Der Gesetzgeber hat in solchen Fällen den Formzwang angeordnet, in denen er Anlass gesehen hat, zumindest einen der Beteiligten auf die weitreichenden Folgen des Rechtsgeschäfts hinweisen und ihm so dessen besondere Bedeutung bewusst machen zu müssen („Warnfunktion“). Außerdem dient der Formzwang regelmäßig der Beweisfunktion:  Durch die bei allen Formtypen notwendige schriftliche Fixierung der abzugebenden   Willenserklärungen wird sichergestellt, dass auf den Wortlaut der Vereinbarungen jederzeit zurückgegriffen werden kann.  Weitere Funktionen des Formzwanges sind die Aufklärungs- und Beratungsfunktion:

–  dagegen hilft die Beweisfunktion

dagegen hilft die Warnfunktion

dagegen hilft die Aufklärungsfunktion

dagegen hilft die Beratungsfunktion

 

Es stellt sich die Frage, in welchen Fällen die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig ist.

 

Beispiel: Versandhändler V einigt sich mit Teeliebhaber T, diesem ohne zeitliche Beschränkung alle zwei Monate 500 g Jasmintee mit Veilchenduft zu liefern.

 

Man könnte – entsprechend einer verbreiteten Vorstellung in der Bevölkerung – annehmen, ein Rechtsgeschäft, speziell ein Vertrag, sei nur dann wirksam, wenn es schriftlich geschlossen wird. („Wer schreibt, der bleibt.“); („Nur was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen.“) Eine solche gesetzliche Regelung hätte zweifellos Vorteile, insbesondere würde sie erheblich zur Beweiserleichterung im Streitfall beitragen. Sie würde nämlich im Zivilprozess die Antwort auf die Frage erleichtern, ob z.B. die Behauptung des V im Beispiel zutrifft, er habe sich mit T auf die wiederholten Teelieferungen geeinigt. V hätte dann ein Schriftstück zur Verfügung, auf das er sich zu Beweiszwecken stützen könnte.

Trotzdem hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Schriftform – oder eine andere Form – für alle Rechtsgeschäfte verbindlich festzuschreiben. Eine solche Regelung wäre auch völlig unpraktikabel, weil die Zahl der täglich geschlossenen Rechtsgeschäfte unübersehbar groß ist und ein ausnahmsloses Formerfordernis das Rechtsleben unerträglich hemmen würde. Außerdem würde eine solche Regelung der oft untergeordneten Bedeutung vieler Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht gerecht. Man stelle sich vor, welche Schreibarbeiten an einem verkaufsoffenen Adventswochenende allein in einem Warenhaus bewältigt werden müssten.

 

Aus diesem Grunde gilt folgende Regel: Alle Rechtsgeschäfte sind auch ohne Beachtung einer besonderen Form wirksam bis auf jene, für die eine solche Form vorgeschrieben ist. 

 

Diese wichtige Regel bringt es mit sich, dass für die quantitativ weitaus meisten der im Rechtsverkehr tagtäglich geschlossenen Alltags-Rechtsgeschäfte eine bestimmte Form nicht eingehalten werden muss. Das Kaufrecht verwendet für diese Alltags-Geschäfte den Sammelbegriff des „Verbrauchsgüterkaufs“, vgl. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB; zum Begriff des Verbrauchers vgl. § 13 BGB. Auch die Anbahnung und der Abschluss von Verträgen über Internet-Angebote, die mit entsprechenden Bestellformularen ausgestattet sind, oder über den Austausch von E-Mails zustande kommen, werden grundsätzlich von der Formfreiheit des Privatrechts gedeckt. Vorschriften, die für bestimmte Rechtsgeschäfte die Einhaltung einer Form verlangen, also eine Durchbrechung der Formfreiheit darstellen, ergeben sich zumeist aus dem Gesetz. Sie können aber auch auf einer von den Parteien aus freien Stücken getroffenen Vereinbarung beruhen.

Für den gesetzlichen und den vereinbarten Formzwang stellt das Gesetz nun folgende Formen für den Rechtsverkehr zur Verfügung:

  1. Elektronische Form, § 126 a BGB; sie kann nach § 126 Abs. 3 die Schriftform er-

setzen, vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelungen, wie z.B. in § 623 BGB.

 

 

Abgesehen von den vier gesetzlich vorgeschriebenen Formen verlangt das Gesetz in Einzelfällen die Einhaltung ganz besonderer Formen.

  Die Eigenhändigkeit des gesamten Textes 

So muss der gesamte Text des eigenhändigen Testaments in Abweichung von § 126 Abs. 1 BGB handschriftlich von dem Testierenden niedergelegt werden (§ 2247 Abs. 1 BGB).

  Der Ausschluss der Stellvertretung

Weiter müssen bei der Eheschließung die Verlobten bei gleichzeitiger Anwesenheit persönlich erklären, dass sie die Ehe miteinander eingehen wollen (§ 1311 BGB). Dies bedeutet, dass die notwendigen Willenserklärungen nicht durch einen Stellvertreter wirksam abgegeben werden können.

Die gleichzeitige Anwesenheit bei einer zuständigen Stelle

 

Ein weiteres Beispiel bildet bei der Übereignung von Grundstücken die Auflassung (Einigung der Parteien über den Eigentumsübergang). Diese muss bei gleichzeitiger Anwesenheit und vor einer zuständigen Stelle erklärt werden (§ 925 Abs. 1 BGB).

Gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten bedeutet nicht, dass beide (Ausnahme bei der Eheschließung) persönlich erscheinen müssen. Vielmehr können sich die Beteiligten auch vertreten lassen. Ausgeschlossen ist lediglich das Distanzgeschäft: Beide Erklärungen müssen bei derselben Gelegenheit vor derselben zuständigen Stelle abgegeben werden. Zuständige Stelle ist in erster Linie jeder Notar (§ 925 Abs. 1 S. 2 BGB), außerdem bei Prozessvergleichen oder Insolvenzplänen das Prozessgericht oder das Insolvenzgericht (§ 925 Abs. 1 S. 3 BGB) und im Übrigen gem. §§ 12 Nr. 1, 24 KonsG jeder hierzu gem. § 19 KonsG besonders ermächtigte Konsularbeamte. Einen weiteren Beispielsfall für die vom Gesetz verlangte gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten bei Abgabe ihrer Willenserklärung stellt die Formvorschrift des § 2276 Abs. 1 BGB für den Erbvertrag dar. 

 

 

Die öffentliche Beurkundung enthält mit der schriftlichen Fixierung der Erklärung und der Unterschrift des Erklärenden sowie mit der Bestätigung des Notars über die Identität des Erklärenden auch sämtliche Elemente sowohl der Schriftform als auch der öffentlichen Beglaubigung. Aus diesem Grunde steht es dem Erklärenden frei, wenn für seine Erklärung die Schriftform oder die öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben ist, stattdessen eine öffentliche Beurkundung vornehmen zu lassen (§§ 126 Abs. 4, 129 Abs. 2 BGB). Dieselbe ersetzende Wirkung geht von der öffentlichen Beglaubigung für die Schriftform aus. Dies ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet, ergibt sich aber ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung daraus, dass die öffentliche Beglaubigung gem. § 129 BGB das Vorliegen einer Erklärung in schriftlicher Form voraussetzt.

Die stärkere Form ersetzt also die schwächere, weil eben ein Mehr an Formwahrung vorhanden ist: § 126 Abs. 4  BGB – § 129 Abs. 1 BGB – § 129 Abs. 2 BGB, § 126 Abs. 4 BGB – § 127a BGB.

 

 

Ist eine Form durch das Gesetz vorgeschrieben, so muss sie eingehalten werden. Anderenfalls ist das Rechtsgeschäft – jedenfalls grundsätzlich – nichtig gem. § 125 S. 1 BGB. Dies ergibt sich für die gesetzlich vorgeschriebene Form aus § 125 S. 1 BGB und für die gewillkürte Form – abgesehen von Ausnahmen, die sich dann aus der Vereinbarung ergeben müssen – aus § 125 S. 2 BGB

 

Beispiel: Der Bürgschaftsvertrag ist gem. § 125 S. 1 BGB nichtig, wenn die in § 766 S. 1 BGB für die Bürgschaftserklärung des Bürgen vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten worden ist.

 

Findet sich im Gesetz keine auf das betreffende Rechtsgeschäft anwendbare Formvorschrift, so ist das Rechtsgeschäft formfrei wirksam, d.h. keinem bestimmten Formzwang unterworfen, falls die Parteien nicht von sich aus die Einhaltung einer bestimmten Form vereinbart haben. Dies bedeutet, dass das Rechtsgeschäft schon durch mündliche Erklärung, durch Gesten, durch konkludentes Handeln und in Ausnahmefällen auch durch Schweigen zustande kommen kann. Im Beispiel e. bewirkt auch nicht der unbegrenzte Zeitraum der „Dauerbestellung“ des T, dass der Vertrag schriftlich abgeschlossen werden müsste. Denn eine entsprechende Formvorschrift für lebenslange Dauerlieferungen existiert im Gesetz nicht.

In Einzelfällen ordnet das Gesetz ausnahmsweise eine mildere Rechtsfolge als die Nichtigkeit an, wenn auch durch eine solche der Schutzzweck der betreffenden Formvorschrift erreicht wird: So ist im Beispiel f. der Vertrag trotz fehlender Einhaltung der durch § 550 BGB vorgeschriebenen Schriftform nicht nichtig, sondern wirksam, allerdings nur dergestalt, dass beide Parteien gem. §§ 550, 542, 573 c BGB kündigen können. Auf diese Weise wird das gesetzgeberische Ziel, formlose Mietverträge zu verhindern, unter Verzicht auf den massiven Eingriff der Nichtigkeit erreicht.

 

 

Die sich aus § 125 BGB im Regelfall ergebende Nichtigkeit ist jedoch nicht in allen Fällen endgültig. Vielmehr kann das betreffende Rechtsgeschäft später doch noch wirksam werden. Das hängt mit dem in den meisten Fällen vorherrschenden Sinn des Formzwanges zusammen: Der Betroffene soll davor geschützt werden, übereilt Verpflichtungen einzugehen. Tut er dies unter Missachtung der Formvorschrift aber doch, so braucht er die „Verpflichtung“ nicht zu erfüllen, weil sie tatsächlich gar nicht zustande gekommen ist. Erfüllt der Betreffende nun gleichwohl die vermeintliche Verpflichtung auf Verfügungsebene, so kann der Gesetzeszweck „Warnung vor übereilten Verpflichtungen“ nicht mehr erreicht werden, und es besteht kein Anlass mehr, die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes weiter aufrecht zu erhalten. Das Gesetz erklärt daher in den wichtigsten Fällen des Formzwanges den sich aus der Nichteinhaltung der Form ergebenden Mangel für geheilt, wenn die – bis dahin unwirksame – Verpflichtung erfüllt worden ist (vgl. §§ 311 b Abs. 1 S. 2, 518 Abs. 2, 766 S. 2 BGB).

Der Heilung kommt aber (im Gegensatz z.B. zum Fall der Genehmigung, vgl. § 184 Abs. 1 BGB) keine Rückwirkung zu. Dies bedeutet, dass das Rechtsgeschäft erst vom Zeitpunkt der Heilung ab (ex nunc) wirksam wird. 

 

 

Haben die Parteien selbst bei oder auch schon vor Vertragsschluss vereinbart, dass ein bestimmtes, nach dem Gesetz formfreies Rechtsgeschäft erst durch Abschluss in einer bestimmten Form wirksam werden soll, so muss diese Form eingehalten werden. Auch in diesen Fällen führt die Nichteinhaltung der Form regelmäßig zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 S. 2 BGB).

 

Beispiel: Student S und Vermieter V kommen mündlich überein, dass S ein möbliertes Zimmer von V für ein Jahr anmietet, und vereinbaren, den Vertrag vor Mietbeginn noch schriftlich aufzusetzen.

 

Für dieses Beispiel schreibt das Gesetz in § 550 S. 1 BGB die Einhaltung der Schriftform nicht vor, weil der Vertrag nicht für einen längeren Zeitraum als ein Jahr geschlossen wird. Dennoch ist der Mietvertrag „im Zweifel“ gem. § 125 S. 2 BGB nichtig, weil die Parteien die Schriftform zwar vereinbart, aber (noch) nicht eingehalten haben. Streng genommen ist in diesem Fall der nur mündlich vereinbarte Mietvertrag gem. § 154 Abs. 2 BGB sogar noch nicht einmal als geschlossen anzusehen. Der Unterschied dieser Regelung zu derjenigen des § 125 S. 2 BGB ist aber nur theoretischer Natur und so minimal, dass er hier vernachlässigt werden soll.

 

 

Durch die Formulierung „im Zweifel“ in § 125 S. 2 BGB wird deutlich, dass nicht jede Vereinbarung der Parteien über eine einzuhaltende Form eine Wirksamkeitsvoraussetzung für das Rechtsgeschäft darstellen muss. Die Gesetzesformulierung „im Zweifel“ gibt häufig Anlass zu Missverständnissen. Mit der Formulierung „im Zweifel“ stellt das Gesetz eine sog. Auslegungsregel auf. Diese betrifft in unserem Fall die Frage, ob die Parteien tatsächlich die Wirksamkeit des Vertrages von der Einhaltung der Form abhängig machen wollten oder nicht. Das ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu klären. Ist die Frage z.B. in einem späteren Prozess zwischen den Parteien streitig, so sind zwei Ergebnisse einer evtl. Beweisaufnahme zu diesem Thema denkbar: Es kann zur Überzeugung des Gerichts – nach Auslegung anhand der §§ 133, 157 BGB – feststehen, dass eine Wirksamkeitsvoraussetzung oder das Gegenteil gemeint war. Häufig kann diese Frage auch durch die dem Gericht zur Verfügung stehenden Aufklärungsmethoden nicht abschließend geklärt werden, aus der Sicht des Richters können also beide Möglichkeiten gemeint gewesen sein, mithin „Zweifel“ bleiben. Für diesen Fall, dass die Auslegung der Formvereinbarung zu keinem Ergebnis führt, nur für diesen Fall ordnet die „im Zweifel“-Regel an, was nun gelten soll, –in unserem Fall also, dass von einer vereinbarten Wirksamkeitsvoraussetzung für das vereinbarte Rechtsgeschäft auszugehen ist.

Man spricht in den Fällen des § 125 S. 2 BGB von der gewillkürten – aus dem freien Willen gekorenen – Form in Abgrenzung zu der gesetzlichen, also der gesetzlich vorgeschriebenen Form.

 

Zwei Besonderheiten beim Vertretungsrecht: 

  Formzwang bei Stellvertretung 

  Formzwang für Vollmacht