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Geschäftsfähigkeit, beschränkte

Handeln bei zweiseitigen Rechtsgeschäften mit Einwilligung oder bei rechtlicher Vorteilhaftigkeit

 

Schließt ein beschränkt Geschäftsfähiger, also ein Minderjähriger, der mindestens 7 aber noch keine 18 Jahre alt ist, einen Vertrag, so ist dieser gem. §§ 106, 107 BGB nur dann sofort wirksam, wenn

  • die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters zur Abgabe der Willenserklärung vorliegt oder
  • der beschränkt Geschäftsfähige lediglich einen rechtlichen Vorteil durch seine Willenserklärung erlangt.

Durch diese Regelung versucht der Gesetzgeber, dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis des nur beschränkt Geschäftsfähigen Rechnung zu tragen: In allen Fällen, in denen er eine Verpflichtung eingeht oder für ihn aus sonstigen Gründen das Geschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, bedarf er der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, der ihn ja rechtlich „beschützt“. Bringt die Willenserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen ihm dagegen lediglich einen rechtlichen Vorteil ein, so ist sie sogleich uneingeschränkt wirksam. Er braucht in diesem Fall keinen Schutz, da sie ausschließlich (lediglich) vorteilhaft sein muss. 

 

Beispiel: Der 15-jährige Benjamin Blitz erhält die Erlaubnis seiner Eltern, sich von seinem ersparten Geld ein Fahrrad zu kaufen.

  1. Benjamin kauft im Geschäft des Fahrradhändlers Siegfried Speich von diesem ein Fahrrad der Marke „Tretmühle“, an dem noch am selben Tage eine Gangschaltung montiert werden soll. Kann Benjamin am nächsten Tag die Auslieferung der „Tretmühle“ verlangen?
  2. Im Geschäft des Herrn Speich entschließt sich Benjamin, anstatt des Fahrrades ein Mofa der Marke „Feuerstuhl“ von dem Geld zu erwerben. Beide werden sich auch hier einig, und Benjamin fährt mit dem Feuerstuhl nach Hause. Wer ist Eigentümer des Mofas?

 

Gibt der gesetzliche Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen (also gem. § 1629 Abs. 1 BGB die Eltern oder gem. § 1793 BGB der Vormund) seine Einwilligung zum Abschluss des Vertrages, so kann der beschränkt Geschäftsfähige anschließend wie ein uneingeschränkt Geschäftsfähiger den betreffenden Vertrag wirksam abschließen. Dieses findet seine Begründung darin, dass der notwendige Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen durch die für den gesetzlichen Vertreter bestehende Möglichkeit gewährleistet ist, vorher eine verantwortliche Entscheidung darüber zu treffen, ob er durch die Erteilung der Einwilligung den wirksamen Abschluss des Geschäftes durch den beschränkt Geschäftsfähigen ermöglichen will oder nicht.

Unter einer Einwilligung ist die vorherige Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung zu verstehen, während Genehmigung die nachträgliche Zustimmung ist. Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch werden im juristischen Sinne die Begriffe „Einwilligung“ und „Genehmigung“ sehr präzise nur für die Fälle der vorherigen oder nachträglichen Zustimmung gebraucht (§§ 183, 184, 185 BGB). Eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters im Sinne des § 107 BGB liegt also nur dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter vor Abschluss des Geschäftes seine Zustimmung erteilt hat.

Ein Beispiel für das Vorliegen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bildet das obige Beispiel: Die Eltern als gesetzliche Vertreter von Benjamin (§ 1629 Abs. 1 BGB) haben diesem vor Abschluss des Vertrages mit Siegfried Speich den Kauf des Fahrrades gestattet, dem Abschluss des Kaufvertrages also zugestimmt.

Benjamin kann die Lieferung (Übergabe und Übereignung) des Fahrrades gem. § 433 Abs. 1 BGB verlangen, weil durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zwischen ihm und Speich ein Kaufvertrag über das Fahrrad zustande gekommen ist.

Benjamin ist zwar als 15-jähriger gem. §§ 2, 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig; seine Vertragserklärung (Angebot oder Annahme) ist jedoch wirksam, weil die Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter vorlag, §§ 433, 183, 182 BGB.

Ebenfalls wirksam sind Willenserklärungen von beschränkt Geschäftsfähigen, denen zwar nicht eine Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters zugrunde liegt, durch die der beschränkt Geschäftsfähige jedoch „lediglich einen rechtlichen Vorteil“ erlangt (§ 107 BGB). „Lediglich“ bedeutet: nur, weiter nichts als, ausschließlich.

 

Durch eine Willenserklärung erlangt der Erklärende lediglich einen rechtlichen Vorteil, wenn er eine für ihn günstige Rechtsposition erwirbt, ohne zugleich eine rechtliche Verpflichtung einzugehen. Umgekehrt: Rechtlich nachteilig sind Willenserklärungen, durch die der beschränkt Geschäftsfähige eine schuldrechtliche Verpflichtung eingeht oder einen Rechtsverlust aus seinem Vermögen herbeiführt.

In diesem Zusammenhang muss man streng das Abstraktionsprinzip anwenden! Dies bedeutet, dass für die Frage, ob das Rechtsgeschäft dem Erklärenden neben einem rechtlichen Vorteil auch rechtliche Nachteile einbringt, das Verpflichtungs– und das Verfügungsgeschäft streng isoliert zu untersuchen sind.

 

Dies sei am obigen Beispiel b. erläutert:

Nachdem ursprünglich Speich Eigentümer des Mofas gewesen war, ist Benjamin gem. § 929 S. 1 BGB Eigentümer geworden, wenn neben der Übergabe eine wirksame Einigung zwischen beiden vorliegt. Beide waren sich einig, dass das Eigentum an dem Mofa auf Benjamin übergehen solle. Die Einigungserklärung von Benjamin ist jedoch gem. § 107 BGB nur dann wirksam, wenn er durch sie lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, weil die ansonsten notwendige Einwilligung (§ 183 BGB) der Eltern von Benjamin nicht vorliegt. Diese waren zwar mit dem Erwerb eines Fahrrades, nicht jedoch eines Mofas einverstanden. Im Beispielsfall erlangt Benjamin tatsächlich lediglich einen rechtlichen Vorteil, da er durch die (abstrakte) Übereignung nach § 929 BGB Eigentümer des Mofas wird, also ausschließlich einen Vermögenszuwachs erfährt, ohne dass er unmittelbar und gerade durch die Übereignung auch einen rechtlichen Nachteil in Kauf nehmen müsste. Ob Benjamin durch seine Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, ist allein bezogen auf die Übereignung und nicht etwa auf das gesamte Geschäft (Kaufvertrag, Übereignung des Geldes etc.) zu prüfen. 

Demgegenüber ist der von der Übereignung „weggezogene“, getrennt zu prüfende Kaufvertrag für Benjamin wegen der schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung aus § 433 Abs. 2 BGB rechtlich nachteilig, also gem. § 107 BGB nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Den Kaufvertrag über den „Feuerstuhl“ kann er also nicht alleine (ohne Eltern) bewerkstelligen.

Dies alles ist eine Auswirkung des Abstraktionsprinzips. Das Prinzip besagt, dass die Eingehung einer schuldrechtlichen Verpflichtung und die Erfüllung dieser Verpflichtung, also insbesondere die Wirksamkeit von Verfügungsgeschäften, im Rahmen juristischer Beurteilungen immer voneinander „getrennt“ behandelt werden müssen und die Wirksamkeit des einen Rechtsgeschäftes nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des anderen Rechtsgeschäftes ist. Dies gilt auch dann, wenn – was in der täglichen Rechtspraxis überaus häufig ist – die Geschäfte gleichzeitig und durch ein und dieselbe Erklärung vorgenommen werden, also wie bei den sog. Bargeschäften des täglichen Lebens in einem Akt zusammenfallen. 

Also: Bei der Beurteilung der Frage, ob der beschränkt Geschäftsfähige durch eine Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, kommt es allein auf rechtliche und nicht etwa auf wirtschaftliche Vorteile an. Dies beruht auf Gründen der Rechtssicherheit und führt dazu, dass im obigen Beispiel b. der Kaufvertrag mit Speich auch dann nicht wirksam zustande gekommen wäre, wenn etwa das als Sonderangebot für 150 € angebotene Mofa in Wahrheit einen Wert von 700 € gehabt hätte.

Bei der Prüfung eventueller rechtlicher Nachteile ist schließlich zu beachten, dass diese nur dann der Wirksamkeit der Willenserklärung entgegenstehen, wenn sie unmittelbar  aus dem Abschluss des Rechtsgeschäftes herrühren. So kann z.B. der Patenonkel seinem Patenkind Benjamin zu Weihnachten einen Rauhhaardackel schenken, obwohl Benjamin als Hundehalter für diesen Hundesteuer zu zahlen hat und mit der Tierhalter(gefährdungs)haftung des § 833 BGB überzogen werden kann. Der Abschluss des Schenkungsvertrages kommt auch ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter wirksam zwischen dem Patenonkel und Benjamin zustande, weil Benjamin aus § 516 Abs. 1 BGB lediglich einen Anspruch auf Übereignung des Hundes erlangt, nicht aber eine rechtliche Verpflichtung übernimmt. Die Verpflichtung zur Zahlung der Hundesteuer sowie die Gefährdungshaftung des § 833 BGB  folgen erst mittelbar aus seiner späteren Stellung als Hundehalter und bleiben daher bei der unmittelbaren rechtlichen Vorteilserlangung – Eigentum am Dackel – außer Betracht.

 

Handeln bei zweiseitigen Rechtsgeschäften ohne Einwilligung

 

Liegt keine der beiden alternativen Voraussetzungen des § 107 BGB vor (Einwilligung oder lediglich rechtlicher Vorteil), so ist die Willenserklärung nicht etwa – wie man aus dem Wortlaut der Vorschrift fälschlich ableiten könnte – sogleich unwirksam. Vielmehr räumt das Gesetz jetzt in § 108 Abs. 1 BGB dem gesetzlichen Vertreter bei Verträgen die Möglichkeit ein, die vor Abgabe der vertraglichen Willenserklärung in Form einer Einwilligung (§ 183 BGB) nicht erteilte Zustimmung anschließend im Wege einer nachträglichen Zustimmung nachzuholen, die das Gesetz in § 184 Abs. 1 BGB als Genehmigung bezeichnet.

Diese gesetzliche Regelung beruht auf der listigen Überlegung, dass es für den hier allein maßgeblichen Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen unerheblich ist, ob sein gesetzlicher Vertreter vor oder nach Abschluss des Rechtsgeschäftes seine Zustimmung erteilt. In beiden Fällen tritt die Wirksamkeit des Vertrages nämlich nicht ohne Erteilung der Zustimmung ein. In beiden Fällen hat daher der gesetzliche Vertreter gleichermaßen die Möglichkeit, im Interesse des beschränkt Geschäftsfähigen zu prüfen, ob der Vertrag wirksam werden soll oder nicht. Einmal vor dem beabsichtigten Geschäft, zum anderen danach.

Die Bestimmung des § 184 Abs. 1 BGB enthält noch eine weitere in diesem Zusammenhang bedeutsame Regelung: Die Genehmigung hat nämlich rückwirkende Kraft. Dies bedeutet, dass mit Erteilung der Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter der Vertrag, der bis dahin schwebend unwirksam war, rückwirkend ex tunc, also vom Zeitpunkt seines Abschlusses an, voll wirksam wird. 

Die erforderliche Genehmigungserklärung kann der gesetzliche Vertreter sowohl gegenüber dem beschränkt Geschäftsfähigen als auch gegenüber dem Vertragspartner abgeben (§ 182 Abs. 1 BGB). Diese Wahlmöglichkeit besteht im Übrigen auch für die vor Abschluss des Geschäftes zu erteilende Einwilligung, wie sich aus der Verwendung des Oberbegriffs „Zustimmung“ im § 182 Abs. 1 BGB ergibt.

Wird der beschränkt Geschäftsfähige voll geschäftsfähig, bevor sein gesetzlicher Vertreter die Genehmigung erteilt oder verweigert hat, so steht gem. § 108 Abs. 3 BGB nunmehr ihm selbst das Recht zu, durch Genehmigung die rückwirkende Wirksamkeit des Vertrages oder durch Verweigerung der Genehmigung dessen endgültige Unwirksamkeit herbeizuführen.

Die Rückwirkung der Genehmigung hat gem. § 184 Abs. 1 BGB zur Folge, dass das Rechtsgeschäft des beschränkt Geschäftsfähigen im Nachhinein gesehen in ein und demselben Zeitpunkt getätigt und wirksam geworden ist. Solange die Genehmigungserklärung allerdings noch nicht abgegeben ist, besteht ein Schwebezustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits der Vertrag noch nicht wirksam, andererseits der Vertragspartner des Minderjährigen aber bereits nahezu genauso gebunden ist, als wäre dies schon der Fall. Da die Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung oder Verweigerung ohne sein Zutun erfolgt, muss er während der Schwebezeit damit rechnen, infolge einer jederzeit möglichen Genehmigung rückwirkend uneingeschränkt vertraglich gebunden zu sein.

Man spricht zur Bezeichnung des Zeitraumes zwischen Abschluss und späterer Genehmigung des Vertrages (oder der Verweigerung der Genehmigung) geradezu bildhaft von der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages. Der Vertrag wird dem gesetzlichen Vertreter zur Begutachtung vorgelegt. Er kann jetzt prüfen, ob der Vertrag für den Minderjährigen günstig oder ungünstig ist. Je nachdem erteilt er entweder eine Genehmigung mit der Folge „Vertrag wird gem. §§ 433, 108 Abs. 1, 184 BGB wirksam“, oder er verweigert die Genehmigung mit der Folge „Vertrag wird gem. §§ 433, 108 Abs. 1, 184 BGB unwirksam“. Eine geniale Idee!

Da der Zustand der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages besonders für den Vertragspartner nachteilige Auswirkungen hat, räumt das Gesetz diesem zwei Möglichkeiten ein, den Schwebezustand zu beenden:

Er kann, solange die Genehmigung nicht erteilt ist, in Abweichung von dem
Grundsatz, dass Vertragserklärungen bindend sind (§ 145 ff. BGB), gem. § 109 Abs. 1 BGB seinerseits seine Vertragserklärung ( Angebot oder Annahme) widerrufen und so den Vertrag endgültig zu Fall bringen. Diese Möglichkeit ist wegen mangelnder Schutzwürdigkeit des Vertragspartners allerdings durch § 109 Abs. 2 BGB in den Fällen eingeschränkt, in denen er wusste, dass er den Vertrag mit einem beschränkt Geschäftsfähigen abschloss. Er kann dann nur widerrufen, wenn der beschränkt Geschäftsfähige wahrheitswidrig behauptet hat, es liege die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters vor. Auch in diesem Fall kann der Vertragspartner allerdings nicht widerrufen, wenn er wusste, dass diese Behauptung nicht zutraf.

Will der Vertragspartner sich nicht durch Widerruf vom Vertrag lösen, aber den inzwischen eingetretenen Schwebezustand beenden, so kann er aufgrund der Regelung des § 108 Abs. 2 BGB eine Entscheidung über die endgültige Wirksamkeit des Vertrages herbeiführen. Er kann dazu den gesetzlichen Vertreter seines beschränkt geschäftsfähigen Vertragspartners zur Erklärung darüber aufzufordern, ob die Genehmigung erteilt werde oder nicht. Diese Aufforderung bewirkt zunächst, dass eine Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung, die der gesetzliche Vertreter in Wahrnehmung seines bereits erwähnten Wahlrechtes aus § 182 Abs. 1 BGB gegenüber dem beschränkt Geschäftsfähigen selbst (!) schon erklärt hat, automatisch unwirksam wird. Weiter bewirkt diese Aufforderung unter Einschränkung des § 182 Abs. 1 BGB, dass die Genehmigung der Eltern des Minderjährigen nunmehr nur noch gegenüber dem auffordernden Vertragspartner und nur noch bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung wirksam erklärt werden kann. Erfolgt bis dahin keine Genehmigung, so gilt sie als verweigert. Schweigen fingiert hier ausnahmsweise eine ablehnende Willenserklärung

Also: Ein Vertrag, an dem ein beschränkt Geschäftsfähiger beteiligt ist, ist

  • entweder – nämlich unter den Voraussetzungen des § 107 BGB – sofort wirksam 
  • oder bis zu einer Entscheidung über die Genehmigung des Vertrages gem. § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Der Schwebezustand kann beendet werden, 
  • indem der Gegner widerruft (§ 109 Abs. 1 BGB) 
  • oder er die 2-Wochen-Frist auslöst (§ 108 Abs. 2 BGB)
  • oder indem die Eltern genehmigen oder die Genehmigung verweigern (§ 108 Abs. 1 BGB).

Beide Fälle, § 107 BGB einerseits und §§ 108 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB andererseits, setzen allerdings voraus, dass die allgemeinen Regeln über den Vertragsschluss beachtet sind. Der Vertrag muss „an sich“, d.h. unter Ausblendung der Beteiligung des beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen, ordnungsgemäß zustande gekommen sein. Dies bedeutet, dass auch mit Einwilligung der Eltern der Vertrag solange nicht zustande kommt, wie nicht objektiv zwei sich deckende Willenserklärungen abgegeben worden sind.

 

Also: Taucht im Sachverhalt einer Klausur eine Person zwischen Anfang 7 und Ende 17 Jahren im Zusammenhang mit Verträgen auf: Rein in den § 108 Abs. 1 BGB!

Diese Prüfung des § 108 Abs. 1 BGB endet immer wie folgt:

Kommt man zu dem Ergebnis der schwebenden Unwirksamkeit, darf man in der Klausur-Prüfung allerdings nie Schluss machen. Es ist jetzt mit suchendem Blick in den Sachverhalt zu erörtern, wie das „Schicksal des schwebenden Vertrages“ denn weiter geht. Drei Möglichkeiten kommen in Betracht, die „Schwebe“ zu beenden:

Nunmehr zu dem bereits angesprochenen § 108 Abs. 2 BGB.

 

Beispiel: Speich verkauft dem 15-jährigen Benjamin in Kenntnis dessen Alters ein Rennrad zu 1000 € und übergibt es ihm, ohne die Zahlung des Kaufpreises abzuwarten. B erzählt es seinen Eltern und bittet diese, das Geld von seinem Konto abzuheben. Die Eltern wollen aber kein Rennrad für ihren Sohn und verweigern ihm das Geld.

 

(§§ der Lösungsskizze entstammen dem BGB)

 

  1. Frage: Kann Speich den Kaufpreis verlangen? 

Anspruch aus § 433 Abs. 2 auf 1000 € ?

  1. Minderjähriger beteiligt, §§ 106, 2
  2. Vertrag „an sich“ o.k.
  3. Einwilligung nach § 107 erforderlich, da nachteilig
  4. Einwilligung fehlt

Also: schwebende Unwirksamkeit

Aber: §§ 184 Abs. 1, 182; Genehmigung durch die Eltern (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1) konkludent gem. §§ 133, 157 verweigert

Also: Vertrag endgültig unwirksam

Also: Kein Anspruch aus § 433 Abs. 2 auf 1000 €

 

  1. Frage: Kann Speich die Herausgabe des Rades verlangen?

I.:   Anspruch aus § 985 auf Herausgabe?

Speich müsste Eigentümer sein.

Er könnte sein Eigentum nach § 929 S. 1 an Benjamin verloren haben.

  1. Einigung ist ein dinglicher Vertrag
  1. Minderjähriger beteiligt, §§ 106, 2
  2. Einigungsvertrag „an sich“ o.k.
  3. Einwilligung nach § 107 nicht erforderlich (vorteilhaft)

Also: Einigungsvertrag von Anfang an wirksam

  1. Übergabe
  2. Einigsein
  3. Berechtigung

Also hat Speich sein Eigentum an Benjamin verloren

Also: Speich nicht mehr Eigentümer

Also: Kein Anspruch aus § 985 auf Herausgabe

II.:  Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. auf Rückübereignung?

  1. Benjamin hat Eigentum und Besitz, also ein Etwas, erlangt.
  2. Durch die Leistung des Speich

3.Ohne Rechtsgrund, da der Kaufvertrag, wie oben gezeigt, gem. §§ 433, 108 Abs. 1, 184 Abs. 1, 182 rückwirkend unwirksam ist

Also kann Speich gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. von Benjamin die Rückübereignung (das „Etwas“) verlangen. 

 

  1. Frage: Könnte Speich noch etwas unternehmen, um den Kaufvertrag doch noch wirksam werden zu lassen?

Ja. Er kann gem. § 108 Abs. 2 die Eltern auffordern, ihm gegenüber die Genehmigungserklärung abzugeben.

 

  1. Frage: Speich verfährt gem. § 108 Abs. 2 am 1.9. Die Eltern erklären ihm daraufhin, sie wollten sich die Sache noch einmal überlegen. Es vergeht eine Woche. Speich ist verärgert. Am 8.9. verlangt er von den Eltern das Rad zurück, er habe am Verkauf kein Interesse mehr. Die Eltern antworten prompt: „Geschäft o.k. – äußerst günstig.“ Kann Speich Herausgabe verlangen?

 

Die große Änderung ergibt sich bei § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.: 

Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. auf Rückübereignung?

  1. Etwas: Eigentum und Besitz am Rad

(Abstraktionsprinzip: § 929 war ja rechtlich vorteilhaft)

  1. Leistung des Speich
  2. Ohne Rechtsgrund?

Rechtsgrund: Kaufvertrag gem. § 433 ?

  1. § 108 Abs. 1: schwebend unwirksam?
  2. Benjamin: §§ 106, 2
  3. Kaufvertrag „an sich“ o.k.
  4. Einwilligung gem. § 107 (§ 433 Abs. 2) erforderlich
  5. Einwilligung fehlt

Also: Kaufvertrag schwebend unwirksam 

  1. §§ 108 Abs. 1, 184 Abs. 1, 182: Verweigerung der Genehmigung erfolgt

Also: Kaufvertrag unwirksam 

  1. § 108 Abs. 2: Kaufvertrag könnte wieder schwebend unwirksam geworden sein. Das setzt voraus, dass Speich die Eltern aufgefordert hat, sich ihm gegenüber zu erklären. Folge: Genehmigungsverweigerung unwirksam; weitere logische Folge: Vertrag gem. § 108 Abs. 1 wieder schwebend unwirksam. Dem ist so.

Also: Kaufvertrag wieder schwebend unwirksam gem. § 108 Abs. 1 

  1. Kaufvertrag könnte wieder unwirksam geworden sein gem. §§ 108 Abs. 1, 109 Abs. 1 durch wirksamen Widerruf des Speich (§§ 133, 157: „Rad zurück“).

Aber: § 109 Abs. 2 Kenntnis von Minderjährigkeit

Also: Vertrag bleibt schwebend unwirksam. 

  1. Kaufvertrag könnte wirksam geworden sein durch Genehmigung der Eltern gem. §§ 108 Abs. 2, Abs. 1, 184 Abs. 1, 182
  2. Genehmigungserklärung § 184 Abs. 1
  3. Zugang bei Speich, § 130 Abs. 1
  4. Richtiger Adressat: § 108 Abs. 2, nur noch Speich  (gem. § 182)
  5. Genehmigungsfähigkeit: Der Vertrag „schwebt“ noch nach § 108 Abs. 1
  6. Genehmigungsberechtigung: §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1, Eltern
  7. Genehmigungsfrist: § 108 Abs. 2: 2 Wochen gewahrt

Also: Kaufvertrag wirksam 

Also: Rechtsgrund gegeben

Also: Kein Anspruch des Speich auf Rückübereignung aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.

 

Handeln bei einseitigen Rechtsgeschäften 

Zu erörtern bleiben die Fälle, in denen der beschränkt Geschäftsfähige ein einseitiges Rechtsgeschäft vornimmt oder von einem solchen betroffen ist. Das einseitige Rechtsgeschäft unterscheidet sich von dem zweiseitigen (also den Verträgen) dadurch, dass bereits die Erklärung eines Einzelnen (erforderlichenfalls in Verbindung mit anderen Umständen) unmittelbar Rechtswirkungen erzeugt. Ein Beispiel stellt etwa die Kündigung eines Dienstvertrages (§ 611 BGB) dar: Sie führt gemäß § 620 Abs. 2 BGB zur Beendigung des Dienstverhältnisses, ohne dass hierzu ein Einverständnis oder überhaupt eine eigene Willenserklärung des Vertragspartners erforderlich wäre. Weitere Beispiele sind Einwilligung, Genehmigung, Rücktritt, Anfechtung, Vollmachtserteilung und Widerruf.

Diese Situation hat den Gesetzgeber veranlasst, die Wirkungen eines einseitigen Rechtsgeschäftes, das von einem beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommen wird, grundsätzlich (zur einzigen Ausnahme sogleich) von einer Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters abhängig zu machen (§ 111 S. 1 BGB). Liegt die Einwilligung nicht vor, so ist das Rechtsgeschäft mithin nicht nur schwebend, sondern vollständig unwirksam. Es besteht daher auch nicht die Möglichkeit der späteren Genehmigung.

Maßgeblich für diese Regelung war die Überlegung, dass dem Erklärungsempfänger der bei fehlender Einwilligung notwendigerweise entstehende Schwebezustand bis zur Entscheidung über die Genehmigung zwar bei den Verträgen, nicht aber in den Fällen des einseitigen Rechtsgeschäftes zumutbar sei. Während er es bei den Verträgen nämlich selbst in der Hand hat, das Rechtsgeschäft abzuschließen oder nicht (oder bei Unkenntnis von der beschränkten Geschäftsfähigkeit ihm ein Widerrufsrecht aus § 109 BGB zur Verfügung steht), hat er auf das Zustandekommen des einseitigen Rechtsgeschäftes, auch wenn es ihn als Vertragspartner betrifft, keinen Einfluss. In den Fällen des einseitigen Rechtsgeschäftes soll daher über deren Wirksamkeit sofort und unmittelbar, ohne Wenn und Aber, Klarheit herrschen.

Diesem Ziel dienen auch die weiteren Regelungen des § 111 BGB: Danach ist das von einem beschränkt Geschäftsfähigen mit Einwilligung vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft unwirksam, wenn er dem Erklärungsempfänger die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und dieser das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Ein solches Zurückweisungsrecht besteht allerdings nicht, wenn der gesetzliche Vertreter den Erklärungsempfänger vorher von dem Vorliegen der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte.

Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommen, so gilt die Regelung des § 131 Abs. 2, Abs. 1 BGB: Das Rechtsgeschäft wird – von den Fällen der vorherigen Einwilligung oder des durch das Rechtsgeschäft lediglich erlangten rechtlichen Vorteils abgesehen – erst mit Zugang bei dem gesetzlichen Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen wirksam.

 

Beispiel: Der 16-jährige Rudolf hat von seinem Onkel ein Grundstück geerbt, das mit einem an die Eheleute Sparsam vermieteten Wohnhaus bebaut ist.

 

  • Den seit dem Erbfall gem. § 1922 Abs. 1 BGB zwischen Rudolf und den Eheleuten Sparsam bestehenden Mietvertrag (§ 535 BGB) kann Rudolf wegen der damit verbundenen rechtlichen Nachteile (er verliert seinen Anspruch auf den Mietzins) nur kündigen, wenn hierfür eine Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter vorliegt. Eine Kündigung durch Rudolf ist unwirksam, wenn er die Einwilligung den Eheleuten Sparsam nicht in schriftlicher Form vorlegt und diese seine Kündigung aus diesem Grunde unverzüglich zurückweisen, sofern die gesetzlichen Vertreter von Rudolf ihnen nicht vorher ihre Einwilligung mitteilen (§ 111 S. 3 BGB).
  • Wollen die Eheleute Sparsam das Mietverhältnis vorzeitig beenden, so wird eine gegenüber Rudolf auszusprechende Kündigung gem. § 131 Abs. 1 und 2 BGB erst mit Zugang bei dessen gesetzlichen Vertretern wirksam, weil Rudolf durch die Kündigung nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, sondern auch den Verlust des Anspruches auf Zahlung des Mietzinses (§ 535 S. 2 BGB) erleidet.
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