(gr.: méthodos, folgerichtiges Verfahren) Jura kann man nur mit Methode studieren.
Es gibt drei Arten von methodisch-juristischem Wissen:
- Methodisches „Know-how“ für den Umgang mit Gesetz und Fall (Gutachen- Auslegungs- und Subsumtionsmethoden)
- Methodisches „Know-how“ für den Erwerb juristischen Wissens (Lernmethoden)
- Methodisches „Know-how“ zur Anfertigung juristischer Leistungskontrollen (Technik und Taktik der wissenschaftlichen Arbeitsmethoden).
Eine eingehende Beschäftigung mit den „Methoden“ ist schon deshalb zu empfehlen, weil die Methode – anders als das Einzelwissen – in der juristischen Ausbildung immer benötigt wird. Ob Ihnen Einzelwissen in einer ® Klausur hilft, hängt häufig vom Zufall ab, die Methode hilft Ihnen immer. Ein wesentliches Merkmal des misslungenen juristischen Anfangs ist es, wenn der juristische Problemzuwachs schneller steigt als die methodischen Problemverarbeitungskapazitäten des Studenten (® Scheitern im Erstsemester). In einer gelungenen Einführungsveranstaltung müsste es deshalb vor allen Dingen darum gehen, methodischen juristischen Sachverstand in den Anfänger-Lehr-Lern-Prozess einzubringen, um das notwendige Speicherungs- und Fassungsvermögen des Studentengedächtnisses aufzubauen, das notwendig ist, den Problemzuwachs sicher zu verarbeiten. Hier müsste ein mehr geschlossenes, einfaches System und eine eingängige Methodik vermittelt werden, bevor dann alles offen, komplex und weit wird, der juristische Geist von der Kette gelassen werden kann.
Die Methode ist heute weitgehend aus den Anfängervorlesungen verdrängt. Die Aufbereitung des abstrakten Gegenstandes ® „Gesetz“ und des konkreten ® „Sachverhalts“ auf der einen und ihre methodische Gegenüberstellung im „® Gutachten“ durch die methodische Operation der „® Subsumtion“ auf der anderen Seite sind unter der Herrschaft jahrhundertealter juristischer Lehrtraditionen in den heutigen Hörsälen voneinander abgefallen.
Eine Methode ist nichts weiter als ein „Werkzeug“. Man weiß, dass es für die unterschiedlichen handwerklichen Arbeiten die unterschiedlichsten „Handwerkszeuge“ gibt. Genauso gibt es für die juristischen Arbeiten „Kopfwerkzeuge“. Hier nennen wir sie nur „Methoden“. Paragraphen reicht dem Jurastudenten das Gesetz, den Sachverhalt der Dozent, die braucht er jeweils nur zu lesen. Seine methodische Kunst erschließt erst den Sachverhalt und dann das Gesetz und knüpft beide zu einem reißfesten, klausurenresistenten Netzwerk.
Das Wesentliche am juristischen Studium ist nicht nur, all die juristischen Institute, Paragraphen und verschiedenen juristischen Spezialmaterien als Einzelstücke wie in einem Museum nebeneinander zu reihen und mit gelehrter Sprache um sie herum zu lustwandeln, sondern sie immer wieder durch die Gemeinsamkeit der Methode und ® Systematisierung miteinander zu verbinden.
Nur wer im Haus der juristischen Methodik und Systematik, des Lernens und der Technik des Klausuren-Hausarbeiten-Schreibens wirklich zu Hause ist, kann sich fundiert und vorbehaltlos dem juristisch Neuen, Tieferen, Komplexeren öffnen. Nur wer sicher auf beiden Beinen seiner Methodik und Lernstrategie steht, kann gefahrlos die Hand ausstrecken nach den das eigene juristische Fortkommen fördernden und bereichernden Qualitäten.
Das Wort „Methode“ bedeutet ein systematisches Vorgehen nach bestimmten Regeln und Grundsätzen. Die Römer gaben „méthodos“ durch den Doppelausdruck „via et ratio“ wieder: „Weg“ und „Vernunft“. Die Methodik ist also ein Weg (via), auf dem man sich durchweg vom Grunde des Schreitens und dem Ziel des Weges vernünftige und logische (ratio) Rechenschaft gibt (Warum gehe ich wohin). Genau das ist es! Eine Sprache können Sie allein durch die bloße Übung erlernen, d.h. durch zwanglose Anwendung – das Recht und das Gesetz nicht. Hierzu benötigen Sie Methode, das Gewusst-Wie-Gehe-Ich-Wohin-Warum, den entdeckenden Weg zum Ganzen! Die juristische Methode ist ein der juristischen Wissenschaft eigenes Vorgehen, ein folgerichtiges Herangehen an eine Aufgabe. Die Aufgabe heißt: Fälle lösen. Technisch gesprochen: Die Methode ist eine wissenschaftliche Montageanleitung für die Klärung juristischer Sachverhalte. Wissenschaft erzeugt regelgeleitet neue Erkenntnisse, weil bestimmte Methoden angewendet werden, damit die Ergebnisse von jedem mit der Sache Vertrauten nachvollzogen werden können (interpersonell).
Die Methoden haben eine wichtige Bedeutung als Schutzmaßnahmen gegen die psychische und kognitive Desorganisation des Studenten im Anfang des Jurastudiums. Was der Student heute in Hochschulen sofort vermittelt bekommt, ist viel abstraktes, theoretisches Gesetzes-Wissen, meist Spezialwissen. – Sein juristisch unvorbereitetes Gehirn vermag so viele Gesetze, Paragraphen, ihre Absätze, Sätze und Wörter, ihre Ziele und Bedeutungen, ihre Kombinationen und Verweisungen gar nicht einzeln zu speichern, geschweige denn bei Bedarf ins Bewusstsein zu holen. Was das Gehirn aber leisten kann, ist, die generelle Art und Weise der Verknüpfung zu verstehen, die die Systematik und Methodik unter diesen Gesetzen und für die zu entscheidenden Fälle herstellen kann. Damit kann er dann jederzeit erkennen, dass jedes ihm neu begegnende Gesetz immer nach derselben Methodik gebildet und nach derselben Methodik auf einen Lebenssachverhalt, einen Fall nämlich, sinnvoll anwendbar ist.
Die Unübersichtlichkeit der juristischen Materie hat nicht nur für den Anfänger drei charakteristische Gründe:
- Der erste Grund ist der, dass sich die Gesetze im Plural ausbreiten. Überall, bis in den letzten Winkel unserer Gesellschaft, Familie, unseres Berufes und Staates regeln Gesetze das Zusammenleben der Menschen. Mit Beginn des Buchdruckes war die mündliche Weitergabe der Regeln für das Zusammenleben vorbei, und die Revolution des „gesetzten“ juristisch fixierten Textes war nicht mehr aufzuhalten.
- Der zweite Grund ist die Folge des ersten. Kaum sind die Gesetze mit ihren Geboten und Verboten in die Welt „gesetzt“, gibt es schon Streit darüber. Kleben doch verschiedene Juristen-Interpreten aus Gerichten und Hochschulen wie Spürhunde mit ihren richterlichen und wissenschaftlichen Nasen an den Texten. Und sie riechen bei der Dechiffrierung der Gesetzestexte, bei der Enthüllung der gesetzgeberischen Worte, bei dem Empfang der verschlüsselten Nachrichten leider nicht selten jeweils etwas anderes.
- Der dritte Grund für die Unübersichtlichkeit der juristischen Materie ist die Rechtsprechung, der Kern einer jeden auf Recht beruhenden Gesellschaft. Diese sog. Jurisdiktion versetzt der naiven Vorstellung des Anfängers von der einen Wahrheit hinter den Gesetzen schon früh den Todesstoß. Die Rechtsprechung entlässt jeden Tag Tausende von Urteilen in die juristische Welt. Die richterlichen Dompteure des gesetzgeberischen Sinns erheben ohne Scheu ihre eigene Perspektive zum Maßstab, und das nicht immer einheitlich.
Es ist wichtig, sich schon als junger Student ganz schnell methodische und strukturelle gedankliche Disziplin anzueignen, die es einem dann ermöglicht, die sich hinter den verschiedensten Aspekten der Juristerei verbergende methodische Einheitlichkeit überblicken und begreifen zu lernen.
Die Fachleute sind sich ausnahmsweise einig:
- Die Gesetze sind und werden immer lückenhaft bleiben. Auch der Gesetzgeber ist nur ein Mensch.
Nur die richtige Methode im Umgang mit Gesetzen kann diese Unvollkommenheit überwinden.
- Unsere deutsch-kontinentaleuropäische Kodifikationsgläubigkeit, d.h. die Überzeugung, dass „alles und jedes“ gesetzlich geregelt und in Gesetzessammlungen („Kodifikationen“) eingestellt werden müsse, hat zu einer Gesetzes- und Paragraphenflut geführt, die alle Dämme gesprengt hat. Nur auf der Flut mitzurudern, hilft nicht weiter.
Allein die richtige Methode zum Lernen des juristischen Lernens kann die Flut bändigen.
- Niemand ist mehr in der Lage, die ganze Rechtsordnung zu überblicken. Es gibt inzwischen Spezialisierungen auf allen Gebieten, ständigen Wandel und Anpassung, Daten- und Meinungsfriedhöfe in Lehrbüchern, Kommentaren und Rechtsprechungsübersichten, Informationslawinen in Vorlesungen von allen Seiten.
Begegnen kann man dieser Entwicklung nur mit einer Methode des Informationsmanagements.
- Drei berichtigende Wörter des Gesetzgebers verwandeln ganze Bibliotheken in Altpapier und machen Heere von Juristen zu Ignoranten. Altes Wissen vergeht, neues Wissen geht auf. Dem juristischen Prozess des Sterbens und Geborenwerdens von Gesetzen tritt man mit den Methoden der Rechtsgewinnung wirksam entgegen.
Das „Chaos“ der Gesetze bewältigt man mit Methode.
- In der juristischen Ausbildung geht es um Falllösungen, also um die Anwendung und Auslegung von Gesetzen und die Unterordnung unter Gesetze, schlicht – um den Umgang mit Gesetzen einerseits und Sachverhalten andererseits.
Dieses Spiegeln des Lebensausschnitts im Gesetz, dieses wunderbare Spiel mit der Subsumtion bewältigt man nur mit der gekonnten Methode der Fallbearbeitung.
- Alles globale juristische Wissen im Kopf nützt letztendlich nichts, wenn es nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt lokal umgesetzt und angewendet werden kann. Es ist nicht nur wichtig, dass man von Jura etwas weiß, sondern es ist manchmal wichtiger, dass andere wissen, dass man etwas weiß!
Alle „Klausuren- und Hausarbeitsteufelei“ finden ein jähes Ende, wenn man durch die Methode des Klausuren- und Hausarbeitenschreibens mit dem Klausuren- und Hausarbeitenschreiben vertraut ist.
Die Rechtsordnung ist ein sinnvoll in sich gegliedertes, geordnetes, systematisches, aber immer methodisch erschließbares Ganzes. Das juristische Universum ist ein festgefügter komplexer Regelraum mit immanenten Schichten und Strukturen, letztlich ein durch Gesetze, Methodiken und Systeme gebändigtes Chaos. Diese Bändigung der für den Anfänger ungeordneten Urmasse der juristischen Welt gelingt nur mit Methode!
Die Juristerei wirkt häufig auf junge Jurastudenten labyrinthisch und verrätselnd. Das liegt nicht zuletzt daran, dass jeder Juraprofessor heute im Regelfall mit seinem Spezial-Fach nur einen ganz bestimmten Aspekt der außerordentlich vielgestaltigen Jurawelt erfasst, einer Jurawelt allerdings, die sich für ihn nur selten in ihrer Ganzheit, sondern häufig nur bruchstückhaft als ein Puzzlestein von vielen überblicken lässt: der Arbeitsrechtler das Arbeitsrecht, der ZPO’ler die Zwangsvollstreckung, der Strafrechtler sein materielles Strafrecht, der Sachenrechtler, der Schuldrechtler, der Grundbuchrechtler sein jeweiliges Fachgebiet. Es gibt nur ganz wenige Dozenten – aber das sind die besten -, die unerbittlich methodische Disziplin und die systematische Verknüpfung demonstrieren und einfordern. Das Ganze der juristischen Welt ist ohne Methode nicht mehr zu fassen. Sie ist für alle Rechtsgebiete gleich, deshalb ist sie als Fundament auch so wichtig.
Um das juristische Denken zu generieren, gilt der Dreiklang:
- juristisch zu denken, d.h. methodisch zu denken
- juristisch zu lernen, d.h. methodisch zu lernen
- juristisch zu arbeiten, d.h. methodisch zu arbeiten.
Also: Die Juristerei zu beherrschen heißt, die juristische Methodik zu beherrschen. Nur sie ist in der Lage, das nahezu unüberschaubare textuelle Jura-Wissen über die Gesetze und Paragraphen, ihre Interpreten in Literatur und Rechtsprechung zu bändigen. Das Geheimnis der Juristen besteht eben in einer Methode. Dieses Geheimnis gilt es, möglichst früh im Studium zu heben. Den in den Denkgegenständen und Denkinhalten von Recht und Gesetz liegenden Zusammenhängen und systematischen Netzwerken muss der Student behutsam nachgehen. Juristische Methodik und methodisches Lernen setzen ihn dann in Stand, rationell zu verfahren, die einzelnen Schritte des juristischen Erkenntniserwerbs mit den jeder Neugier zugrunde liegenden Fragen: „Was ist das?“, „Warum machen wir das?“, „Wie geht das?“, „Wie soll ich das lernen?“ und „Wie soll ich es in einer Klausur optimal wiedergeben?“ in Gang zu setzen und weiterzutreiben.
Deshalb müssen die juristischen Methoden
- im Umgang mit Gesetzen,
- im Umgang mit der Rechtsgewinnung,
- im Umgang mit der subsumtionsorientierten Fallbearbeitung,
- im Umgang mit der Informationsgewinnung,
- im Umgang mit dem Lernen des juristischen Lernens
- im Umgang mit den Techniken und Taktiken des Klausuren- und Hausarbeitenschreibens
wieder in ihre alten Rechte eingesetzt werden, so wie es früher einmal war. Diese „Methodenszene“ zu beherrschen, ist die Basis für die gesamte juristische Ausbildung.