugläubiger gegenüber auf die Einreden der Stundung berufen.
Abwandlung: S hatte zwei Wochen nach der Abtretung von G an Gl1 den Kaufvertrag gegenüber G angefochten wegen arglistiger Täuschung.
Gl1 gegen S: §§ 433 Abs. 2, 398 auf 5000 € aus abgeleitetem Recht
- Gl1 ist Gläubiger?
- Einigungsvertrag mit G
- Berechtigter, da G Inhaber des Anspruchs zum Zeitpunkt der Abtretung. (Hätte S schon vor (!) der Abtretung angefochten, wäre hier schon Ende.)
- Kein Abtretungsverbot
- Anspruch könnte gem. §§ 142 Abs. 1, 123 BGB untergegangen sein durch ➞ Anfechtung
Anfechtung gem. §§ 142 Abs. 1, 2, 123, 124 BGB wirksam erfolgt, da G weiterhin für S Vertragspartner für die Anfechtungserklärung bleibt, an Gl1 lediglich das Forderungsrecht abgetreten worden ist.
- Fraglich ist, ob S dem Neuforderungsgläubiger Gl1 die Abtretung entgegenhalten kann.
Gem. § 404 BGB kann der Schuldner dem Neugläubiger alle „Einwendungen“ entgegenhalten, die zum Zeitpunkt der Abtretung „begründet“ waren. „Einwendungen“ i.S.v. § 404 BGB sind alle ➞ Einwendungen und ➞ Einreden. Bei noch nicht ausgeübten ➞ Gestaltungsrechten war die Einwendung zum Zeitpunkt der Abtretung zwar noch nicht begründet, aber ihrem Rechtsgrund nach bereits gegeben. Es genügt für den Schuldnerschutz des § 404 BGB, wenn die Einwendung „angelegt“ war.
Also kann Gl1 von S die 5000 € nicht gem. §§ 433 Abs. 2, 398 BGB verlangen.