(lat.: definitio, Begriffsbestimmung) ist eine Worterläuterung, eine inhaltliche Abgrenzung (lat.: finis, Grenze). Jede Auslegung eines Tatbestandsmerkmals mündet früher oder später in eine solche Definition. Ein solches „Abgrenzen“ und „Bestimmen“ sind in der Juristerei äußerst nützlich. Die Beherrschung solcher Definitionen ist kein Ballast, das Abverlangen ihres genauen Wortlauts keine Schikane, sondern ausschließlich eine Erleichterung für den Subsumtionsprozess. ( Subsumtion)

Definitionen sind in der Juristerei Gold wert, um sich möglichst genau und differenziert auszudrücken und die Subsumtion auf eine sichere Grundlage zu stellen. Auf den Nichtjuristen wirken sie oft pedantisch, umwegig und umständlich. Sie sind aber unumgänglich, um Eindeutigkeit herbeizuführen. Definitionen sind eng verwandt mit den Präzisierungen. Auch bei ihnen geht es darum, Wortdeutungen genauer festzulegen, genauer anzugeben, Worte in den genaueren Ausdruck zu stellen. Doch es geht bei den Juristen um etwas mehr: Denn Definitionen sind nicht nur genaue Feststellungen, sondern zugleich Verabredungen. Es wird zwischen und für Juristen vereinbart, dass eine ganz bestimmte Bedeutung von nun an in einem bestimmten Gesetzeskontext gelten soll. Diese „Verabredung“ trifft in Zivil- und Strafsachen meist der Bundesgerichtshof (BGH), wobei dieses Wort „Verabredung“ präzisierungsbedürftig ist. Es sind meist „Anordnungen“.

Der BGH „ordnet“ „Vereinbarungen“ in Form von Definitionen an und glaubt sich hierbei mit allen Juristen einig. Er schafft aus Mehrdeutigkeit Eindeutigkeit.

Juristische Definitionen funktionieren dabei nicht ohne erhebliche Verknappungen. Ausschmückungen, Nuancen, Vergleiche, Bilder gehen dabei verloren, was aber durch den Gewinn an Klarheit wieder wettgemacht wird. Seit altersher ist das Definieren eine der Hauptaufgaben der Obergerichte. Diese juristischen Definitionen treten anders als die philosophischen gar nicht mit dem Anspruch an, die fein verästelte Bedeutung eines Wortes bis ins Tiefste auszuloten. Vielmehr möchten sie sich nur zu dem Zweck einer bestimmten Gesetzesmerkmalinterpretation auf eine bestimmte Bedeutung  mit der Rechtsgemeinschaft einigen. Dabei gesteht man durchaus ein, dass durch die juristische Festlegung die Bedeutung eines lebenden Wortes für die Alltagssprache und für alle Lebensvariationen nicht ausgeschöpft werden kann. Alle Arten von juristischen Definitionen sind also letztendlich nichts weiter als sprachliche Abkommen über Inhalt und Verwendung eines Tatbestandsmerk-mals. Es sind Übereinkünfte, getroffen von der Rechtsgemeinschaft, vertreten durch die Rechtsprechung,  selten auch durch die Literatur und ganz selten von dem Gesetzgeber selbst. 

Würde jeder definieren, wie er will, würde die Vergleichbarkeit fehlen. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und damit die Gleichheit vor dem Gesetz und damit letztlich die Gerechtigkeit würden auf der Strecke bleiben, es endete im Chaos.

 

In der Logik unterscheidet man herkömmlich zwei Arten von Definitionen: 

Wie kann man nun Realdefinitionen konstruieren? – Für Begriffe – und Tatbestandsmerkmale sind immer Begriffe – ist wesentlich, dass sie eine unterschiedliche Abstraktionshöhe haben und dass abstraktere Begriffe weniger abstrakte, also konkretere, umfassen. Es entstehen Begriffspyramiden. Die untersten Begriffe dieser Pyramide sind so konkret, dass sie nicht mehr unterteilt werden können, und deren Spitze bildet ein so abstrakter Begriff, dass er keinen abstrakteren mehr über sich zulässt.

Beispiel:  Nehmen wir an, Sie wollen die geschaute „Kirsche“ in Nachbars Garten definieren. Sie müssen nunmehr hierzu eine Begriffspyramide (Begriffsbaum) entwickeln.

Entscheidend ist zu erkennen, dass unsere Sprache es uns ermöglicht, durch Steigerung des Abstraktionsgrades unterschiedlich viele Gegenstände zu bezeichnen. Je höher man im Begriffsbaum klettert, desto mehr Gegenstände kann man überblicken, so wie der Lichtkegel einer Hängelampe, die man höher und höher zieht. Dabei verlieren die Begriffe allerdings an substanziellem Inhalt und gewinnen dafür an subsumtionsfähiger Ausdehnung. So umfasst der Begriff „Substanz“ viel mehr Gegenstände als der Begriff „Steinobst“.

Im antiken Griechenland hatte man in der Wissenschaftstheorie diese „Begriffsbäume“ entwickelt, um mit ihrer Hilfe zu tiefen Erkenntnissen über das Wesen der Dinge zu kommen. Damals entstand diese Definitionslehre, wonach man die Bedeutung von Begriffen durch die Angabe eines höheren Begriffs (Oberbegriff) und eines artbildenden Unterschieds festlegen wollte. Die Römer stahlen die Methode und machten etwas Praktisches daraus. Sie nutzten die abgekupferte Methode der Griechen für Rechtssysteme und Gesetze

 

Sie entwickelten die berühmte Definitionsformel: „Definitio fit per genus proximum et differentiam specificam“. Sie heißt auf Deutsch: Eine Definition erfolgt durch (definitio fit per)

Verwendung eines Begriffs der nächsthöheren Gattung (genus proximum) und (et)

durch Hinzusetzen eines spezifischen, abgrenzenden Artmerkmals (differentiam specificam).

 

Eine Definition wird also durch Verwendung eines Oberbegriffs und durch Hinzusetzen eines spezifischen Artmerkmals gebildet (sog. Genus-differentia-Methode). Die durch die Begriffsbäume entstehenden Beziehungen sind die Grundlage für die Begriffsbildung durch Definitionen. Man sieht, dass „Substanz“ als allgemeinster Gattungsbegriff fungiert, der keine Bestimmung mehr über sich zulässt. Von dort klettert man am Begriffsbaum zu immer konkreteren Gattungen herab, die durch Angaben des spezifischen Artmerkmals jeweils in Arten aufgeteilt werden.

 

Jetzt ist es ein Leichtes, aus der  Begriffspyramide den höheren Gattungsbegriff mit dem artbildenden Unterschied zu kombinieren und schon hat man die Definition: „Eine Kirsche ist ein kleines rotes Steinobst.“ Wichtig ist, immer nach dem nächsthöheren Gattungsbegriff zu suchen. Ein „Obstbaum“ ist also nicht etwa eine „stämmige Substanz“ (könnte auch ein Mann sein), sondern ein „Obstbaum“ ist eine „stämmige Fruchtpflanze“.

Diese Methode, aus den Begriffen unserer  

 

Sprache hierarchische Systeme zu bilden, aus denen man die Definitionen heraus-pflücken kann, ist bis heute unbestritten. 

 

Beispiel: Wechseln wir aus der Obstwelt in die Juristenwelt hinüber. Wir wollen die Begriffe „Verpflichtungsgeschäft“ und „Verfügungsgeschäft“ definieren, die wir vom Abstraktionsprinzip kennen. Ein dafür in Betracht kommender „Begriffsbaum“ könnte wie folgt gewachsen sein:

 

 

Definieren ist eine schwierige juristische Kunst – und es ist leicht, dabei Fehler zu machen. Hier einige Stolpersteine: