Jedes ➞ Rechtsgeschäft, insbesondere also jeder ➞ Vertrag, besteht zumindest aus einer oder mehreren  ➞ Willenserklärungen. Dabei spiegelt im Normalfall die abgegebene Willenserklärung genau den tatsächlichen Willen des Erklärenden wider. Dies ist aber nicht selbstverständlich, vielmehr kann die Willenserklärung sog. Willensmängel aufweisen. Von einem Willensmangel spricht man ganz allgemein dann, wenn der   Wille des Erklärenden nicht mit dem objektiven Inhalt seiner Erklärung übereinstimmt. Der Verkäufer nennt z.B. für seine Ware versehentlich einen falschen Preis. Hier fallen Wille und Erklärung auseinander – ein Willensmangel. Um die sehr verschiedenen Fälle möglicher Willensmängel erfassen zu können, muss man sich klar machen, welche Schritte auf Seiten des Erklärenden im Einzelnen erfolgen müssen, damit eine Willenserklärung zustande kommt. Die Willenserklärung hat einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich, ehe sie ihr Ziel – den Rechtserfolg herbeizuführen – findet.

Beispiel: Student R will an der Hochschule Jura studieren. Weil dort die Vorlesungen teilweise schon um 7.30 Uhr beginnen und weil sein alter Wecker unzuverlässig ist, schließlich auch weil er schon morgens gerne Hardrock-Musik hört, entschließt sich R, sich einen Radiowecker im Geschäft des Z zu kaufen.

 

Zerlegen wir die Genealogie der Willenserklärung in ihre Entstehungsphasen:

„7.30 Uhr Vorlesung; alter Wecker unzuverlässig; Hardrock macht munter; …“

„Ich will mir einen Funk-Wecker der Marke X zum Preise Y bei Händler Z kaufen.“

 

R erklärt im Geschäft: „Ich möchte diesen Wecker kaufen“ und zeigt auf ein als Einladung zur Abgabe von Angeboten harrendes Ausstellungsstück.

Auf dieser Strecke vom Motiv bis zum Zugang kann nun alles gut gehen: Motiv und Wille und Erklärung decken sich. Wir sprechen in dieser Konstellation von einer fehlerfreien oder mangelfreien Willenserklärung. Auf dieser Strecke kann aber auch einiges schief gehen: Motiv und Wille und Erklärung decken sich nicht; sie fallen auseinander. So kann es sein, dass die Beweggründe (Motive), auf die der Erklärende sich stützt, in Wahrheit so, wie von ihm angenommen, gar nicht zutreffen, dass also schon bei der Willensbildung ein Willensmangel auftritt. In dem dargestellten Beispiel kann sich etwa später herausstellen, dass R doch nicht zur Hochschule geht, dass seine Freundin schon einen Radiowecker für ihn als Geschenk zum bevorstehenden Geburtstag gekauft hat, dass der alte Wecker mit neuen Batterien doch noch einwandfrei funktioniert. Den schon bei der Willensbildung entstandenen Willensmangel nennt man ➞ Motivirrtum. Diesen Motivirrtum schmeißen Sie sofort aus Ihren weiteren Überlegungen heraus! Er ist grundsätzlich irrelevant! Der Rechtsverkehr muss vor solchen Irrtümern im Vorfeld – aus der Welt der Beweggründe – geschützt werden. Wo käme der Geschäftsverkehr hin, wenn sich jemand von seiner Erklärung lösen könnte, nur weil seine Vorstellungen nicht in Erfüllung gegangen sind.

In den weiteren dargestellten Phasen – nämlich bei der Erklärung des Geschäftswillens – sind drei völlig unterschiedliche Arten von Willensmängeln denkbar:

 

Der Autohändler täuscht R über die Unfallfreiheit des gekauften „Mondeo“. Der Käufer K zwingt den Verkäufer V durch Androhung von Schlägen, den Preis des „Mondeo“ um 50 % zu reduzieren.

 

Dies sind die Fälle der arglistigen Täuschung und der rechtswidrigen Drohung gem. § 123 BGB. Das BGB behandelt diese Fälle leider recht unterschiedlich: Mal sind die Willenserklärungen wirksam, mal unwirksam und mal wirksam, aber „anfechtbar“. Ein kunterbuntes Allerlei! (➞ Anfechtung)

Also: Die Verfasser des BGB hatten Regelungen für vier Fallgruppen von Willensmängeln zu treffen und haben sie getroffen: